Den Morgen danach verbrachte Mohammed Harkous genau so, wie er es am liebsten mag: mit Ausschlafen. Verständlich, denn erstens war der Abend zuvor dann doch etwas länger als geplant gewesen. Und zweitens muss man das erst mal verarbeiten. Allein dieses Wort: Weltmeister. Ja, Bremen hat wieder mal einen Weltmeister, denn dieser Harkous, in der Welt des E-Sports nur „MoAuba“ genannt, ist der erste Deutsche, der bei der WM im E-Football den Titel gewann. Ein Umstand, den der 22-Jährige lange selbst nicht begreifen konnte. „Ich hoffe, dass ich nicht immer noch träume“, sagte er in einem seiner ersten Interviews, „aber was heute passiert ist, ist einfach zu krank.“
Aber auch am Montag war Harkous noch immer Weltmeister. Mit allen Ehren, aber auch vielen Pflichten. In London musste er gleich am Mittag zu Sony, neue Videos für die Playstation einspielen, die Fifa nahm ihn in Beschlag. Und auch in der deutschen Heimat war er ein gefragter Mann. „Das ist auch für Werder ein riesiger Erfolg“, erzählte Dominik Kupilas, beim Klub verantwortlich für den E-Sport-Bereich. Die Interview-Anfragen für den neuen Weltmeister nahmen kein Ende, Harkous ist jetzt ein gefragter Mann.
Werder hatte sich erst 2018 entschieden, auch auf E-Sport zu setzen. Ein Entschluss, der sich schon heute auszahlt. „Diese Saison kann man nicht toppen“, sagt Kupilas und scherzt: „Eigentlich müssten wir den Laden jetzt dichtmachen, mehr geht ja kaum.“ Stimmt wohl, denn Werder wurde mit Harkous und Michael „MegaBit“ Bittner deutscher Meister, Bittner holte sich auch noch den Einzeltitel. Und jetzt noch Weltmeister, in der virtuellen Welt des Fußballs ist Werder eine überragende Marke. Das Finale von Harkous schauten weltweit mehrere Millionen Fans.
Mohammed Harkous, in der Szene „Happy Face“ genannt, weil er ewig gut gelaunt ist, war beim Finale in London nicht unbedingt als Favorit an den Start gegangen. In der Weltrangliste der Playstation 4 rangierte er zwar auf Rang fünf, „aber nur Leute, die keine Ahnung vom E-Football haben, haben mich gefragt, ob ich Weltmeister werde“, meinte „MoAuba“. Ein Spitzname übrigens, der angelehnt ist an den früheren Dortmunder Fußballer Pierre-Emerick Aubameyang, weil Harkous auf dem Platz ähnlich schnell unterwegs war. Heute ist er nur noch auf der Playstation und Xbox fix, das regelmäßige Kicken in Bochum hat er längst aufgegeben.
In London gewann er das Halbfinale („Das krasseste Spiel meines Lebens“) im Elfmeterschießen gegen den Weltranglistenersten aus Argentinien, im Finale war Harkous dann wieder besser im Duell mit dem Titelverteidiger Mosaad Aldossary. In einem konsolenübergreifenden Endspiel stand es auf der Xbox 1:1, das Rückspiel auf der Playstation 4 gewann der Bremer 2:1 – Minuten später hatte er schon die Hand am Pott. Und war um 250.000 Dollar Preisgeld (etwa 225 000 Euro) und ein neues Auto reicher.
"Das Geld ist schon verplant"
Geplant war das alles nicht. „Ich bin eher so einer, der etwas Geld abholen will, seiner Mutter davon neue Schuhe kauft und dann weiter chillt.“ Jetzt musste er etwas mehr Geld abholen und scherzte gleich: „Das Geld ist schon verplant, meine Mutter und meine Schwestern haben schon alle Online-Shops leer gekauft. Für mich wird da wohl nichts übrig bleiben.“
Ganz so wird es nicht sein, der Bremer hat in dieser Saison schon einiges an Turnier-Geldern eingespielt. Über die Höhe des Werder-Gehalts wird selbstverständlich nicht öffentlich gesprochen, aber auch E-Footballer haben Verträge wie die Profi-Kicker. Nicht einmal die Laufzeit der Kontrakte wird öffentlich gemacht. Aber im Gespräch mit dem WESER-KURIER verriet Harkous schon vor einigen Wochen, „dass man natürlich auch abgeworben“ werden könne. Denkbar also, dass auch ein „MoAuba“ plötzlich Spekulationsobjekt in der europäischen E-Football-Szene wird. Denn die ist immer noch dabei, sich weiter zu professionalisieren. Dazu passt, dass die Fifa bei der WM in diesem Jahr ein Rekordgesamtpreisgeld von 500.000 Dollar ausgeschüttet hat – Tendenz steigend.
Dass E-Football bislang eher die jüngere Generation verzückt, liegt auf der Hand. Wer noch nie auf einer Konsole gezockt hat, wird mit diesem Sport wenig bis gar nichts anfangen können. Das hat „MoAuba“ sogar in seiner eigenen Familie erlebt. Seiner Oma habe das nicht so verstanden, mit E-Football und so. Da hat er einfach erzählt, dass er Fußballer ist, das sei einfacher. Wenn der Enkel jetzt mit dem WM-Pokal aufkreuzt, wird sie ganz sicher strahlen: Siehste, ist doch noch was aus dem Jungen geworden.