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Huchtinger Turnerin Schwerer Schritt: Olympia-Hoffnung Schönmaier will weg aus Bremen

Die Huchtinger Turnerin Karina Schönmaier ist Bremens größte Olympia-Hoffnung. Damit die in Erfüllung geht, will sie Bremen verlassen. Trotz ihrer engen Bindung an ihre Trainerin und die vertraute Umgebung.
09.10.2022, 08:02 Uhr
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Schwerer Schritt: Olympia-Hoffnung Schönmaier will weg aus Bremen
Von Olaf Dorow

Es werde eine "Big Challenge" werden, eine große Herausforderung. So wurde Turn-Bundestrainer Gerben Wiersma zitiert, als es um die Aufstellung der Damen-Riege für die WM ging, die in drei Wochen in Liverpool ausgetragen wird. Etliche deutsche Spitzenturnerinnen sind angeschlagen; eine, Sandra Voss, hat für Liverpool schon abgesagt, wegen eines Muskelbündelrisses in der Wade. Vom EM-Bronze-Team war am vergangenen Wochenende, bei der ersten von zwei WM-Qualifikationen, nur Pauline Schäfer dabei. Zu den "paar guten Dingen", sagte Wiersma, habe aber der Auftritt von Karina Schönmaier gehört. Von Bremens Sportlerin des Jahres, oder, um das zu steigern: Bremens größter Olympia-Hoffnung. Sie hat klar gewonnen.

Im Sommer gerade mal 17 geworden, ist Karina Schönmaier auf dem Sprung zum nächsten großen Ding, zum Start bei einer WM. Und steht ihrerseits vor, nun ja: einer "Big Challenge". Das "Big" daran ist gar nicht mal die Frage, ob sie auch bei der zweiten WM-Quali kommende Woche in Rüsselsheim überzeugen und sich tatsächlich qualifizieren kann. Sondern jene Frage, die sie seit Wochen umtreibt. Die "jeden Tag in meinem Kopf" herumgeistert, wie sie selbst zugibt: Soll sie Bremen, soll sie ihren TuS Huchting, soll sie ihre langjährige Trainerin Katharina Kort verlassen und zum Bundesstützpunkt nach Chemnitz wechseln? Die olle Halle in Huchting, mit Schimmel an den Wänden und Technik fürs Antiquariat, sei ja doch wie ein zweites Zuhause, hat sie neulich gesagt. Ein Satz des Herzens war das sozusagen. Und Trainerin Kort sei wie eine zweite Mama. Im Versuch, nicht das Herz, sondern den Verstand sprechen zu lassen, sagt sie jetzt: "Ich habe das Gefühl, dass ich in Bremen nicht weiterkomme. Deswegen muss ich weiter."

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Im September hat sie ein dreiwöchiges Probetraining in Chemnitz absolviert. Ihre Mutter hat das vereinbart. Ihre Mutter stammt aus Russland, der Chemnitzer Trainer, Anatol Ashurkov, kommt aus Weißrussland. Sie habe es ganz gut dort in Chemnitz gefunden, sagt Karina Schönmaier. "Für meine Zukunft wäre das schon besser", sagt sie. Solche Sätze hat sie lange nicht gesagt. Es war eher so, dass dieses Schönmaier-Projekt in Huchting ein bisschen war wie Asterix und die Römer. Mit viel Einsatz, Leidenschaft und Kreativität wuchs in der ollen Huchtinger Halle ein XXL-Talent auf, das es bis in die deutsche Nationalmannschaft schaffte. Ohne Spitzenförderung, ohne Stützpunkt-Bedingungen. Ohne die allgemeine Stimmungslage im nationalen Verband DTB, in dem man solch ein Talent sehr, sehr gerne an einem zentralen Stützpunkt sehen würde.

Der Bremer Weg ist aber jetzt irgendwie doch in einer Sackgasse angekommen. Der Chemnitz-Vorstoß der Athletinnen-Mutter hat, sagen wir mal vorsichtig: offenbar auch das Beziehungsgeflecht zwischen Trainerin, Athletin und deren Mutter an einen Wendepunkt gebracht. "Ich werde auf jeden Fall der größte Fan von Karina bleiben", sagt Katharina Kort. Stolz auf das, was man in dem Asterix-Modus in Huchting erreicht habe, sei sie ja sowieso. Das habe sie ja quasi für immer. Aber eine weitere Zusammenarbeit könne fortan nicht mehr so sein wie vorher. Das Vorher, sagt sie, habe so ausgesehen, dass sie für das Einzeltraining mit Karina Schönmaier kein Geld verlangt hat. Das würde sie nun nicht mehr so machen wollen, sollte es doch in Bremen weitergehen. Durch die mit ihr nicht abgesprochene Hinwendung nach Sachsen sei ein tiefer Vertrauensriss entstanden, der sich nicht mehr kitten lasse. Die Enttäuschung sei "sehr groß". "Bezahlte Trainerstunden", sagt die Athletin stellvertretend für ihre Mutter, "könnten wir uns nicht leisten."

Es ist schwierig, weil sich die nüchterne Leistung nicht von der Emotionalität des Leistung-Erschaffens trennen lässt. Aber zumindest hat sich unter der Woche, in einem laut Katharina Kort zweieinhalb Stunden langen abendlichen Gespräch, ein Kompromiss gefunden. Ein Mini-Happy-End, wenn man so will. Die Sportbetonte Schule an der Ronzelenstraße habe ihre Unterstützung zugesagt. Die unterrichtliche Versorgung und damit die Trainingseinheiten der Turnerin seien gewährleistet, bestätigt Harald Wolf. "Wir machen von uns aus alles, dass Karina gute Bedingungen hat", sagt der Leistungssportkoordinator der Schule. 

Viele Trainingseinheiten dürften es nicht sein. Am Dienstag fährt Karina Schönmaier, in Vorbereitung auf die zweite WM-Qualifikation, für vier Tage zum Trainingslager des Bundeskaders nach Frankfurt/Main. Für vier weitere Tage ist Training in Chemnitz geplant, ehe es erneut nach Frankfurt geht, von dort fliegt das WM-Aufgebot des Deutschen Turner-Bunds direkt nach Liverpool.

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Nach der WM, sagt Karina Schönmaier, würde sie gern nach Chemnitz wechseln wollen, dort – weil das verpflichtend wäre – noch ein Jahr lang auf eine berufsbildende Schule gehen, um sich ab Sommer 2023 voll und ganz auf das ganz große Ding vorzubereiten: Olympia 2024 in Paris. Das wäre ihr Traum, ihr größter Wunsch. Bis zur WM 2023 wäre es ihr größter Wunsch, dass sie in Bremen von Katharina Kort betreut wird, sozusagen von Mama II. Bundestrainer Gerben Wiersma habe ihr gesagt: Schau, dass du dich zur WM so vorbereitest, wie es für dich am besten ist. Hört sich ganz einfach an. Ist aber nicht so einfach. 

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