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Wiesenbrüter in Gefahr? Bremer Jäger fordern Jagdrecht auf Krähen

Der Vizepräsident der Landesjägerschaft Bremen, Marcus Henke, fordert ein Jagdrecht auf Rabenkrähen: Bremen unterwandere die Naturschutzverpflichtung für Wiesenbrüter. Arno Schoppenhorst vom BUND widerspricht.
10.05.2022, 10:00 Uhr
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Bremer Jäger fordern Jagdrecht auf Krähen
Von Petra Scheller

Borgfeld/Blockland. Ein laues Lüftchen zieht über das Blockland. Kiebitzpaare brüten auf ihren Nestern. Nur vom Deich aus kann man sie mit dem Fernglas sehen. Über 600 Brutpaare hat der Wiesenvogelschutzbeauftragte des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), Arno Schoppenhorst, hier im vergangenen Jahr gezählt. "Ein unglaublicher Bruterfolg" sei das, sagt der Naturschutz-Planer. Ein Stückchen weiter, in den Borgfelder Wümmewiesen, verteidigt ein Kiebitz gerade erfolgreich seine Brut gegen eine Krähe. Beide Vögel stehen in Bremen unter Schutz. Genau darüber gibt es im Blockland und in den Wümmewiesen gerade Streit. Sind Krähen schützenswert?

Das sagen Jäger

"Die Rabenkrähe ist ein Nesträuber und stellt gezielt auch Jungvögeln nach", kritisiert der Vizepräsident der Landesjägerschaft in Bremen, Marcus Henke. Er fordert ein Jagdrecht auf Rabenkrähen wie in Niedersachsen. Rabenkrähen seien "eine Gefahr für geschützte Singvögel und andere seltene Vogelarten", sagt Henke. Ziel des Naturschutzes müsse es sein, "diesen seltenen Arten bestmögliche Lebensraumbedingungen zu bieten und sie konsequent zu schützen, um ihr Überleben zu sichern", fordert er. Dazu gehört nach Ansicht des Jägers auch der Schutz vor Rabenkrähen. "Wenn man diese Fressfeinde, ohne dass diese selbst gefährdet sind, dem gleichen Schutzanspruch unterstellt, wie den Singvögeln, unterwandert man die Naturschutzverpflichtung", so der Jäger.

Unterstützung erhält er dabei vom Vizepräsidenten des Bremischen Bauernverbandes Carsten Schnakenberg. "Mit der Diskussion um die Krähen drehen wir uns im Kreis", kritisiert Schnakenberg. "Ich bin dafür, dass wir sie ins Jagdrecht aufnehmen." Doch es fehle an Rückendeckung seitens der Behörde. "Eigentlich ist die Landesregierung bei diesem Thema längst gefordert", sagt auch Henke. "Als Naturschützer müssen wir berufen sein, zu regulieren."

Das sagen Naturschützer

Robin Maares, Gebietsschützer der Borgfelder Wümmewiesen, sieht in dem Streit um das Jagdrecht auf Krähen ein Politikum. "Draußen geht es wild zu, der Schwächere unterliegt", sagt Maares. Der Landschaftsökologe beschreibt in erster Linie die Vorzüge der Krähen. "Sie sind Schädlingsbekämpfer. Sie fressen unter anderem Kartoffelkäfer.“ Die Kiebitz-Nester in seinem Schutzgebiet in den Borgfelder Wümmewiesen seien nicht von der Rabenkrähe bedroht, sondern von Fuchs und Mader, sagt Maares. Er probiere es gerade mit stromgeladenen Zäunen, um die beiden Arten von den Nestern der Kiebitze, Rotschenkel, Brachvögel und Bekassinen fernzuhalten.

