Einen kürzeren Weg auf den Teller gibt es kaum, sagt Jäger Jan Gartelmann. Trotzdem sei das Fleisch der Sumpfbiber bei vielen Menschen noch verpönt. "Viele verbinden Nutria mit Ratten – zu Unrecht", sagt der Koch und Gastronom. Er selber habe das Fleisch schon mehrfach probiert. "Schmeckt wie Wildkaninchen – aber noch feiner." Zubereitet mit Salbei, Rosmarin und Gemüse sei es "richtig schmackhaft und lecker". Auch Bratwürstchen habe er aus dem Fleisch schon machen lassen – "wir feilen noch an dem Rezept – die erste Charge war genial, die zweite nicht würzig genug", urteilt Gartelmann. Könnte Nutria eine regionale Delikatesse von morgen werden? Die Meinungen dazu gehen bislang auseinander.
Sumpfbiber auf dem Teller – wie kommt das an?
Martin Walther ist seit 2020 Jäger im Blockland. Vor drei Jahren habe er zum ersten Mal eine Nutria geschossen. "Ich habe mir von Anfang an gesagt: Was ich erlege, will ich auch verwerten", so der Jäger. "Das ist sehr gutes Fleisch." Viele Leute hätten dennoch Probleme mit den Tieren, weil die Schneidezähne denen einer Ratte ähnelten. Er habe das Fleisch zu Bratwurst verarbeiten lassen und mit zwei Kollegen geteilt. "Der eine ist kurz vorm Probieren noch abgesprungen. Dem anderen hat es durchaus geschmeckt", erinnert sich Walther. Auch seiner Familie habe er das Fleisch schon serviert. Zwei seiner Söhne hätten verzichtet, wobei der eine sowieso kein Fleisch esse – "wir anderen mögen das". Zubereitet im Backofen mit Öl und Rosmarin sei es "einfach lecker." Martin Walther möchte Pionier in Sachen Nutria sein: "Seitdem ich zur Jagd gehe, habe ich einen viel bewussteren Blick auf Fleisch als Lebensmittel und esse viel weniger. Im Rahmen der Bestandsregulierung der invasiven Art ist es eine gute Lösung das Fleisch zu verzehren", sagt Walther.
Wie lässt sich die Hemmschwelle vor dem Verzehr senken?
Jan Gartelmann ist von einem Jagdkollegen überrascht worden. Der führe in Bremen ein italienisches Restaurant. "Wir waren zwölf Leute. Er hat uns eingeladen. Und es gab einen leckeren Braten – mit viel Salbei und Gemüse – richtig lecker", erinnert sich der gelernte Koch. Erst hinterher habe er erfahren, dass er zum ersten Mal Nutria gegessen habe. Seinen Gästen würde er das Nutria-Fleisch allerdings nicht anbieten, erklärt der Gastronom. Eine Kollegin im Blockland habe es vor zwei Jahren mal auf ihre Karte gesetzt. "Das war wohl eher geschäftsschädigend." Deshalb wolle er das Risiko nicht eingehen.
Wo kann man Nutria kaufen?
Seit vier Jahren gibt es die kostenlose App "Waldfleisch – aus der Region. Verbraucherinnen und Verbraucher sehen in der App, welche Jäger in ihrer Region gerade welche Produkte verfügbar haben. Wer in Borgfeld, dem Blockland oder in Lilienthal wohnt, bekommt unter der Suche nach Nutria-Fleisch gleich fünf Vermarkter auf der Plattform angezeigt. Raimund Lütjen aus Vollersode ist einer von ihnen. Gemeinsam mit seiner Familie betreibt er einen Hofladen. "Nutria geht gut", sagt der Jäger. "Das Fleisch ist mild." Auch seine Kinder und seine Frau hätten es probiert. Besonders vor Weihnachten sei die Nachfrage groß gewesen. Über zehn Tiere habe er verkauft. Ungefähr 9,50 Euro koste das Kilo. Inzwischen würde Nutria rund 25 Prozent seines Fleischumsatzes ausmachen. "Das Feedback meiner Kunden ist gut: Das Fleisch sei schmackhaft, zart und mild", so der 41-Jährige. Es sei regional und nachhaltig. Ob es ein Boom wird? "Fraglich", meint Lütjen.

Nutria-Keulen liegen in einer Auslage. Nicht wenige, die das Fleisch des Tieres zu schätzen wissen.
Warum isst der Bremer Stadtjägermeister keine Nutria?
Stadtjägermeister Richard Onesseit verzichtet nach eigenen Angaben zurzeit noch auf Nutria-Fleisch. "Das ist reine Kopfsache", sagt er. "Ich bin ein Kind von Fischern. Da müsste ich mein Unterbewusstsein schon sehr austricksen, um Nutria zu essen." Dabei sei der Ansatz eigentlich okay, meint Onesseit. Nutrias seien etwa bibergroße Nagetiere, die ursprünglich aus Südamerika kommen. Einst wurden die am Wasser lebenden Tiere in Deutschland wegen ihrer Pelze gehalten. Einige konnten entkommen und wurden so zur Plage. Aufgrund milder werdender Winter und reichlich Nahrungsangebot haben sich die Tiere stark vermehrt, erklärt der Stadtjägermeister. Im Jahr 2017 habe man in Bremen rund 200 Tiere getötet. Ein Jahr später waren es schon 500. Im Jagdjahr 2022/23 wurden 2173 Tiere von den Jägern erlegt. Von April 2024 bis 2025 waren es rund 3500 Tiere, berichtet Onesseit.

Jäger Jan Gartelmann auf Nutria-Jagd im Blockland.
Warum wäre Nutria eine gute Alternative zu anderen Fleischsorten?
Studien zufolge steigt der Hunger nach Fleisch weltweit. In den vergangenen 20 Jahren habe sich der Konsum von Fleisch mehr als verdoppelt. Bis zum Jahr 2028 soll er Schätzungen nach um 13 Prozent wachsen. Das ergab eine Hochrechnung der Heinrich-Böll-Stiftung und des BUND im Fleischatlas. An dem global ansteigenden Fleischkonsum ändere auch der Trend zur veganen Ernährung im Westen so schnell nichts, vermuten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "Der vollständige Verzicht auf Fleisch stellt für viele Verbraucherinnen und Verbraucher keine Lösung dar", glaubt auch Jäger Martin Walther. "Aber vielleicht kann Wildfleisch wie zum Beispiel Nutria das eine oder andere Nackensteak in Zukunft ersetzen." Das wäre dann sehr nachhaltig.