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Interview mit „Mr. Squash“ Willi Eickworth „Ich war zuerst mit Squash verheiratet – das weiß meine Frau auch“

Ausgerechnet im Tennis-Mekka Wimbledon hat der 64-Jährige seine Leidenschaft für Squash entdeckt - in einem Klub, wo er eigentlich nur ein Bier trinken wollte. Squash in Bremen ist ohne Eickworth undenkbar.
11.05.2019, 18:00 Uhr
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„Ich war zuerst mit Squash verheiratet – das weiß meine Frau auch“
Von Jörg Niemeyer

Herr Eickworth, seit mehr als 40 Jahren gilt Ihre Leidenschaft dem Squash. Hat die Sportart in Ihren Augen noch eine Zukunft?

Wilhelm Eickworth: Ja, absolut! Die Turniere, die ich in den letzten Monaten besucht habe, waren sehr gut besetzt. Beispiel: Beim German Junior Open in Hamburg haben 450 Kinder gespielt. Beim Nachwuchs-Turnier in Köln waren allein etwa 150 Jugendliche aus den USA. Auch Länder wie Pakistan, Ägypten oder Malaysia schicken ihren Nachwuchs, um hier in Deutschland Squash zu spielen.

Und wie viele Deutsche sind dabei?

Ein verschwindend kleiner Anteil.

Stirbt Squash in Deutschland also aus, während es weltweit Zulauf hat?

Nein. Das Problem in Deutschland sehe ich eher in der Tatsache, dass es wenige Ehrenamtler gibt, die die Jugend betreuen. Aber das ist kein Squash-Problem. Das kennen viele Vereine in anderen Sportarten auch. Allerdings hat das deutsche Squash seit den 90er-Jahren etwa die Hälfte seiner Mitglieder verloren. Leider gibt es auch bei uns in der Sportwelt keinen hauptamtlichen Trainer. Unser Verein hat das Geld dafür einfach nicht.

Noch vor einigen Jahren gab es in Bremen und dem nahen Umland eine Vielzahl von Squashanlagen. Warum sind die immer weniger geworden?

Aus dem ähnlichen Grund: Es spielen weniger Leute. Und in den 90er-Jahren gab es einen Fitnessboom, nach dem viele Studios aus dem Boden gestampft wurden. Da musstest du kein Mitglied sein – du konntest kommen und gehen, wann du wolltest.

Das konnte man in den Squashanlagen aber auch.

Ja, aber da hast du keine Betreuung bekommen. Und Squash ist vergleichsweise teuer, die Miete eines Platzes kostet heute über 20 Euro für 45 Minuten. Im Fitnessstudio zahlst du deinen Beitrag und kannst zehn Mal pro Woche trainieren.

Was hat denn vorher den Squashboom auch in Bremen ausgelöst?

Die Sportart ist sehr attraktiv; und du musst vergleichsweise wenig können, um schon spielen zu können. Das ist in anderen Sportarten oft nicht der Fall.

Und trotzdem ist auch der 1. Bremer Squash-Club stark geschrumpft.

Ja, leider. Wir waren um 1990 mal bei 180 Mitgliedern, jetzt sind es noch um die 50.

1976 wurde der 1. Bremer Squash-Club gegründet – der Klub, dessen Vorsitzender Sie heute sind. Ein Jahr zuvor war in der Duckwitzstraße die erste Bremer Squashanlage erbaut worden. Was hat Sie zu einem der Pioniere im Bremer Squash werden lassen?

Eigentlich die Engländer.

Wie bitte?

Ich habe Anfang der 70er-Jahre in London erstmals Squash gesehen, als ich mit einem Freund zum Tennisturnier in Wimbledon war. Nach dem Tennis wollten wir irgendwo ein Bier trinken gehen, und da hab ich in einem kleinen Klub zwei Typen mit kleinen Schlägern, ähnlich wie beim Badminton, rumhüpfen sehen.

In einem Klub?

Beim Biertrinken hörten wir so ein komisches Geräusch – das war das typische Klatschen des Balles an der Wand. In dem Klub gab es ein Spielfeld, links und rechts Betonwände und hinten eine Glaswand. Da haben wir uns das dann angeguckt. Was wir zunächst nicht wussten: Die beiden Spieler zählten im Squash zur Weltspitze. Der Ire Jonah Barrington war 1969 Vizeweltmeister, der Australier Geoff Hunt gewann zwischen 1976 und 1980 vier WM-Titel.

Und Squash hat Sie sofort fasziniert!

Ja. Ich weiß zwar nicht warum, aber es hat bei mir klick gemacht. Und es hat mich nicht mehr losgelassen. Dann kamen wir nach Bremen zurück, und kein Mensch wusste so richtig, was Squash ist. In Hamburg gab es zu der Zeit schon eine größere Anlage, aber in Bremen nicht.

