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Florian Wellbrock "Ich kann das machen, was ich liebe"

Florian Wellbrock ist jetzt in Japan, wo an diesem Sonnabend die Weltmeisterschaft beginnt. Im Interview erzählt der Schwimmstar, was ihn antreibt, was ihn emotional berührt und wie er seine Zukunft plant.
15.07.2023, 13:56 Uhr
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Von Frank Büter

Herr Wellbrock, Sie sind Freiwasser-Olympiasieger, mehrfacher Weltmeister und Bambi-Preisträger. Sie treten im Sportstudio und in popu­lären Fernsehshows auf. Nervt es Sie eigentlich, wenn Sie in den Medien als Superstar der deutschen Schwimmszene bezeichnet werden?

Florian Wellbrock: Nein, das nervt mich überhaupt nicht. Es ist ja auch eine Ehre – gerade, weil es von außen kommt und die Leute einen dazu gemacht haben. Das habe ich mir nicht selbst ausgesucht. Zum Glück haben wir mittlerweile aber noch ein paar andere Kandidaten, die vorne mitschwimmen können. Die Medaillenlast liegt also nicht mehr nur auf meinen Schultern, das verteilt sich ganz gut.

Jetzt reisen Sie wieder mal für mehrere Wochen nach Japan. Werden da Erinnerungen wach?

Definitiv. Es fühlt sich genauso an wie 2021, als es zu den Olympischen Spielen nach Tokio ging. Es steht wieder eine lange Reise mit einem großen Wettkampf bevor. Das löst viele positive Gefühle aus.

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Diesmal steht in Fukuoka die Weltmeisterschaft an. Geplant sind für Sie Einzelstarts im Freiwasser über fünf und zehn Kilometer und im Becken über 800 und 1500 Meter. Was genau sind Ihre Ambitionen?

Meine Ziele sind wieder recht hochgesteckt, so kennt man mich ja. Bei der WM im vergangenen Jahr hatte ich über 1500 Meter einen Titel zu verteidigen. Das ist mir nicht gelungen. Wenn ich da nach der Bronzemedaille wieder einen Schritt nach vorne machen könnte, wäre ich auf jeden Fall mehr als zufrieden.

Über zehn Kilometer Freiwasser gab es vor einem Jahr auch nur Bronze…

Ja, da hat es auch nicht so gut geklappt, wobei das ein Meckern auf hohem Niveau ist. Über zehn Kilometer kann man in Fukuoka schon ein Olympiaticket lösen. Dafür muss man unter die Top-Drei schwimmen – das steht für mich ganz oben auf der Agenda. Dann könnte ich da schon mal einen Haken dran machen.

Werden Sie auch wieder in der Freiwasser-Staffel über viermal 1,5 Kilometer dabei sein?

Es ist eine Option, dass ich Teil dieser Staffel bin. Aber ich habe letztes Jahr gemerkt, dass es mit fünf Starts für mich eine Mammutaufgabe war. Wir halten uns das noch offen und werden die Entscheidung erst vor Ort ­fällen.

Bei der WM im Vorjahr in Budapest sind Sie zweimal Weltmeister geworden und haben insgesamt fünf Medaillen gewonnen. Die Erwartungshaltung dürfte also groß sein. Wie gehen Sie damit um? Spüren Sie einen gewissen Druck?

Ich muss ehrlich sagen, dass mich diese Erwartungshaltung von anderen wenig interessiert. Mein Anspruch an mich selbst ist sehr hoch. Ich habe über die Saison hinweg schon gezeigt, dass ich sehr fit bin. Meine Wettkämpfe waren zuletzt alle sehr gut. Deswegen gehe ich jetzt auch beruhigt und selbstbewusst in diese WM rein.

Sie haben im April in Berlin im Becken zwei Weltjahresbestzeiten aufgestellt und dabei nach fünf Jahren auch Ihren eigenen deutschen Rekord über 1500 Meter verbessert. Wie haben Sie diesen Rekordtag erlebt?

