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Nervige Nachrichten kommen aus fernen Ländern Dubiose Sportwetten auf die Bremen-Liga

In Asien und in arabischen Ländern wird zunehmend auf Spiele der Bremen-Liga gewettet. Das sorgt bei den Amateurvereinen an der Weser für Ärger und Probleme. Sie müssen sich mit aggressiven Fragen beschäftigen.
14.10.2021, 16:34 Uhr
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Dubiose Sportwetten auf die Bremen-Liga
Von Jean-Julien Beer

Ein kurzes Wort und viele Fragezeichen: „Score???????“ Als sich auf den sozialen Kanälen des Bremer Sport-Clubs Hastedt (BSC) in dieser Woche solch merkwürdige Kommentare häuften, ahnte Thilo Huntemüller schnell, was passiert war. Er betreut die sozialen Medien des Vereins. Die vielen Nachfragen bei Facebook, Instagram und Twitter kamen aus Asien und mehreren arabischen Ländern und bezogen sich auf das Spiel der Hastedter am vergangenen Wochenende in der Bremen-Liga. Eigentlich hätte die Mannschaft  am Sonntag bei der Leher TS antreten sollen, doch weil zu viele Spieler ausfielen, musste Hastedt die Partie kurzfristig absagen. Was für die Mannschaft von Trainer Gökhan Deli schon ärgerlich genug war, sorgte in den fernen Ländern offenbar für Schnappatmung: Dort hatten Sportwetter Geld auf dieses Spiel in der Bremer Oberliga gesetzt und suchten nun im Internet ratlos nach dem Ergebnis, also dem "Score".

Der BSC Hastedt reagierte mit einer launigen Antwort auf Englisch mit der Überschrift: „Eine Nachricht aus Hastedt an die wettende Welt.“ Den Jungs in Asien und in den arabischen Ländern müsse wohl „ziemlich langweilig sein“, heißt es in dem Text. Und man wisse leider nicht, ob es einen Zusammenhang gebe, dass irgendjemand dort drüben „dumm genug ist, sein Geld in solche Fußballwetten zu stecken und dann keinen Onlineübersetzer nutzen kann“, jedenfalls wolle man der Flut der Nachfragen nun mit einer Antwort „an all diese armen Seelen“ nachkommen: Es gebe kein Ergebnis, das Spiel sei abgesagt worden. Süffisant fügten die Bremer noch hinzu, dass man nicht wisse, was dieser Fakt für die platzierten Wetten bedeute, „aber wenn ihr zu viel Geld haben solltet, dann gebt es doch lieber uns“.

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Diese bewusst zugespitzte Botschaft sorgte in der heimischen Fußballgemeinde für viel Applaus, denn was dem BSC da gerade passiert war, kennen auch andere Vereine aus der Bremen-Liga. Neuerdings wird verstärkt auf ihre Spiele gewettet, und meistens passiert das tatsächlich in Asien oder der arabischen Welt. Dass Vereine wie der BSC Hastedt nicht genug Strahlkraft haben, um eine Fangemeinde auf anderen Kontinenten zu haben, davon geht auch Thilo Huntemüller einfach mal aus. „Und Auswanderer können es ja auch nicht sein, sonst hätte Bremen sehr viele Einwohner verloren.“ Ob seine süffisante Botschaft im Internet die Richtigen erreicht, bezweifelt er. „Wir haben nicht den Eindruck, dass sie wirklich etwas von uns lesen oder übersetzen“, sagt er, „aber es ist doch völlig verrückt, dass da irgendwelche Leute in Singapur sitzen und ihr Geld auf Spiele in der fünften Liga in Bremen setzen, also völlig ins Blaue wetten.“ Auch Katar und Saudi-Arabien hat er schon als Absenderländer identifizieren können.

