"Jungs, wenn ihr eine gute Ringerbrücke macht, kriegt ihr irgendwann so einen Haarschnitt wie ich!", ruft Morteza Eshghparast den Jugendlichen zu, die in der Petrushalle in Bremen-Gröpeligen gerade ihre Aufwärmübungen machen, und streicht sich selbst über die Glatze. Die Jugendlichen recken den Bauch zur Decke während sie mit Kopf, Händen und Füßen die Matte berühren. Eshghparast ist Spartenleiter der neu gegründeten Ringersparte des Christlichen Sportvereins "Fit fürs Leben" in Bremen-Gröpelingen.
In den knapp sechs Wochen, die es das Ringer-Training nun gibt, hat die Sparte bereits 51 Mitglieder. Ein Großteil sei unter 18 Jahre alt und komme aus 10 verschiedenen Ländern. In der Gruppe, die an diesem Abend trainiert seien Iraner, Tschetschenen, Pakistaner, aber auch Russen und Ukrainer, erzählt Eshghparast. "Das klappt auch gut. Hier wird nicht über Politik und Religion gesprochen, das bleibt vor der Hallentür." In der Ringersparte solle es auch nicht um Leistung gehen. "Die Leute sollen hier herkommen und Spaß haben."
Ringen als Teil der Integration
Während er das erzählt, tragen sich die Sportler gegenseitig auf den Schultern im Laufschritt mit eingebauten Ausfallschritten um die Matte. Eine weitere Aufwärmübung besteht aus Flugrollen mit einem der Sportler als Hindernis und aus Radschlägen. Der Spartenleiter meint: "Ringer müssen auch gute Turner sein." Trainer Khalivrahman Shamatov bringt die jungen Männer, die um Jahre jünger sind als er selbst, zum Schwitzen. "Der Mann ist 70 Jahre alt und topfit", sagt Eshghparast anerkennend. Shamatov komme aus Dagestan, einer russischen Teilrepublik im Nordkaukasus und habe einige Zeit in der Ukraine gelebt. "Er spricht zwar noch nicht viel Deutsch, aber er lernt", erläutert Eshghparast. Er betont, dass die Sprache im Training Deutsch sei. Bei einigen sei das zwar noch schwierig, aber der 12-jährige Mohammed Margomedgadzhiev übernimmt die Aufgabe des Übersetzers. "So hören die Jungs den Trainer und auch auf ihn und lernen die Sprache. Ich habe selbst mehr Deutsch im Verein gelernt, als in der Schule", erzählt der Spartenleiter, der als Jugendlicher aus dem Iran nach Bremen gekommen ist.
Mit der Ringersparte in Gröpelingen wolle er auch einen Teil zur Integrations- und Präventionsarbeit durch Sport leisten, sagt Eshghparast. "Einige der Jugendlichen sind allein hier, weil sie geflohen sind. Hier bekommen sie eine Perspektive und vielleicht auch so etwas wie eine zweite Familie", sagt er. Außerdem hätten die Jugendlichen durch das Training eine Aufgabe und könnten sich auslasten. "Wer ausgelastet ist, kommt nicht auf Dummheiten." Dazu gehöre auch, dass die Jugendlichen Verantwortung im Verein übernehmen. Für den Papierkram mit den Anmeldungen ist beispielsweise die 15-jährige Sükran Akan zuständig. Sie hilft den Jugendlichen und ihren Eltern dabei, die Mitgliedsanträge auszufüllen. "Die Kids sollen lernen, was alles zu so einem Verein dazugehört", erklärt Eshghparast.
Dass er ausgerechnet eine Ringersparte gegründet hat, ist im Fall von Morteza Eshghparast keine Überraschung, auch er ist durch das Ringen im Verein in Bremen-Nord integriert worden. Außerdem spielt bei ihm auch der kulturelle Aspekt eine Rolle: "Ringen ist in vielen Ländern eine Volkssportart, auch bei uns im Iran ist das gang und gäbe." Durch andere Kampfsportarten wie Mixed Martial Arts (MMA) sei Ringen auch in Deutschland populärer geworden. Und obwohl es eine Kampfsportart sei, seien die wenigsten Ringer "Schlägertypen". Eshghparast betont: "Schlagen und Treten sind verboten. Ringer müssen sich mit fairen Mitteln auf der Matte beweisen." Zudem sind Ringer Eshghparasts Meinung nach intelligente Menschen, die gelernt hätten, auch mal zu verlieren. "Ringen ist auch Charakterbildung, denn Ringer sind zwar starke Kämpfer, aber im Kopf ruhig und ausgeglichen", meint der Spartenleiter. Die Kontrahenten würden sich auf der Matte messen, aber trotzdem nicht vergessen, dass da ein anderer Mensch vor ihnen stehe.
Inzwischen üben die Sportler auf der Matte die richtigen Angriffs- und Tackletechniken. Sie schmeißen sich hin und greifen gezielt nach den Beinen des Gegners, um ihn zu Fall zu bringen. Den ein oder anderen blauen Fleck müssten die Sportler einstecken können. "Kleine Wehwehchen gibt es bei uns nicht", sagt Eshghparast und lacht.