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Friederike Huber Das Jahr mit dem Reset-Knopf

Vor einem Jahr ist das Bremer Alpin-Talent Friederike Huber schwer gestürzt. Diagnose: Kreuzbandriss. Das Risiko, die Gefahr fährt jetzt mit in ihrem Kopf. Trotzdem ist sie schneller als vor der Verletzung.
27.01.2022, 10:22 Uhr
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Das Jahr mit dem Reset-Knopf
Von Olaf Dorow

Am Montag wird Friederike Huber 18 Jahre alt. Ein besonderer Tag ist das sowieso, und für Friederike Huber ist das quasi auch noch gleich ein doppelter Jahrestag. Vor einem Jahr stürzte sie in Berchtesgaden schwer. Kreuzbandriss. Die Ski-Karriere von Bremens größtem Alpin-Talent, das im Landeskader Niedersachsens trainiert und für den Bremer Ski-Club startet, war – um es mal mit einem Alpin-Bild zu sagen – ganz weit unten im Tal. Um in dem Bild zu bleiben: Ein Jahr später ist sie wieder oben auf dem Berg. Neulich siegte die Bremer Oberschülerin bei den offenen westdeutschen Meisterschaften in Maria Alm (Österreich) im Slalom. Die Trainer sollen danach gesagt haben: Sie fährt  besser und schneller als vor dem Kreuzbandriss.

Hinterher stärker als vor einer langwierigen Verletzung zu sein, das wünscht sich jeder ambitionierte Sportler. Das schafft nicht jeder, aber immer wieder ist das zu beobachten, dass der Wunsch in Erfüllung geht. Die Leichtigkeit von früher ist eventuell weg, das Urvertrauen zum eigenen Körper ist heruntergedimmt, das ja. Aber Konzentration und Körperbewusstsein sind jetzt erhöht. Gezwungen, wieder ganz von vorn anzufangen, kann der mühsame Neubeginn auch eine Chance sein. "Es ist vielleicht wie ein Reset-Knopf", schätzt Michael Huber, der seine Tochter als Kleinkind schon mit auf die Piste nahm, früh ihr Pisten-Talent sah und sie seitdem nach Kräften unterstützt.

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Knieverletzung mit Reset-Wirkung, so kann auch Friederike Huber das letzte Jahr wahrnehmen. Sie achte jetzt mehr auf die Technik als früher, sagt sie. Es ist quasi ihr neuer Leitsatz auf der Piste: "Wenn du technisch sauber fährst, bist du am Ende schneller." Vor den Rennen in Maria Alm, wo der Hang sehr steil herabfiel, hätten ihr die Trainer gesagt: Bleib technisch sauber, geh' nicht zu viel Risiko! So stürzt sich jetzt sozusagen dieses Bremer Skitalent reloaded die Hänger hinunter. Die Gefahr zu stürzen fährt mit in ihrem Kopf, die ist da drin seit dem Unfall von Berchtesgaden. Aber sie schafft es trotzdem, eher im Ziel zu sein als vor dem Sturz.

Der Weg bis zu diesem Leistungsniveau war steil. Und lang. Er war ungefähr das Gegenteil von einem flotten Riesenslalom, in dem sie mit circa 70, 80 Stundenkilometern unterwegs ist. Nach der Operation im vergangenen Februar in einer Pforzheimer Sportklinik durfte sie eine Woche lang nicht auftreten mit dem operierten Bein. Sechs Wochen dauerte es, bis sie mittels einer Bewegungsschiene das Knie bis auf 90 Grad anwinkeln konnte. Sechs Monate dauerte es bis zum ersten Stangen-, acht Monate bis zum ersten Schneetraining. Man dürfe da nichts übers Knie brechen, sagt Michael Huber einmal, als er vom langwierigen Reha-Prozess erzählt. Er hat ihn nicht als doppelsinnige Pointe sagen wollen, aber irgendwie sitzt der Satz perfekt.

Die ganze Reha fürs Knie hätte allerdings nicht funktioniert, wenn sie dem Kopf relativ egal gewesen wäre. Doch der Kopf war dabei, von Anfang an, sagt Friederike Huber. "Für mich war sofort klar, dass ich so schnell wie möglich wieder fit werden und auf die Piste will", sagt sie. Gleich nach dem Unglück und noch vor der Operation habe sie bereits mit den ersten Reha-Maßnahmen begonnen. Tempo und Technik im Schnee, das ist ihr Ding, das soll erst mal auch ihr Ding bleiben. Dafür fährt sie fünfmal pro Woche abends ins Fitness-Studio, dafür ist sie rund 80 bis 100 Tage pro Jahr im Schnee. Die Logistik ist entsprechend aufwendig. Schnee und Berge und norddeutsche Tiefebene sind bekanntlich keine Einheit. 

Friederike Huber ist auch nach ihrer Verletzung wieder eine der Besten aus der norddeutschen Tiefebene geworden, und auch vielen Konkurrentinnen aus dem Süden fährt sie davon. Nicht denen aus dem Nationalkader, aber "in den schaffen es nur ein, zwei Athletinnen pro Jahrgang", sagt Michael Huber. Das wäre von Bremen aus auch gar nicht zu bewerkstelligen. Von Bremen aus wird aber eine ernst zu nehmende Konkurrentin am ersten Februar-Wochenende die offenen Meisterschaften von Baden-Württemberg ansteuern, eine Woche später die Bayern-Titelkämpfe.

An diesem Wochenende wäre Friederike Huber sowieso als Favoritin an den Start gegangen, wenn in Steinach am Brenner die offenen Bremer Alpin-Meisterschaften stattgefunden hätten, auf denen sie seit Jahren Medaillen sammelt. Die Hubers wollen nun trotz der erneuten Absage nach Steinach fahren, zum Training. Vielleicht gibt es noch paar FIS-Rennen, also Rennen, die vom Weltverband angesetzt werden. Das Bremer Alpin-Talent will noch etwas zeigen von ihrem Können in dieser Saison, von ihrem neuen Können sozusagen. Sie hat fast ein ganzes Jahr lang darauf hingearbeitet.

Zur Sache

Hoffnung auf den Zwergencup im Harz

Es sollten endlich die aufgeschobenen 25. Bremer Alpin-Meisterschaften werden, doch erneut mussten sie abgesagt werden. Der Landesski-Verband Bremen (LSV) hatte die beliebten Titelkämpfe für dieses Wochenende geplant. Mit Blick auf die Pandemie beziehungsweise die Corona-Lage wurde die Veranstaltung in Steinach am Brenner in der vergangenen Woche abgesagt. Die Gesundheit der Teilnehmer wie des Orga-Teams stehe an erster Stelle, die Sicherheit sehe man jedoch nicht mehr gewährleistet, sagte LSV-Sportwart Hans-Jürgen Böschen. Vom Auswärtigen Amt war Österreich als Hochrisikogebiet eingestuft worden. Die Bremer Meisterschaften hatten zuletzt 2020 stattgefunden, auch im vergangenen Jahr waren sie ausgefallen. Das Bremer Team um den rührigen Sportwart hofft nun, dass zumindest am 27. Februar im Harz der sogenannte Zwergencup für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren und die  Meisterschaft im Parallel-Slalom ausgetragen werden können.

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