In diesem Sommer sorgt eine großangelegte Reform der Nachwuchsligen für eine ganz neue Struktur im männlichen Jugendfußball. Die bislang bekannte A-Junioren-Bundesliga (seit 2003) wird ebenso abgeschafft wie die vier Jahre später eingeführte B-Junioren-Bundesliga. Sie werden in beiden Altersklassen ersetzt durch Nachwuchsligen, für die sich vor allem die 58 Vereine mit einem Leistungszentrum qualifizieren. Die Profiklubs bleiben zukünftig also weitgehend unter sich. Der WESER-KURIER gibt einen Überblick.
Die aktuelle Struktur: Bislang spielten in der A- und der B-Junioren-Bundesliga jeweils 42 Teams in drei Staffeln. Diese waren in Nord/Nordost, Süd/Südwest und West eingeteilt, also nach regionalen Gesichtspunkten und mit jeweils 14 Teilnehmern. Zum Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft traten im Sommer letztmalig die drei Staffelsieger sowie der Vizemeister der in den Vorjahren erfolgreichsten Staffel an. Absteigen mussten die jeweils letzten drei Mannschaften. Sie wurden durch die Meister der jeweiligen Regionalligen ersetzt – oder den Oberligameister, wo es keine Jugend-Regionalliga gibt.
Der neue Modus: Eingeführt werden die U19- und die U17-DFB-Nachwuchsliga. Dort treten alle Mannschaften aus den derzeit 58 Leistungszentren des Landes an. Ein solches stellen die Lizenzvereine der 1. und 2. Bundesliga, also auch der SV Werder, sowie einige Dritt- und Regionalligisten, aus dem Norden etwa der SV Meppen. Im Sommer wird das Feld nun letztmalig durch Amateurteams aufgefüllt. Die insgesamt 64 Mannschaften treten dann bis zum Winter in acht regionalen Gruppen mit jeweils acht Teilnehmern an. Danach, also zu Beginn des Jahres 2025, wird neu eingeteilt und auch nicht mehr zwingend unter regionalen Gesichtspunkten: In der Liga A treten die jeweils besten vier Teams der acht Gruppen an und spielen später auch die bundesweiten Sieger aus. Der Rest, also die Liga B, umfasst insgesamt 40 Teilnehmer, mit jeweils acht Teams in fünf Staffeln. Zu den 32 Mannschaften ab Platz fünf stoßen nämlich die Aufsteiger aus den Regionalligen und Oberligen hinzu, also Amateurmannschaften, die nicht aus einem Leistungszentrum kommen. Dabei bleibt es auch in den kommenden Jahren, während der Aufstieg im Sommer letztmalig zur jetzt kommenden Saison möglich ist. Die Abstiegsfrage ist eindeutig geregelt: Die Teams aus den Leistungszentren steigen nie ab. Die Amateurvereine qualifizieren sich dagegen nur dann für eine weitere Saison, wenn sie ihre Staffel in der Liga B mindestens mit dem vierten Platz, also in der oberen Tabellenhälfte abschließen. Ansonsten müssen sie zurück in ihre Regional- oder Oberliga.
Der Kompromiss: Ursprünglich war angedacht, dass die mit einem Leistungszentrum versehenen Vereine ganz unter sich bleiben und die beiden Nachwuchsligen bilden. Das hatte Kritik der Amateurvereine zur Folge, und so wurde mit dem Aufstieg im Winter ein Kompromiss gefunden. Jurij Žigon, Vorsitzender des Jugendausschusses im Bremer Fußball-Verband und Mitglied des DFB-Jugendausschussen, konnte die Kritik nachvollziehen. Er nimmt allerdings auch eine recht klare Einordnung der Situation vor: „In den letzten 20 Jahren sind nur zwei Mannschaften außerhalb eines Leistungszentrums nicht nach nur einer Saison wieder aus der A- oder B-Jugend-Bundesliga abgestiegen.“ Soll heißen: Die Teams außerhalb der Leistungszentren hatten es in der Vergangenheit recht schwer, das Niveau der höchsten Spielklasse zu halten. Sie mussten nach dem Aufstieg ja nicht selten auf ihre besten Spieler verzichten, da diese in die nächsthöhere Altersgruppe aufgestiegen waren. „Jetzt haben die Amateurvereine die Möglichkeit, mit der starken Mannschaft aus der Hinrunde in die Nachwuchsligen aufzusteigen“, so Žigon
Der Hintergrund: Die Reform soll vor allem für mehr Kreativität und Spielfreude bei den Talenten in den Leistungszentren sorgen. Der möglicher Abstieg aus der höchsten Spielklasse spielt in den Überlegungen von Trainern und auch Spielern schließlich keine Rolle mehr. Beim DFB verspricht man sich also eine umfassende Abkehr von einer Strategie der „Misserfolgsvermeidung“. Sie sei in den vergangenen Jahren in den Vordergrund getreten, was die Entwicklung der Spieler eher gebremst als gefördert habe. Auch Jurij Žigon findet: „Den Spielern wird nach der Reform mehr Spielzeit gegeben.“ Noch allerdings ist der Weg von der Theorie zur Praxis zu gehen: Mit der Umgestaltung im Sommer beginnt eine vierjährige Evaluierungsphase, in der die der Reform zugrunde liegende Annahmen überprüft werden. „Es liegt in der Natur der Sache, dass irgendwann nachjustiert werden muss“, sagt Žigon.
Die Meinung der Bremer: Für Denis Spitzer kommt es auf die Perspektive an. „Fußball ist leistungsbezogen, mit Auf- und Abstieg“, betont der Trainer der letztjährigen U17-Bundesligamannschaft des Blumenthaler SV. Insofern kann sich der 37-Jährige auch nicht vollumfänglich mit einer Liga-Struktur anfreunden, die einem Großteil der Mannschaften jede Abstiegssorge nimmt. Andererseits erkennt Denis Spitzer auch die Vorteile des neuen Systems: „Wenn man die Talente wirklich fördern will, macht das Sinn.“ Schließlich seien Leistungszentren mit insgesamt viel besseren Bedingungen ausgestattet.
Thomas Wolter, Sportlicher Leiter des Werder-Leistungszentrums, findet schon den Namen der neuen Ligen richtig gut: „Wir kämpfen seit Jahren gegen die Bezeichnung als Bundesliga.“ Wer nun in einer DFB-Nachwuchsliga antritt, könne nicht mehr dem Irrtum erliegen, bereits ein Bundesligaspieler zu sein. Während Wolter die Einführung der U17-Spielklasse vorbehaltlos zustimmt, macht er im Fall der älteren Altersklasse eine Einschränkung. „Bei der U19 zweifeln wir: Vielleicht wäre es besser, wenn es weiter gegen den Abstieg gehen würde“, so Thomas Wolter. Er sieht allerdings den Vorteil, dass Werders Nachwuchsteams in der zweiten Saisonphase „Gegner bekommen, die wir sonst nicht gehabt hätten“ und möchte der neuen Struktur auch deshalb „eine Chance zu geben“.