Das Kommando kommt knapp, ist aber von bemerkenswerter Deutlichkeit. „Lass’ rollen“, schreit Judith, nachdem sie bereits den Medizinball über das Hindernis geworfen hat. Also lässt Rainer das schwere Gerät einfach rollen, während Judith nun selbst die Barriere überwindet und den Medizinball wenig später wieder an sich nimmt, um damit zu laufen. Es passierten merkwürdige Dinge an diesem Sonnabend im Horner Gewerbegebiet. Was ist da eigentlich los?
Nun, der Nordlicht Summer Cup findet wieder statt. Es geht um Crossfit. Das ist eine Art Zirkeltraining, das schon unter normalen Umständen – also beim Training - eine ganze Menge von seinen Aktiven verlangt. Heute gelten noch einmal verschärfte Bedingungen. Es herrscht Wettkampfatmosphäre, und das Wetter ist, wie es immer ist beim Summer Cup: Wer bereits im Winter wissen möchte, wann es mal wieder richtig heiß wird in Bremen, muss nur nachsehen, wann dieses Event ausgetragen wird. Dann steigt das Thermometer nämlich immer auf 30 Grad, mindestens.
Beeindruckte Zuschauer
Heraus kommt ein beeindruckendes Spektakel, das für staunende Blicke sorgt. Etwa bei den Eheleuten Bischoff. „Das ist bestimmt gesund“, sagt Henry Bischoff, und dann grinst er. Er hält einen Regenschirm als Sonnenschutz. Bei dieser Hitze lässt sich das als Zuschauer sonst ja gar nicht aushalten. Der Sohn der beiden Bremer ist einer von 104 aktiven Sportlern und Sportlerinnen, die jeweils in Zweierteams um die Plätze kämpfen. „Er macht das schon einige Jahre, und wir haben ihn immer gefragt, warum er keinen Mannschaftssport betreibt“, erzählt Henry Bischoff. Er war jahrelang im Präsidium des Bremer Fußball-Verbandes und stand in 2023 sogar an dessen Spitze. Wer aus dieser Szene kommt, kann nicht so viel anfangen mit einem Sport, der auf dem ersten Blick auf individuelle Kraftmeierei schließen lässt.
Angesichts der Teams in diesem Wettbewerb findet Bischoff allerdings „Das ist auch ein Mannschaftssport.“ Ohne gemeinsame Aktionen geht es beim Summer Cup eben nicht. Es gibt allerdings ganz verschiedene Duos in insgesamt sechs Klassen. Eingeteilt wird in „Scaled“, was frei übersetzt als einigermaßen normal gelten kann, und die „RX“, gewissermaßen Fortgeschrittene, die im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal etwas drauf packen. Und dann sind da eben Männer-, Frauen- und Mixed-Teams.
Der Tag startet mit Gewichtheben
Am frühen Morgen ging es bereits los. Da mussten Gewichte gestemmt werden, in allen Variationen und eben immer auch gemeinschaftlich. Dann kam der Parcours. Während ein Teil des Teams auf dem Nordlicht-Gelände an verschiedenen Cardio-Geräten eine bestimmte Kalorienanzahl sammeln musste, begab sich der andere auf die Strecke. Rund 600 Meter ging es durch die Haferwende, begleitet von vier 1,50 Meter hohen Hindernissen und irgendwann auch durch zusätzliches Gewicht. „Jeder startet auf seinem Niveau, und trotzdem unterstützen wir uns“, sagt Marie. Sie ist erst seit dem vergangenen März dabei und tritt heute erst mal als Streckenposten an. Und als Auskunft. „Darf ich den Ball auch treten“, fragt eine Teilnehmerin. Sie ist es satt, diesen Medizinball durchs Gewerbegebiet zu schleppen, auch noch auf Zeit. Natürlich darf sie ihn treten, Henry Bischoff würde es gefallen. Nach einigen Versuchen merkt die Athletin jedoch, dass sie das sechs Kilo schwere Gerät besser wieder trägt.
„Ich bin jetzt schon bei zwei Einheiten in der Woche“, berichtet Marie derweil stolz von einer guten Entwicklung. Sie war schließlich „viele Jahre aus dem Sport raus“, und da muss man sich erst einmal an diese Leistungen gewöhnen. Selbst im kommenden Jahr peilt sie deshalb keine Teilnahme am Summer Cup an. Danach muss man sehen. Für Rainer, der wie Marie auch als Streckenposten dabei ist, käme eine Teilnahme ebenfalls nicht infrage. Er könnte zwar, ist aber dem HYROX verfallen, einer andere Variante der funktionalen Fitness. „Da weiß ich, was auf mich zukommt, sagt der 61-Jährige, der kürzlich erst an einem Wettbewerb in Berlin teilgenommen hat.
Warum machen die das?
Ein ganz wesentliches Merkmal des heutigen Events besteht ja in der Geheimhaltung: Die Teams erfahren immer erst kurz vor Beginn der insgesamt drei Durchgänge, was genau zu tun ist. Während sich die eine Hälfte der 52 Duos noch über die Strecke quält, ist ihnen also nicht klar, wie die dritte Disziplin, die sogenannte „Gymnastics“, am Ende aussehen wird. Dabei schwebt aber zu jedem Zeitpunkt dieses Wettbewerbs eine Frage über dem Summer Cup. Warum machen die das? „Es ist der Spaß an der Qual“, sagt Rainer. Er muss es wissen, geht er doch selbst regelmäßig an seine Grenzen und nicht selten auch darüber hinaus. Wie Judith, die mit Medizinball tatsächlich schneller ist als all die ziemlich gut trainierten Männer in der Verfolgung.
Sie macht nach der zweiten Runde über insgesamt 1200 Meter und acht Hindernisse aber Schluss mit dem Laufen und übergibt an ihren Partner Volker. Er muss jetzt nur noch eine Runde rennen, allerdings ausgestattet mit einem 30 Kilo schweren Sandsack. So geht das in der RX-Klasse. Vielleicht fragt man Judith einfach mal, warum sie dabei ist. „Weil es Spaß macht.“