Eine Etage noch, dann ist das Thema durch. Deckel drauf und gut. Wenn das dritte Obergeschoss seine Decke bekommen hat, muss niemand mehr befürchten, dass es Probleme mit dem Grundwasser gibt. Ernsthafte Gefahr besteht zwar keine mehr, dass die beiden Neubauten vor dem Hauptbahnhof aus der Tiefe hoch gedrückt werden, aber kümmern muss man sich schon noch: Wassermanagement mit Pumpen und dicken Schläuchen, die wie Schlangen in den Untergeschossen liegen.
Der Aufwand ist nur noch gering und ganz anders als in der ersten Phase des 100-Millionen-Projekts. Damals war es die 15 Meter tiefe Grube, die geschützt werden musste, das sogenannte Bremer Loch. Unmengen von Wasser, die durch ein System von Rohren in den Wallgraben abgeleitet wurden. Das ist vorbei. Stattdessen wächst mit hohem Tempo etwas heran, was jetzt schon deutlich die Umgebung verändert. Eine ganz neue Situation, die in ihren Dimensionen erst noch begriffen werden muss.
Seit dem Herbst wird am Hochbau gewerkelt. Bis zu 100 Arbeiter jeden Tag, die in Zehn-Stunden-Schichten Decken und Wände errichten. Bisher haben sie Glück gehabt, der Winter hält sich zurück. Er bringt Wind und Regen, viel Wind und viel Regen, aber keinen Frost und Schnee auch nicht. Es geht zügig voran, ohne Unterbrechungen, weshalb wohl als sicher angenommen werden kann, was der Bauherr vor einem halben Jahr angekündigt hat: Der Rohbau soll im April fertig sein, ein Jahr später ziehen die ersten Mieter ein.
„Demut“, sagt Ulf Wachholtz, als er nach seinen Gefühlen befragt wird. Demut nach einer schweren Zeit. Wachholtz leitet das Projekt, der Name: City Gate Bremen. „Es hat lange gedauert, bis es rund lief“, sagt er, „dafür ist die Erleichterung jetzt umso größer.“ Ein gewaltiges Problem waren die Absackungen an den Rändern der Baugrube.
Auswirkungen auf den Straßenbahnverkehr
So recht konnte sich das niemand erklären, es gab Gutachten, aber keine einfachen Antworten. Die Arbeiten mussten für Monate ruhen. Wie knapp es war bis zum schlimmsten Fall, verrät Wachholtz erst heute: „Wir wussten manchmal nicht mehr, ob die Grube zu retten ist oder ob die Prüfingenieure sagen, dass sie geflutet werden muss.“
Auswirkungen hatte das unter anderem für den Straßenbahnverkehr vor dem Bahnhof. Eine der Linien musste für längere Zeit gesperrt werden. Auch die Hochstraße bekam etwas ab, konnte aber wieder ins Lot gebracht werden. Eine weitere Folge dieser Pannen war, dass dem Tiefbauer gekündigt wurde. Der Bauherr übernahm die Arbeiten in eigener Regie.

Ein Blick durch die zehn Meter breite und 60 Meter lange Passage, die zum Hauptbahnhof führt.
Bis heute liegen die Vertragspartner von damals über Kreuz, wer in den Auseinandersetzungen über die Ursachen der unkontrollierten und gefährlichen Erdbewegungen recht hatte. Wachholtz hat erkennbar kaum noch Hoffnung, dass es zu einer Einigung kommt. Wahrscheinlich geht der Konflikt vor die Gerichte. Der Streitwert: mehrere Millionen Euro. „Durch den Baustopp sind uns beträchtliche Mietzahlungen entgangen, mit denen wir kalkuliert hatten“, erklärt der Projektleiter.
Innenausbau hat längst begonnen
Wachholz führt an diesem Tag in die Katakomben seiner Häuser. Es geht hinunter in das vierte Untergeschoss, das eigens für die Haustechnik errichtet wurde. Nichts oder nur das Wenigste davon kommt aufs Dach. Die zehn Etagen der beiden Häuser mit einer Mietfläche von insgesamt 35.230 Quadratmetern werden mit Wärme, Wasser und Luft hauptsächlich vom Keller aus versorgt.
Dort verlegen die Arbeiter jetzt die Rohre, es wird geschweißt, gebohrt und geschliffen. In Massen liegen die Lüftungsschächte bereit, um verbaut zu werden. Und hier, in einer der dunklen Ecken, ist Platz für die Pumpe der Sprinkleranlage. Ihr Tank wird mehr als 100 Kubikmeter Wasser fassen. Der Innenausbau hat also längst begonnen, während draußen noch Eisen gebogen und Beton gegossen wird.

