Diese Nachricht sorgte bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) am Freitag für Aufregung. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer will angesichts der rasant steigenden Corona-Zahlen den Spielbetrieb der ersten und zweiten Bundesliga unterbrechen. Vor der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche fordert Mäurer seine Kollegen auf, entsprechende Maßnahmen vorzubereiten: „Wir müssen auf die DFL einwirken, den Spielbetrieb umgehend zu unterbrechen oder zumindest vorerst nur Geisterspiele anzusetzen."
Aktuell ist RB Leipzig der einzige Verein, der am Wochenende vor leeren Rängen spielen muss. Für das Heimspiel gegen Leverkusen greift die Sächsische Corona-Schutzverordnung, die Sportveranstaltungen im Profibereich bis 12. Dezember nur ohne Zuschauer erlaubt. In Bayern dürfen die Stadien nur noch zu 25 Prozent gefüllt sein – und das mit Zuschauern, die geimpft oder genesen und zusätzlich negativ getestet sind. In Niedersachsen gilt für den VfL Wolfsburg bei der Stadionauslastung nun eine Grenze von maximal 50 Prozent, in Nordrhein-Westfalen hingegen muss bei vollen Rängen nur die 2G-Regel eingehalten werden. Diesen Flickenteppich kennt man aus den ersten Corona-Wellen, und wie damals wird wieder eine Wettbewerbsverzerrung beklagt, in diesem Falle von RB Leipzig.
Für eine einheitliche Regelung mit Geisterspielen für alle Klubs läuft die Zeit davon. Die nächste DFL-Versammlung der 36 Erst- und Zweitligisten ist erst für den 14. Dezember in Frankfurt vorgesehen, und Mäurer trifft mit den Innenministern der Länder erst ab Mittwoch kommender Woche per Videoschalte zusammen. In einem Statement machte die DFL in dieser Woche deutlich, sich nicht selbst strengere Vorgaben zu machen: „Die abgestimmte Linie aller 36 Klubs war seit dem Beginn der Pandemie immer, auf Basis der staatlichen Vorgaben zu agieren. Ein selbst verhängter, flächendeckender Lockdown im Sinne einer Saison-Unterbrechung ist daher kein Thema.“

Sieht dringenden Handlungsbedarf: Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer.
Denn viele der 36 Erst- und Zweitligisten sind wegen ihrer hohen Kosten dringend auf Zuschauereinnahmen angewiesen. Dazu zählt auch Werder Bremen. Eine Unterbrechung der Saison, wie Mäurer sie ins Spiel bringt, wollen die Vereine verhindern, weil dann die Millionenzahlungen der TV-Sender wegfallen. Das würde gleich mehrere Profiklubs in die Insolvenz treiben. Mit einer Rückkehr zu Spielen ohne Zuschauer wären wenigstens die nächsten TV-Raten und damit das kurzfristige finanzielle Überleben gesichert. Mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Fallzahlen in Deutschland wehrt sich Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gegen eine bundesweite Einführung von Geisterspielen: „Ich bin der Meinung, dass wir uns nicht in Kollektiv-Haftung mit anderen Regionen nehmen lassen dürfen, die sich weniger haben impfen lassen und deshalb ganz andere Zahlen haben.“
In der vierten Coronawelle ist der deutsche Profifußball mehr denn je gespalten. Helge Leonhardt, Präsident von Zweitligist Erzgebirge Aue, forderte wegen der dramatischen Lage in Sachsen eine freiwillige Pause des Bundesligafußballs, weil „Sorgfalt wichtiger ist als Gier“, wie er deutlich formulierte. Bei Eintracht Frankfurts Markus Krösche erntet er damit nur Kopfschütteln. Der Sportdirektor der Hessen sagte dem Fachmagazin „Kicker“, das sei nicht der richtige Ansatz: „Wir alle sind Wirtschaftsunternehmen, die laufende Kosten haben und Gehälter bezahlen müssen. Deshalb müssen wir unseren Betrieb aufrechterhalten.“ Für Leonhardt ist das zweitrangig: „Die nächsten vier Wochen werden extrem schwierig für unser Land und stellen uns vor eine Zerreißprobe.“
Es helfen also nur klare Vorgaben der Politik, für den Fußball und den Sport allgemein. Da eine Beschlussfassung der Innenministerkonferenz erst Ende nächster Woche erfolgen kann, hat sich Innensenator Mäurer mit Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald darauf verständigt, beim Heimspiel gegen Aue am 3. Dezember keine Fans aus Regionen mit hohen Inzidenzen ins Weserstadion zu lassen und die Zuschauerzahl um 25 Prozent zu reduzieren. Es sollen ausnahmslos die 2G-Regeln gelten.
Wie viele andere Vereine der Bundesliga, sieht auch Werder den Vorstoß des Bremer Innensenators kritisch, eine Ligapause oder Geisterspiele zu verordnen. Hess-Grunewald erklärte dazu am Freitag: „Wir haben die Forderungen des Bremer Innensenators zur Kenntnis genommen. Wir sehen auch, dass die Infektionszahlen steigen. Wir halten den Vorschlag allerdings für nicht zielführend. Wir bevorzugen aber Maßnahmen, die dazu beitragen, größtmöglichen Infektionsschutz zu bieten.“
Aus diesem Verantwortungsbewusstsein heraus habe Werder einer Zuschauerreduzierung für das Spiel gegen Aue zugestimmt. Hess-Grunewald: „Die Beibehaltung der 2G-Regel oder die Erweiterung auf eine 2G-plus-Regel tragen genauso wie die Maskenpflicht in verschiedenen Bereichen des Stadions dazu bei, Spiele mit Zuschauern weiterhin zu ermöglichen. Bislang gibt es zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass es bei Spielen im Stadion zu einem erhöhten Risiko für Zuschauer kommt.“
Laut Mäurer ist es aber auch höchste Zeit, die Polizistinnen und Polizisten keiner unnötig großen Gefahr mehr auszusetzen, „wenn wir sie mitten in der vierten Welle quer durch die Republik schicken, nur um Fußballspiele gegen gewalttätige Fans abzusichern“. Hinzu komme, dass die Einsatzkräfte vor Ort dringend gebraucht würden. Mäurer: „Es gilt, in der Krise Prioritäten zu setzen. Ein Fußballspiel abzusichern, gehört definitiv nicht dazu.“
Die Öffentlichkeit erwarte, dass sich die Polizei an Kontrollen beteilige und gewalttätige Demonstrationen oder Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Pandemie unterbinde. Aber: "Die Personalressourcen sind endlich." Mit Blick auf den Spielbetrieb der Bundesligen bittet Mäurer seine Innenminister-Kollegen deshalb dringend um Beratung und um ein geschlossenes Vorgehen, um die Pandemie nicht unnötig zu befeuern.