Herr Wellbrock, hat der schnellste Mann der Welt auf der 1500-Meter-Kurzbahnstrecke inzwischen eine neue Uhr am Handgelenk?
Florian Wellbrock: Nein, aktuell noch nicht. Ich habe das Geld anders und cleverer investiert. Der Traum von einer neuen Uhr besteht aber nach wie vor.
Die vom Weltverband FINA ausgelobte Weltrekordprämie von 50.000 Euro haben Sie demnach aber erhalten?
Ja, das habe ich.
Auch ohne neue Uhr wird es für Sie nun Zeit für die Weltmeisterschaft in Budapest. Am 18. Juni soll es losgehen. Neben den Beckenstarts über 800 und 1500 Meter Freistil werden Sie auch im Freiwasser über zwei Distanzen dabei sein. Warum starten Sie neben den zehn Kilometern nach langer Zeit erstmals auch wieder über die Fünf-Kilometer-Strecke?
Es passt einfach in mein Pensum. Lange Strecken funktionieren bei mir immer noch sehr, sehr gut. Da bin ich von 800 Meter bis zehn Kilometer richtig gut aufgestellt.
Gab es bei der Entscheidung für die Fünf-Kilometer-Distanz vielleicht auch finanzielle Anreize?
Wenn man bei einer Weltmeisterschaft die Möglichkeit hat, das wahrzunehmen und dort vielleicht eine Medaille zu gewinnen, dann macht man das auch. Natürlich hat das auch einen finanziellen Hintergrund. Die Gelder, die damit verbunden sind, sollte man nicht außer Acht lassen.
Sie haben 2019 in Südkorea Historisches geleistet und sind Weltmeister über 1500 Meter Freistil und zehn Kilometer Freiwasser geworden. Druck, Vorfreude, Verpflichtung: Wie gehen Sie nun an die kommende WM heran?
Die Mission Titelverteidigung ist eine Herausforderung. Das wird keine einfache Aufgabe, aber dafür fahre ich dahin. Ich bin sehr gut vorbereitet und möchte alles dafür geben, dass die beiden Titel in meiner Hand bleiben.
Der Deutsche Schwimmverband reist mit einem vergleichsweise kleinen Aufgebot von nur elf Aktiven nach Budapest. Unter anderen fehlt Ihre Frau Sarah, die sich eine Auszeit genommen hat, um mit ihrem Jurastudium voranzukommen. Hat das Studium jetzt auch Auswirkungen auf ihren gemeinsamen Tagesablauf?
Nur in Teilen. Morgens machen wir immer noch unser Training, da haben wir noch unseren gemeinsamen Ablauf. Das Nachmittagstraining lässt sie weg, Sarah ist dann in Leipzig an der Uni oder lernt zu Hause.
Gibt es dadurch im Hause Wellbrock auch mal andere, neue Themen abseits des Schwimmsports?
Schwimmen ist nach wie vor unser Mittelpunkt und immer ein Thema. Aber es gibt jetzt auch mal ein paar Geschichten von der Uni und von neuen Bekannten. Sarah bringt neuen Input: Wir sprechen viel über das Examen und darüber, wie es danach weitergeht mit Repetitorium und Referendariat.
Und wie soll es konkret weitergehen?
Der Plan war, das nacholympische Jahr für die Uni zu nutzen. Ende August ist sie mit dem ersten Staatsexamen durch und steigt dann wieder ins Training ein.
Bis dahin haben Sie mit der WM in Budapest und der EM in Rom Mitte August zwei internationale Meisterschaften absolviert und womöglich weitere Medaillen gesammelt. Wie realistisch ist denn für Sie eine doppelte Titelverteidigung bei der WM?
Das wird sehr spannend und herausfordernd werden. Über die zehn Kilometer ebenso wie über die Fünfzehnhundert, weil da mittlerweile sehr viele sind, die 14:40 Minuten und schneller schwimmen können.
Es gibt inzwischen sogar Konkurrenz aus den eigenen Reihen: Ihr Magdeburger Klubkamerad Lukas Märtens hat aktuell die Weltjahresbestzeit über 1500 Meter inne. Und er hat Ihnen im April in Stockholm über 800 Meter den deutschen Rekord geklaut. Wie gehen Sie damit um? Flachst man darüber oder leidet das Verhältnis unter dieser Rivalität?
Wir kommen sehr gut miteinander klar. Natürlich finde ich es nicht cool, wenn ich irgendwelche Rekorde verliere. Aber Rekorde sind auch dazu da, gebrochen zu werden – ganz klar. Ich habe es sportlich genommen und ihm gratuliert. Ich sehe ja, was er jeden Tag dafür tut, deswegen ist es mehr als verdient. Wir können beide an dieser Situation nur wachsen. Ich denke, dass der deutsche 800-Meter-Rekord in Budapest noch mal verbessert werden könnte.
Wächst da in Lukas Märtens auch ein ernsthafter Rivale für die 1500 Meter heran?
Ja. Man muss ihn auf dem Zettel haben, denn er hat in diesem Jahr schon eine 14:40 angeboten. Wie viel schneller er noch schwimmen kann, muss man abwarten. Er hat ja auch noch Starts über 200 und 400 Meter vor der Brust. Aber es wird auf jeden Fall eine spannende Kiste.
Sie haben die Situation Ihrer Trainingsgruppe in Magdeburg angesprochen. Mit dem aus der Ukraine geflüchteten Michailo Romantschuk ist noch ein weiterer Topschwimmer über die lange Strecke dazugekommen – es heißt, Sie selbst haben ihn aus Kiew in die Elbehalle gelotst.
Ja, er ist seit März Teil unserer Trainingsgruppe und wird das auch bis in den August hinein bleiben. Wie es danach weitergeht, wissen wir noch nicht genau. Wir sind also jetzt zu dritt und ziehen unsere Bahnen. Und wir haben ordentlich Spaß miteinander.
Sie haben trotz der Rivalität also ein so gutes Verhältnis zueinander, dass Sie den Kontakt zu Romantschuk hergestellt haben?
Wir hatten uns über die Wettkämpfe und über Social Media vorab kennenlernen können. Wir waren da immer schon sportlich unterwegs und haben uns gut verstanden. Deshalb habe ich ihm nach Ausbruch des Krieges auch angeboten, in unsere Trainingsgruppe zu kommen.
Der Impuls ging also tatsächlich von Ihnen aus?
Ja, ich habe ihm das angeboten und anschließend mit dem Trainerteam gesprochen. So ist das Ganze zustandegekommen. Und jetzt zeige ich ihm in Magdeburg relativ viel, damit er sich auch in der Stadt zurechtfindet. Den Friseur, den Supermarkt. Das schweißt jetzt auch ein bisschen zusammen.
Bei aller Freundschaft kann man aber davon ausgehen, dass Sie das gemeinsame Training sportlich pusht?
Ja, auf jeden Fall. Im Trio zusammen mit Lukas arbeiten wir alle auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Es wird wirklich schnell bei uns im Training. Davon profitieren wir alle, keine Frage.
Profitieren ist ein gutes Stichwort: 2021 war für Sie ein Jahr der Superlative. Haben sich die sportlichen Erfolge für sie auch wirtschaftlich bemerkbar gemacht? Gibt es beispielsweise neue Sponsorenverträge?
Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation vieler Unternehmen. Ich konnte im letzten Jahr trotzdem gute Verträge mit Visa und auch mit meinem Ausrüster Arena abschließen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Das Gespräch führte Frank Büter.