Das war ein Mega-Tag für mich. Kurz vorher hatte ein Ire auch schon eine Zeit von 14:34 Minuten ins Wasser gebracht. Das hat mir noch mal eine Extra-Motivation gegeben. In dem Moment wollte ich zeigen, dass ich auch noch da bin. Das hat geklappt. Neuer deutscher Rekord und persönliche Bestzeit – für eine Saison im vorolympischen Jahr war das auf jeden Fall wichtig.

Es fiel auf, dass Sie bei Ihrem Rekorddurchgang das Tempo nach hinten raus enorm verschärfen konnten. Woher nehmen Sie diesen Speed? ­Haben Sie im Training etwas verändert?

Eigentlich haben wir in der Vorbe­reitung nichts umgestellt oder anders gemacht als sonst. Wir haben ge­sehen, dass es Stück für Stück bergauf geht und ständig besser wird. Das haben auch alle Strecken im Wettkampf gezeigt. Nur nicht über 1500 Meter, da habe ich stagniert. Meine alte Bestzeit war ja von 2018 von der Europameisterschaft in Glasgow. Deshalb war diese Bestzeit jetzt auch überfällig.

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Sie haben mal gesagt, Sie seien noch nicht satt. Dabei haben Sie gefühlt doch schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Was treibt Sie an, weiter auf Medaillenjagd zu gehen? Woher nehmen Sie die Energie?

Ich habe diese Bilder im Kopf, die mich antreiben. Wie ich anschlage, die Arme hochreiße und weiß: Ich bin jetzt Weltmeister oder Olympiasieger. Die Siegerehrung erleben und die Nationalhymne hören zu können, das sind die emotionalen Momente, die mich anspornen. Das ist unbezahlbar. Und es macht mir immer noch großen Spaß, über das Jahr hinweg mit den Leuten aus unserer Trainingsgruppe zusammen zu sein. Um die Welt zu reisen. Das ist wunderschön. Ich kann das machen, was ich liebe.

Sie haben in diesem Frühjahr von der Werte-Stiftung in Frankfurt den Werte-Preis in der Kategorie „Respekt“ erhalten, weil Sie Ihren ukrainischen Rivalen und Freund Mychajlo Romantschuk nach Ausbruch des Krieges aus der Ukraine in Ihre Trainingsgruppe nach Magdeburg geholt haben. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Das war eine große Ehre für mich. Ich war sehr überrascht, gerade weil es schon über ein Jahr her ist und diese Situation mit Mycha bei uns schon zur Normalität geworden ist. Ich wusste auch nicht, dass ich den Preis vor Ort von Mycha persönlich überreicht bekomme. Er hat da auch noch eine Rede gehalten. Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein sehr emotionaler Typ bin. Ich war von seinen Worten so gerührt, dass ich mit den Tränen zu kämpfen hatte.

Dieser Preis für Ihre Geste der Soli­darität und des Miteinanders war mit 10.000 Euro dotiert. Es gibt Fotos, die Sie gemeinsam mit Romantschuk und einem großen Scheck zeigen. Darf man fragen, was Sie mit dem Preisgeld gemacht haben?

Die Hälfte davon habe ich an die Deutsche Sporthilfe gegeben. Die Stiftung hat mich lange Jahre gefördert, damit bin ich groß geworden im Leistungssport. Die andere Hälfte hat der Naturschutzbund bekommen. Damit wird das Projekt „Meere ohne Plastik“ unterstützt.

Sie haben im Herbst vergangenen Jahres die Grundausbildung bei der Bundeswehr absolviert. Wie haben Sie diese Phase erlebt? Wie hoch war die körperliche Belastung?

Aufgrund des Sports hatte ich eine verkürzte Grundausbildung von vier Wochen. Da ist die Bundeswehr sehr entgegenkommend. In diesen vier Wochen habe ich viel Neues gelernt und viel Spaß gehabt. Ich bin auch von Haus aus Frühaufsteher, von daher war das auch kein Problem. Diszipliniert genug bin ich auch, um da gut durchzukommen. Ich konnte dieser Zeit viel Positives abgewinnen, weil man einfach mal etwas anderes gesehen hat.

