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Klage eingereicht Betreiber von Bremer Fitnessstudios ziehen vor Gericht

Den Verantwortlichen von fünf Bremer Fitness-Studios reicht es: Sie ziehen gegen Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard vor Gericht, um ihre Betriebe schnellstmöglich wieder öffnen zu können.
25.02.2021, 21:07 Uhr
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Betreiber von Bremer Fitnessstudios ziehen vor Gericht
Von Jörg Niemeyer

Die Verantwortlichen von fünf Bremer Fitnessstudios wollen sich nicht länger untätig mit der Situation abfinden. Ihre Einrichtungen sind seit Monaten wegen Corona geschlossen. „Das ist für viele Studios eine wirtschaftliche Vollkatastrophe“, sagt Manfred Mauer, Geschäftsführer und Inhaber der Fitness-Park-Gruppe. Er hatte schon im vergangenen Jahr, zu Beginn der Pandemie, gegen die angeordneten Schließungen geklagt – vergeblich. Nach einem zweiten gescheiterten Versuch im Oktober 2020 versucht es das Quintett jetzt erneut: Es hat am 16. Februar Klage gegen die Stadt Bremen, vertreten durch Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke), einreichen lassen.

Namentlich läuft die Klage unter Jürgen Kohne. Er ist der Geschäftsführer der Sport Lounge Munte und Vorgesetzter von 35 Mitarbeitern, davon sind 23 in Festanstellung und sechs Auszubildende. „Mir fehlt es an Respekt für gesunde Menschen“, sagt Kohne, der wie seine vier Unterstützer mit juristischen Mitteln darum kämpft, dass die Studios so schnell wie möglich ihren Betrieb hochfahren können. „Warum dürfen Friseure wieder öffnen?“, fragt er. Fitnessstudios seien schließlich keine Treiber der Pandemie.

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Markus Begerow, Geschäftsführer und Mitinhaber der ULC Fitnessgruppe, verweist auf die Safe-Active-Studie aus dem Jahr 2020, der zufolge bei mehr als 62 Millionen Studio-Besuchen eine durchschnittliche Infektionsrate von 0,78 Fällen pro 100.000 Besucher festgestellt worden sei. "Es ist nicht nachzuvollziehen", sagt Geschäftsführerin Claudia Bloch von Avant Fitness & More, "warum ein sicheres Training nach bewährter Hygiene- und Abstandsregel bei nur geringer Auslastung nicht möglich sein soll." Kohne sagt, dass sich der Desinfektionsmittel- und Papierverbrauch in seinem Unternehmen 2020 verfünffacht habe, obwohl es viereinhalb Monate geschlossen war.

Auch wenn es keiner der fünf Verantwortlichen offen ausspricht: Es ist klar, dass sie um die Existenz ihrer Unternehmen bangen. Der Deutsche Industrieverband für Fitness und Gesundheit vertrat 2020 laut eigener Homepage die Interessen von knapp 10.000 Studios mit mehr als 200.000 Beschäftigten und 11,66 Millionen Mitgliedern. Während den Studios im Lockdown wegen fehlender Einnahmen ihre finanzielle Grundlage wegzubrechen droht und staatliche Gelder aus November- oder Dezember-Hilfen sowie aus der Überbrückungshilfe III nur spärlich flössen – Manfred Mauer: „Diese Hilfen sind ein Bürokratiemonster.“ –, leiden viele Sportler unter gesundheitlichen Auswirkungen der Studio-Schließungen. „All die Menschen, die sich nach sportlicher Betätigung sehnen, werden vergessen“, sagt Claudia Bloch. Sie erhalte viele Anrufe von Menschen, die am Telefon weinten.

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Den Fitnessstudios ergeht es letztlich wie den organisierten Sportvereinen: Sie alle verlieren im Zuge einer normalen Fluktuation Mitglieder, ohne dass sie aber in der ungewöhnlichen Pandemie-Lage neue hinzugewinnen können. Wo es kein Angebot gibt, gibt es auch keinen Nutzer. Die Branche der Fitnessstudios beklagt zudem einen weiteren Missstand. „Welches Senatsressort ist für uns zuständig“, fragt Kohne stellvertretend für seine Kollegen in die Runde. Sport? Wirtschaft? Gesundheit?

Welche Blüten die unklare Situation mit den Zuständigkeiten treibt, hat Thorsten Wienhold im vergangenen Frühjahr erfahren. Der Geschäftsführende Gesellschafter des Qi55 im Bremer Ostertorviertel und fünfte Unterstützer der nun eingereichten Klage wollte angesichts geschlossener Studios in den Wallanlagen Outdoor-Kurse für seine Mitglieder anbieten. Er bekam vom Sportamt grünes Licht, doch das Ordnungsamt kassierte die Genehmigung ein. Begründung von dort: Das Ordnungsamt sei zuständig, und die Grünanlagen seien keine Freiluftsportanlage. „Joggen, Skaten oder Fahrradfahren scheinen laut Ordnungsamt nicht zu sportlicher Betätigung zu zählen“, stellte Wienhold damals fest. Im Gegensatz zu Sportvereinen, die auf der von ihnen angemieteten oder auf der ihr gehörenden Freiluftsportanlage aktiv sein dürfen, haben kommerziell betriebene Fitnessstudios diese Möglichkeit also nicht.

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Wie die im Deutschen Olympischen-Sportbund organisierten Vereine, sehen sich aber auch die Fitnessstudios als wichtigen Partner im Gesundheitsbereich. Die muskuläre Inaktivität, zu der die Schließung weitgehend führt, beeinflusse die Gesundheit nachhaltig negativ, sagt Begerow, der in den 1980er-Jahren zu den besten deutschen Diskuswerfern gehörte und ausgebildeter Diplom-Sportlehrer ist. Man könne nicht einfach alles schließen, sagt der 62-Jährige. So gefährlich die Pandemie einerseits auch sei, stürben jetzt andererseits auch viele Menschen an Herz-/Kreislauferkrankungen, führten Depressionen zu Suiziden und würden notwendige Operationen verschoben.

Die Schäden, darauf weisen die Verantwortlichen der Fitnessstudios hin, sind also vielschichtig. Und Jürgen Kohne schließt nicht aus, dass er wegen des Lockdown eine weitere Klage folgen lässt – auf Schadenersatz wegen erlittener Einnahmeausfälle.

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