Jan Seekamp ist vor allem Segler, kennt sich aber natürlich auch im Fußball aus. Und so wählte der Kapitän des Wassersportvereins Hemelingen (WVH) einen griffigen, einleuchtenden Vergleich: „Das ist ungefähr so, als wenn Mainz oder Augsburg die Fußball-Bundesliga anführen würden“, sagte er. Nun handelt es sich in diesem Fall zwar um die Segel-Bundesliga, doch der Vergleich passt. Denn die Elite-Liga der deutschen Segler wird seit Neuestem vom WV Hemelingen angeführt – einem Team reinster Amateure, das damit vor den mit etlichen Berufsseglern besetzten Mannschaften aus Hamburg, Bayern oder Berlin rangiert.
Und damit noch nicht genug. Denn es war nicht nur der WVH, der beim zweiten Bundesliga-Wochenende mit dem Gesamtsieg auf dem Starnberger See vor Tutzing die Fachwelt verblüffte. Auf Rang drei unter 18 Mannschaften landete auch noch das zweite Boot von der Weser, die Segelkameradschaft Wappen von Bremen (SKWB), was den Pressedienst des Deutschen Segel-Verbandes sehr beeindruckte. „Nordlichter im tiefsten Bayern vorne – wer hätte das gedacht?“, vermeldete er. In der Gesamtwertung nach zwei von sechs Regatten liegen die Hemelinger damit nach dem Sieg von Tutzing und Platz drei von Friedrichshafen deutlich an der Spitze der ersten Liga. Die SKWB hat sogar einen Riesensprung von Rang 17 auf Rang sieben gemacht.
Saisonziel: Champions League
Von Abstieg jedenfalls spricht keiner mehr, Jan Seekamp hat ein klares Saisonziel formuliert: „Wir wollen wieder unter die ersten vier und damit abermals in die Champions League. Wenn wir vor Hamburg auch noch vorne sind, reden wir von mehr.“ Auf der Außenalster findet Mitte Oktober traditionsgemäß das Saisonfinale statt.

So sehen Sieger aus (v.l.): Carsten Kemmling, Tjorben Wittor, Markus Maisenbacher, Eike Martens.
Wie kam es zu den Bremer Triumphen? Die Antwort lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die Personaländerungen schlugen voll ein. Beim WVH ist das vor allem am Namen Carsten Kemmling festzumachen. Der saß erstmals am Steuer, ist neu im Verein, jedoch keineswegs ein Anfänger. Der inzwischen 52-Jährige hat fünf Jahre lang für den mehrfachen deutschen Meister Norddeutscher Regatta-Verein (NRV) in Hamburg erfolgreich gesegelt. „Dort wollte man verjüngen, da passte ich ja nicht mehr so richtig rein“, sagt Kemmling. Auch die persönlichen Kontakte zu Jan Seekamp trugen letztlich dazu bei, dass der Journalist zu Saisonbeginn nach Bremen wechselte. Im Boot des WVH wird er sich künftig mit Jan Seekamp am Steuer abwechseln, denn auch der Kapitän des Teams gilt als exzellenter Segler, was er nicht zuletzt durch die Qualifikation für das Champions-League-Finale deutlich gemacht hat.
Da die Hemelinger erst am vergangenen Mittwoch vom Champions-League-Halbfinale aus Sardinien zurückkehrten, aber schon am Donnerstag wieder in Tutzing sein mussten, blieb Seekamp – im Hauptberuf Chef eines metallverarbeitenden Betriebs – diesmal in Bremen. Ebenso wie Jens Tschenscher, der durch Markus Maisenbacher, ersetzt wurde. Eike Martens und Tjorben Wittor waren auch auf dem Starnberger See dabei und verdienten sich ein Lob ihres neuen Steuermanns Kemmling: „Das Team ist perfekt eingespielt, das hat mir unheimlich geholfen.“ Vor allem ihrer Ausgeglichenheit bei unterschiedlichsten Windverhältnissen verdanken die Bremer ihren Gesamtsieg. Denn in den elf Wettfahrten an drei Tagen landeten sie nur einmal auf Platz fünf und damit auf dem vorletzten Rang, sonst standen immer vordere Plätze auf der Score-Liste.
Radikale personelle Umstellung
Noch radikaler als beim WVH wirkte sich die personelle Umstellung bei der SKWB aus. „In Friedrichshafen haben wir es praktisch mit einem Jugend-Team versucht, das ging ziemlich schief“, analysierte Team-Chef Christoph Peper. Mit dem erfahrenen Steuermann Thomas Dehler (16 Bundesliga-Einsätze) sowie Claas Simon, Rasmus Nielsen und Matthias Grüning ging nun ein komplett neues Team an den Start, intern als „Süd-Mannschaft“ bezeichnet.
Dehler und Nielsen studieren in München und trainieren dort auch bei befreundeten Vereinen. „Thomas entscheidet schnell und präzise. Das war bei den sehr unterschiedlichen Witterungsverhältnissen sehr wichtig“, urteilte Christoph Peper. Denn von Regen und Hagel mit kräftigen Böen bis zu Leichtwind-Verhältnissen wurde auf dem Starnberger See alles geboten. So wurden die Wettfahrten von ursprünglich vorgesehenen 16 Rennen auf elf verkürzt, dann folgte schon die Siegerehrung. Und die hatte für Bremen fast historischen Charakter: „Es wird wohl nie wieder vorkommen, dass zwei Teams von der Weser auf dem Treppchen stehen“, prophezeite Christoph Peper.