Wie ist Ihr Status jetzt? Sind Sie Soldat der Sportförderkompanie oder einfach nur der Schwimm-Profi Wellbrock?

Sowohl als auch. Ich habe jetzt die Bundeswehr quasi als Arbeitgeber und Sponsor im Rücken. Ich bin da ­angestellt, aber gleichzeitig auch freigestellt. Ziel der Sportfördergruppe ist es natürlich, erfolgreiche Athleten zu haben. Man gibt uns alle Freiheiten für das Training und für Trainingslager.

Sie haben zwischenzeitlich eine ­Ausbildung zum Immobilien­kaufmann absolviert. Denken Sie auch jetzt schon einmal darüber nach, was nach Ihrer Schwimmkarriere kommt?

Ich habe viele Sachen im Kopf, wo die Reise später mal hingehen könnte. Die Immobilienbranche ist nach wie vor ein sehr sicherer Sektor. Das hat mir damals auch viel Spaß gemacht. Ich bin froh, dass ich diese Ausbildung abgeschlossen habe und könnte mir auch vorstellen, in dem Bereich zu arbeiten. International sieht man aber auch immer wieder, dass viele Athleten irgendwann als Trainer am Beckenrand auftauchen – auch das würde ich für mich nicht ausschließen. Aktuell ist das alles aber noch Zukunftsmusik.

Gesundheit vorausgesetzt: Haben Sie eine Idee, wie lange Sie als Leistungsschwimmer noch aktiv sein möchten? Sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles noch ein Ziel?

Ich bin kein Freund davon, das Karriereende an ein bestimmtes Alter zu hängen. Solange man körperlich voll fit ist und seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird, sollte man weitermachen. Ich bin auf jeden Fall bis 2028 und womöglich auch noch bis 2032 dabei.

Ihre Frau Sarah hat vor wenigen ­Wochen wegen anhaltender Schulterprobleme ihre Schwimmkarriere offiziell für beendet erklärt. Der Weg dahin sei hart und tränenreich gewesen, hat sie gegenüber den Medien gesagt. Inwieweit haben Sie Ihre Partnerin bei der Entscheidungsfindung begleitet?

Natürlich war es für sie nicht leicht. Ich habe Sarah immer signalisiert, dass sie zu 100 Prozent meine Un­terstützung hat, egal, in welche Richtung es nun geht: Paris 2024 oder ­Karriereende. Das war für sie auch ganz wichtig und hat ihr vielleicht auch bei der Entscheidungsfindung geholfen.

Sarahs Karriereende hat sicherlich auch Auswirkungen auf den gemeinsamen Lebensrhythmus. Wie machen sich die Veränderungen im Tagesablauf bemerkbar?

Zu Hause ändert sich erst mal nicht viel. Sarah hat das erste Jura-Staatsexamen gemacht. Ab September geht es für sie ins Referendariat. Und ich steige jetzt eben allein ins Auto und fahre zum Training. Das Problem ist ein anderes: Ich habe gemerkt, wie sehr sie mir fehlt, wenn ich im Trainingslager bin. Wie sehr ich sie vermisse, wenn ich vier Wochen von zu Hause weg bin. Das ist schon schwierig.

Apropos zu Hause: Sie sind in Bremen geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern leben hier, sie haben hier im Dezember 2021 geheiratet. Fühlen Sie sich noch ein bisschen als Bremer oder sind Sie inzwischen ein Magdeburger?

Wir fühlen uns in Magdeburg sehr wohl. Bremen ist aber ein Stück ­Heimat, deswegen haben wir da auch geheiratet. Bremen ist Teil meines ­Lebens, allein schon wegen meiner Familie und den Freunden. Es könnte auch sein, dass es uns früher oder ­später wieder nach Bremen ziehen wird. Aber auch das ist Zukunftsmusik.

Das Gespräch führte Frank Büter.

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