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Turnerin Karina Schönmaier Nächster Stopp: Nationalmannschaft

Der Olympiatraum ist wieder etwas realistischer geworden: Karina Schönmaier turnt beim DTB-Pokal in Stuttgart für Deutschland. Und trainiert dafür in einer Halle, die so gar nicht nach Olympia aussieht.
15.03.2022, 14:51 Uhr
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Nächster Stopp: Nationalmannschaft
Von Olaf Dorow

Sie springt jetzt auch den Yurchenko. Mit ganzer Schraube, gestreckt. In der Leistungspyramide des Sports gibt es nicht mehr viele Turnerinnen, die sich an einen solchen Schwierigkeitsgrad heranwagen. Karina Schönmaier aus Huchting springt das jetzt aber, sie hat den Yurchenko jetzt drauf. Sie ist gerade mal 16, und wenn das so weitergeht mit ihr, dann wird sie mit 18 ein Millionenpublikum haben. Wenn sie 18 ist, ist in Paris Olympia. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie dort für Deutschland turnen wird. "Ja", sagt sie, "der Olympia-Traum ist wieder ein bisschen realistischer geworden." Das große Ziel Paris sei wieder etwas weniger weit weg.

An diesem Wochenende turnt sie schon mal für Deutschland. Sie ist berufen worden in die Nationalmannschaft, die in der Stuttgarter Porsche-Arena beim großen DTB-Pokal gegen Australien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Schweiz, Spanien und die USA antritt. Neben dem Team-Wettbewerb am Sonnabend soll es am Sonntag bei diesem Treffen der Turnelite erstmals auch Gerätefinals geben. Karina Schönmaier und ihre Trainerin Katharina Kort setzen auf den Sprung-Wettkampf, da könnte es mit einem Finalplatz klappen. Mit dem Yurchenko und im anderen Durchgang mit einem Überschlag-Salto vorwärts mit halber Drehung.

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Am Gerät Sprung hatte das Talent aus Bremen im vergangenen Jahr für ein erstes großes Wow in der Szene außerhalb Bremens gesorgt. Deutlich jünger als ein Großteil der nationalen Konkurrenz, holte sie bei den Deutschen Meisterschaften Bronze. In DTB-Kreisen habe man, so erzählte es damals Katharina Kort, kurzzeitig sogar überlegt, Karina Schönmaier als Ersatz bei Verletzungen mit ins vorläufige Aufgebot für Olympia in Tokio zu nehmen. Quasi für einen Schnupperkurs. Als eine Art Turn-Asterix hatte sich das Mädchen aus Bremen bei den Titelkämpfen in Dortmund am Sprung gegen Frauen oder Mädchen durchgesetzt, deren sportliche Heimat große Leistungszentren oder Stützpunkte sind. Schönmaiers turnerisches Zuhause ist eine schwer in die Jahre gekommene Huchtinger Halle. Wer das Gegenteil von High-Tech sucht, könnte hier fündig werden. An der langen Wand mit den Glasbausteinen müssen unten dicke Matten hingelegt werden. Sonst sieht man zu viel vom Schimmel.

Unzählige Stunden haben Trainerin und Turnerin hier schon verbracht. Neudeutsch könnte man sagen: Es ist ihre Homebase, von der aus sie den Weg bis hinauf in die Spitze ihres Sports gehen wollen. "Gefühlt war ich mehr hier in der Halle als zu Hause", sagt Karina Schönmaier. Seit Jahren schon trainiert sie fast täglich hier. Pause vom Üben in der kleinen Halle an der Amersfoorter Straße macht sie eigentlich nur, wenn sie zweimal wöchentlich in Buchholz bei Hamburg trainiert. Mit Zweitstartrecht ist sie dort – wie auch Lisa Unger vom TuS Huchting – mittlerweile Mitglied des Bundesliga-Teams. Oder sie ist nicht in der Heim-Halle, wenn sie zum Lehrgang des Verbandes nach Frankfurt fährt.

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Ende Februar hatte sie dort eine solch bestechende Vorstellung abgeliefert, dass sie als Tagesbeste eines internen Wettkampfes fest für den DTB-Pokal nominiert wurde.  Auch Ulla Koch, die ehemalige DTB-Cheftrainerin, soll sich begeistert gezeigt und das Bremer Duo beglückwünscht haben. Auf Kort und Schönmaier hatte das eine Ritterschlag-Wirkung. Den Stolz kann man nicht übersehen und -hören, wenn man sich mit ihnen über die Beförderung in den Kader von Stuttgart unterhält. "Bei diesem Test-Wettkampf in Frankfurt, da hat Karina richtig auf den Topf gehauen", sagt Katharina Kort. Karina Schönmaier sagt, sie würde am liebsten das Nationalmannschaftstrikot, das sie bekommen hat, nie mehr ausziehen, nicht mal zum Schlafen.

Es könnte sein, dass das zur Normalität wird: das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen. Karina Schönmaier steht kurz davor, in den Bundeskader aufgenommen zu werden. Das wäre gleichbedeutend mit mehr Förderung – und mit mehr Stress. Momentan ist der Alltag der Schülerin an der Sportbetonten Schule Ronzelenstraße  schon gut vollgepackt mit dem Pendel-Dreieck Huchting - Horn - Hamburg. Steigt sie in den Kreis der DTB-Elite auf, wird praktisch ein Viereck daraus. Dann geht es alle zwei, drei Wochen auch noch verpflichtend zum Lehrgang nach Frankfurt, nicht nur auf Einladung wie derzeit. Die Lehrgänge haben es durchaus in sich. Beim letzten, erzählt Karina Schönmaier, habe Anfang März vorm Üben an den Geräten "Kraft, Kraft, noch mal Kraft" auf dem Trainingsplan gestanden.  

Doch ein kompletter Wechsel beziehungsweise Umzug kommt für sie nicht in Frage, zumindest noch nicht. Sie will erst mal den Realschul-Abschluss machen an der Ronzelenstraße, und danach, auch dort, ein Fachabitur. Sie brauche diese familiäre Atmosphäre in ihrer Homebase, das haben Trainerin wie Athletin immer wieder betont in der Vergangenheit. "Ist schon cool, oder?", fragt Katharina Kort, als sie mit dem Reporter ihre Blicke durch die wenig luxuriöse Huchtinger Halle schweifen lässt, "dass sich hier so etwas entwickeln kann." "Ja, ja", sagt Karina Schönmaier. Sie weiß natürlich nur zu gut, dass anderswo die Bedingungen deutlich komfortabler sind. "Aber hier", sagt sie, "hier ist das Zuhause".

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