Wie entwickelte sich Ihre Liebe weiter?

Je nachdem, wie viel Geld ich gerade hatte, habe ich zunächst ein oder zwei Mal pro Woche Tennis gespielt – ganz gut sogar.

Ihre Leidenschaft bis dahin?

Tennis war mein Sport, Fußball hatte ich irgendwann sein lassen.

Haben Sie Tennis auch leistungsmäßig betrieben?

Nein, ich war in keinem Verein. Mein Vater hätte damals eine Aufnahmegebühr von 3000 D-Mark bezahlen müssen. Das war damals üblich, aber er hat das nicht gemacht. Es gab jedoch immer jemand, der gern mit mir spielen wollte.

Warum das?

Ich war einer, der keinen Ball verloren gegeben hat. Aber ich brauchte natürlich immer jemanden, der mich mit auf die Anlage genommen hat. Ich war ja kein Vereinsmitglied. Und ich war auch nicht richtig gekleidet. Doch es ging trotzdem.

Tennis konnten Sie so aber nicht wettkampfmäßig spielen.

Nein, aber leidenschaftlich dennoch. Und jetzt kommt's: In der Duckwitzstraße habe ich Tennis gespielt. Als ich nach dem Spielen oben in der Gaststätte etwas getrunken habe, hörte ich ein Geräusch, das mir aus London bekannt vorkam. Ich habe einen Vorhang beiseite gezogen und konnte dann von oben in die Squashcourts gucken.

Und dann?

Dann haben mein Freund und ich gesagt: Nächsten Sonntag kein Tennis, sondern Squash! Und ich habe Feuer gefangen. 1977 bin ich in den 1. BSC eingetreten, der damals noch seine Heimat in der Insterburger Straße hatte. 1978 habe ich angefangen, Kinder zu betreuen und habe das im Verein bald auch offiziell als Jugendleiter gemacht. Außerdem wollte ich selbst ja auch mehr Squash spielen.

Was hat Squash denn, was andere Sportarten nicht haben?

Das Spiel eins gegen eins. Und natürlich das Tempo. Du kannst innerhalb kurzer Zeit bis an deine Grenzen gehen. Es gibt Situationen, da bist du alle. Und dann kriegst du die zweite Luft. Du bist völlig platt – und trotzdem nur zufrieden. Wenn jemand sehen will, wie weit er körperlich gehen kann, ist er im Squash richtig aufgehoben. Und noch etwas: Ich will es nicht Schadenfreude nennen, aber wenn du deinen Gegner während des Spiels durch den Court schicken kannst, hat das auch einen ganz besonderen Reiz.

Mit Verlaub: So ganz jung waren Sie ja schon nicht mehr. Wie hat sich Ihre Squash-Karriere entwickelt?

Ich habe in der Mannschaft gespielt und bin in der Ü35 deutscher Meister geworden. Bei den Erwachsenen bin ich zu spät an den Start gegangen. Aber ich war nicht schlecht. Ich habe von ganz unten über die Regionalliga bis zur Bundesliga alle Aufstiege mitgemacht. Und noch mit über 50 Bundesliga gespielt. Nach einem Arbeitsunfall war das aber mit einem Schlag zu Ende.

Die Bundesliga oder Squash überhaupt?

Die Bundesliga. Auch nach dem Unfall habe ich wieder fünf, sechs Mal pro Woche auf dem Platz gestanden. Da macht dann die Erfahrung viel aus. Wer das Spiel einigermaßen beherrscht, bestimmt es auch. Den Virus Squash habe ich nie verloren.

Während all der Jahre haben Sie immer noch die Zeit gefunden, auch als Trainer zu arbeiten.

Das habe ich nie aufgegeben und mache es jetzt noch. Unter anderem trainiere ich das große Bremer Talent Lennox Vogt.

Was hat Sie veranlasst, sich im Squash so sehr für andere zu engagieren?

Jedenfalls kein Geld – das gab es nie. Es war der Erfolg.

Können Sie das näher erklären?

Ein Beispiel: Mich hat vor Jahren ein etwa 50-jähriger Betriebssportler gefragt, ob es in seinem Alter noch lohnt, richtig Squash zu spielen. Der hat angefangen zu trainieren und es drei Jahre später bei einer Senioren-Europameisterschaft noch bis aufs Siegertreppchen geschafft.

Weil er so gut war?