Arbeiter befestigen vorgefertigte Schalwände. Probleme mit Frost oder Schnee hat es in diesem Winter auf der Baustelle noch nicht gegeben. Alles läuft bisher nach Plan.
Sogar die Maler sind in den Untergeschossen bereits mit Farbrollen unterwegs. Boden grau, Decke weiß – der Standard, wenn Parkdecks gestrichen werden. Die Tiefgarage im zweiten und dritten Untergeschoss ist mit 290 Stellplätzen geplant und wird von der Brepark betrieben. Eine Etage höher und immer noch unter der Erde ziehen in getrennten Läden Rewe und Woolworth ein. Der Eingang mit den Rolltreppen liegt zum Bahnhof hin.
"Wir sind den Bremern kein Dorn im Auge"
Der Bahnhof – er wird zugebaut, sagen die Kritiker des Projekts. Die Sicht künftig versperrt durch zwei 25 Meter hohe Klötze. Das 130 Jahre alte Gebäude, erbaut im Stil der Neorenaissance, ins zweite Glied versetzt, relativiert, klein gemacht. So wurde es von Beginn an immer wieder beklagt. Hinzu kommt die Anmutung der beiden Neubauten, die vom Berliner Architekten Max Dudler entworfen wurden.
Zu viel, zu groß, zu mächtig, sagen die Gegner. Andere von ihnen waren schon im Grundsatz nicht damit einverstanden, dass der freie Platz vor dem Bahnhof bebaut wird. Ulf Wachholtz glaubt fest daran, dass das Stimmen aus der Vergangenheit sind: „Wir sind den Bremern kein Dorn mehr im Auge.“

Die Einfahrt der Tiefgarage. Sie wird von der städtischen Brepark betrieben und ist auf 290 Stellplätze ausgelegt.
Doch das wird sich erst zeigen, wenn in den nächsten drei Monaten die Häuser ihre volle Höhe erreichen, exakt die gleiche übrigens wie das benachbarte Hotel Star-Inn-Columbus. Spannend noch einmal, wenn später die Fassade fertig ist. Sie wird aus portugiesischem Sandstein gefertigt und bekommt an ihrem Sockel eine Verblendung aus Granit. Heller Stein, dunkler Absatz.
Bahnhof ist von der Hochstraße nicht mehr zu sehen
Einer der bereits jetzt voll des Lobes ist und die Bebauung auf dem Bahnhofsvorplatz geradezu feiert, ist Oliver Platz, Präsident der Bremer Architektenkammer. „Ich freue mich total“, sagt er. Das, was vorher auf dem weitläufigen Platz verloren gewirkt habe, bekomme jetzt einen Rahmen – „die Räume werden menschlicher, das steht Bremen viel besser“. Die Proportionen an diesem zentralen Ort in der Stadt seien endlich wieder stimmig.
Und der Bahnhof? Von der Hochstraße ist er schon nicht mehr zu sehen. „Wir werden die Innenstadt in Zukunft zu Fuß wahrnehmen und nicht mehr aus dem Auto heraus“, winkt Platz ab. Der Bahnhof werde durch die Neubauten nicht kleiner, sondern in der Wahrnehmung im Gegenteil größer, weil der Platz davor nicht mehr diese Weite habe.
Gesteigert werde dieser Effekt noch dadurch, dass die zehn Meter breite und 60 Meter lange Passage zwischen den beiden Gebäuden auf den Haupteingang des Bahnhofs führe. „So komme ich aus dem städtischen Raum, sehe aus der Ferne schon den Bahnhof und stehe schließlich direkt davor,“ sagt der Architekt.