Gebietsschützer Schoppenhorst öffnet eine Tabelle auf seinem Laptop: 376 Kiebitze, 72 Brachvögel, 69 Uferschnepfen, 55 Rotschenkel, 30 Bekassinen und zwei Kampfläufer hat er im vergangenen Jahr im Blockland gezählt – "das sind jeweils Paare", erklärt er. Die Quote der Krähen, die Nester ausraube, liege lediglich zwischen fünf und zehn Prozent, sagt Schoppenhorst. Außerdem – und das werde meistens verschwiegen - gäbe es auch in Bremen im Einzelfall die Möglichkeit, Krähen zu bejagen.

Das sagt das Umweltressort

Das bestätigt die Sprecherin der Bremer Umweltsenatorin auf Nachfrage. Seit 1998 würden Genehmigungen zum Abschuss von Rabenkrähen erteilt. "Ziel der Abschüsse ist die Vergrämung von Rabenkrähen und die Verringerung von Schäden" in Landwirtschaft, bei der Zerstörung von Siloplanen sowie zum Schutz von Wiesenvögeln, so Sprecherin Linda Neddermann. Zum Abschuss seien nur Jäger berechtigt. Gejagt werden dürfe vom 1. August bis zum 20. Februar – also außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten der Rabenkrähen.

Mit fatalen Folgen, kritisiert Jäger Henke. "Wir gehen von 8000 bis 10.000 Rabenkrähen in Bremen aus.“ Im Landkreis Osterholz habe man die Jagdzeit zur Eindämmung der sich rasant verbreitenden Population deshalb um zwei Monate verlängert.

Das sagt der Landkreis Osterholz

Im Jahr 2011 war das. "Der Landkreis hatte auf Antrag der Jägerschaft eine Verordnung erlassen, um die durch Rabenkrähen verursachten Schäden an Mais und Getreideflächen zu minimieren", bestätigt die Amtsleiterin für Kreisentwicklung des Osterholzer Landkreises, Jana Lindemann. Die Verlängerung der Jagdzeit vom 1. Juli bis zum 31. März diene der Bestandsregulierung während des Nestbaus – gelte jedoch nicht in Naturschutzgebieten, unterstreicht Lindemann.

Der Blocklander Gebietsschützer Arno Schoppenhorst kann den Ärger der Jägerschaft und der Landwirte ein wenig verstehen, räumt er ein. "Krähen sorgen in den Brutgebieten ständig für Unruhe." Die Forderung nach einem erweiterten Jagdrecht zum Schutz der Wiesenbrüter sei jedoch unbegründet. Das Blockland sei ein EU-Schutzgebiet. 500 Brutpaare würden hier als "günstiger Erhaltungszustand" gelten. Mehr als 600 seien es bereits. "Ich habe manchmal eher Mitleid mit den Krähen, wenn sie von den Kiebitzen gejagt werden."

Zur Sache

Diskussion wird in Bremen fortgesetzt

Rabenkrähen zählen gemäß Bundesnaturschutzgesetz zu den besonders geschützten Vogelarten, da sie „europäische Vogelarten“ im Sinne der Vogelschutzrichtlinie sind. Es ist verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten.

Die Rabenkrähe und die Elster können nach der Europäischen Vogelschutzrichtlinie jedoch durch deutsches Recht zu jagdbaren Tieren, also Wild, erklärt werden. Das ist bisher bundesrechtlich nicht geschehen. Mehrere Bundesländer haben aber die beiden Vogelarten dem nach Landesrecht „jagdbaren Wild“ gemäß dem Bundesjagdgesetz zugeordnet.

„Im Jahr 2007 wurde der Abschuss von Rabenkrähen in Bremen erneut überaus kontrovers diskutiert“, berichtet die Sprecherin des Umweltressorts, Jana Neddermann. Die Umwelt-Deputation hatte damals beschlossen, dass Abschüsse von Rabenkrähen außerhalb von Natura-2000-Schutzgebieten und Naturschutzgebieten zur Vermeidung erheblicher landwirtschaftlicher Schäden weiterhin genehmigt werden können. Im Juni wollen sich Vertreter von Umweltverbänden, der Jäger- und Landwirtschaft erneut zum Runden Tisch treffen.

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