Der war fit, hatte aber zunächst keine Technik und wenig Taktik. Die wichtigsten Dinge beim Squash passieren im Kopf. Der ist das Wichtigste. Bist du kein Wettkampftyp, gehst du immer mit Lampenfieber ins Spiel. Bis du dann richtig ins Spiel gekommen bist, ist es oft auch schon vorbei. Ich behaupte, dass es keinen Menschen gibt, der Squash nicht lernen kann.

In Bremen gab es ja auch genügend Spielstätten, um das Spiel zu lernen. Man kann wohl sagen, dass sich die Stadt im Squash zu einer Hochburg entwickelt hat.

Ja. Aber bis heute bedauere ich es, dass wir trotz der vielen Anlagen den Sport nicht wirklich vorangebracht haben. Der kommerzielle Erfolg stand im Vordergrund. Ich habe mich schon sehr früh dafür eingesetzt, die besten Bremer in einer Mannschaft zu sammeln. Das ist leider nie passiert.

Trotzdem hat es mit der Bundesliga geklappt und hat Bremen viele gute Spieler hervorgebracht. Machen wir einen Schnitt: Sie werden im Dezember 65. Was hat Squash in Ihrem Leben bedeutet?

Ganz viel. Es ist meine Sportart Nummer eins. Ich habe viele Menschen über den Sport kennengelernt. Ich habe als Spieler und Schiedsrichter überall in der Welt Freunde gewonnen. Mit zunehmendem Alter war es gar nicht mehr mein Ziel, sportlich weiter nach oben zu kommen, sondern Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. So habe ich auch Profis für unsere Mannschaft holen können.

Hat Squash Sie möglicherweise auch gezwungen, auf etwas verzichten zu müssen?

Bestimmt habe ich x-mal weniger Urlaub gemacht. Meistens war ich mit Squash im Urlaub.

Das hat Ihre Ehe nicht kaputt gehen lassen?

Das verstehe ich bis heute nicht. Es hat viel Ärger gegeben. Ich habe bei der Bahn ja auch viel gearbeitet. Wenn du in der Arbeitszeit weg bist und dann auch in der Freizeit, bist du nicht viel zu Hause. In meiner Hochzeit als Aktiver habe ich 42 Turniere pro Jahr gespielt.

Sie haben hier jetzt die Chance einer Liebeserklärung an Ihre Frau. Würden Sie in einem zweiten Leben etwas anders machen?

Ich war zuerst mit Squash verheiratet – das weiß meine Frau auch. Anfangs war es sehr schwer. Wenn du selbst spielst, hast du Scheuklappen. Du hast das Training mit den Jugendlichen. Und dann habe ich so manches Mal schon vor der Arbeit selbst trainiert.

Sie haben demnach zu allen Tages- und Nachtzeiten Squash gespielt und gelebt.

Das kann man so sagen.

Squash war in den 80er-, 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts ein boomender Sport. Sehnen Sie sich manchmal in alte Zeiten zurück?

Das ist schwierig zu sagen. Ja, es war mehr los. Es war schwieriger, einen Platz zu bekommen. Es gab tolle Sachen, tolle Athleten, aber ich sehne mich nicht wirklich zurück.

Wie lange macht „Mr. Squash “ noch weiter?

So lange wie ich gesund bin. Auch ein Ehrenamt hat etwas mit großer Verantwortung zu tun. Das nehme ich sehr ernst.

Also keine Rückzugspläne?

Nein. Für zwei Jahre bin ich jetzt als 1. Vorsitzender gewählt, und dann sehen wir weiter.

Die Fragen stellte Jörg Niemeyer.

Zur Person

Zur Person

Wilhelm Eickworth (64)

ist ein Bremer Junge. Er wurde am 8. Dezember 1954 in Gröpelingen geboren. Eickworth ist seit 1979 verheiratet und Vater eines 31-jährigen Sohns. Der gelernte Starkstromelektriker, 1970 von der damaligen Deutschen Bundesbahn eingestellt, kümmert sich bei der Deutschen Bahn, wie das Unternehmen jetzt heißt, um die Leit- und Sicherungstechnik. Nach mehr als 40-jähriger ehrenamtlicher Tätigkeit ist Eickworth für viele Bremer einfach nur „Mr. Squash“.

Info

Zur Sache

Der ewige „Willi“

Wilhelm „Willi“ Eickworth ist Mitgründer des Squash-Rackets-Verbands Bremen und seit 1988 auch dessen Vorsitzender. Dem 1976 gegründeten 1. Bremer Squash-Club gehört der 64-Jährige seit 1978 an, wurde sofort Jugendleiter, war ab 1980 2. Vorsitzender des Vereins und ist seit April dieses Jahres 1. Vorsitzender. Eickworth ist ehemaliger Bundesliga-Spieler, Trainer, noch aktiver Schiedsrichter und im Deutschen Squashverband Schiedsrichter-Obmann.

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