Beim Hastedter Verein wussten sie lange Zeit gar nicht, dass solche Wetten überhaupt möglich sind. Doch dann häuften sich direkt nach Abpfiff der Bremen-Liga-Spiele die Nachfragen im Netz, wie das Endergebnis denn nun laute. „Oft in gebrochenem Englisch, manchmal auch im Tonfall ziemlich aggressiv“, berichtet Huntemüller, „man kommt gar nicht hinterher, das zu lesen oder zu beantworten.“

Sein Kollege Mirko Vopalensky, der für den Blumenthaler SV die sozialen Medien betreut, kann das nur bestätigen: „Auch wir bekommen nach unseren Spielen ständig diese Nachfragen, fremde Leute wollen dann unbedingt den Endstand wissen und werden richtig sauer, wenn sie nicht schnell eine Antwort bekommen oder ihnen das Ergebnis nicht passt.“ Nach dem Neustart der Bremen-Liga im zweiten Jahr der Pandemie sei dieses Phänomen verstärkt aufgekommen, berichtet Vopalensky, möglicherweise seien den Sportwettern andere Ligen in der Corona-Krise abhandengekommen. Gesucht werde von der anderen Seite der Welt aus offenbar primär nach Spielen, die mit einem Liveticker verbunden sind.

Anfangs habe man noch auf die vielen Nachfragen geantwortet, sagt Vopalensky. Damit hörten die Blumenthaler auf, als sich die Beleidigungen häuften und sie aus fernen Ländern beschimpft wurden, wie man denn nur so schlecht sein könne, gegen Vegesack oder Bremerhaven zu verlieren. Die Wortwahl ist mit krass noch milde umschrieben. In Nachrichten, die dem WESER-KURIER vorliegen, werden die Blumenthaler wegen einer Niederlage – auf Englisch – als Bastarde und Müll bezeichnet, man müsse sie eigentlich töten, sie hätten den Absender bei einer Wette arm gemacht. Die Spieler sollten sich "auf ihren Tod vorbereiten" und zur Hölle gehen. Vermehrt wurden auch schädliche Links in die Kommentare eingebunden. Der Hauptgrund, auf all diese Nachrichten nicht mehr reagieren zu wollen, sei aber, „dass wir dieses Wetten auf unsere Spiele gar nicht unterstützen wollen“, erklärt Vopalensky.

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Wie der Blumenthaler SV finden es auch Huntemüller und der BSC Hastedt „sehr ärgerlich, dass es solche Wetten auf unsere Spiele überhaupt gibt“. Beim BSC würden sie es begrüßen, „wenn man im Amateurfußball überhaupt nicht auf Spiele setzen könnte“. Das würde auch die Gefahr stoppen, dass der ein oder andere Akteur für Manipulationen angeworben werden könnte.

Im Fall des ausgefallenen Spiels, das wohl mit 0:5 gegen Hastedt gewertet wird, wäre es übrigens nicht ratsam gewesen, viel Geld auf den BSC zu setzen. Der junge Verein hat nun schon seit zehn Spielen nicht mehr gewonnen, das ist die längste Durststrecke der Vereinsgeschichte. Die Quoten für einen Sieg des BSC bei der Leher TS lagen bei 5,6:1 bis 6,75:1. Eine Niederlage wäre erwartbar gewesen, hier lag die Quote bei etwa 1,3:1. „Dass sich damit ernsthaft jemand in Singapur beschäftigt, kann nicht gut sein“, meint Huntemüller, „das macht unseren Amateurfußball kaputt.“ Ihn würde es deshalb freuen, wenn sich auch der Deutsche Fußball-Bund verstärkt gegen diese Auswüchse einsetzen würde, statt selbst Partnerschaften mit Wettanbietern einzugehen.

Zur Sache

Sportwetten sind ein Milliardengeschäft

Weltweit bieten zahlreiche Wettfirmen eine große Anzahl von Sportwetten an und erreichen damit einen Jahresumsatz zwischen 700 Milliarden und einer Billion US-Dollar. Auf dem deutschen Sportwettenmarkt lag der Gesamtumsatz im Jahr 2020 bei rund 7,8 Milliarden Euro.

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