Im vergangenen Jahr hatte Eberhard Kraft noch geglaubt, dass die Infektionszahlen hochschnellen würden und er mehr Vakzine braucht als die, die mit der ersten Charge gekommen sind: 160 Impfdosen waren es – alle gegen das Affenpockenvirus. Doch so viele hat das Team des Blumenthaler Allgemeinmediziners bisher gar nicht verbraucht. Für den Arzt ist die Bilanz deshalb eine Erfolgsbilanz. Auch wenn das Personal in seiner Praxis weiter gegen den Erreger impfen muss. Und der wahrscheinlich nie verschwinden wird.
Seit Herbst vergangenen Jahres ist das Team dabei, Menschen gegen das Affenpockenvirus zu schützen. Bis Anfang dieser Woche, sagt Kraft, haben seine medizinischen Fachkräfte knapp 80 Personen geimpft. Dass es weniger als erwartet sind, hat für den Allgemeinmediziner mehrere Gründe. Einer von ihnen ist, dass die Vakzine in Bremen später an die Praxen verteilt worden sind als in anderen Bundesländern – und sich viele Betroffene darum vorher an Ärzte beispielsweise in Niedersachsen gewandt haben, um nicht länger warten zu müssen.
Kraft und sein Team haben knapp eine Woche vor dem Impfstart in Bremen erfahren, dass sie sich bereithalten sollen. 1200 Dosen des Präparats Imvanex/Jynneos hat die Gesundheitsbehörde schließlich ausgeliefert – nicht an alle Praxen der Stadt, sondern an alle, die schwerpunktmäßig Menschen mit HIV versorgen. Wie die von Kraft. Sie ist die einzige im Bremer Norden, die sich darauf spezialisiert hat. Fast alle Personen, die in Blumenthal gegen den Affenpocken-Erreger geimpft werden, sind deshalb zugleich Patienten der Praxis.
Bei ihnen ist die Gefahr größer, dass sie sich anstecken. Darum sollen sie zuerst geschützt werden. Das Ressort spricht von einer Risikogruppe. Und zu ihr zählen laut Kraft vor allem Männer, die Sex mit Männern haben und häufig den Partner wechseln. Zuvor gab es nur in medizinisch begründeten Fällen eine Impfung gegen das Affenpocken-Virus in Bremen. Seit Oktober vergangenen Jahres bekommt sie jeder, der zur Risikogruppe gehört, damit sich nicht wiederholt, was in anderen Städten passiert ist: ein deutlicher Anstieg der Infektionszahlen.
Wie zuvor in Hamburg und Berlin. Beide Städten galten im Sommer des Vorjahres als sogenannte Hotspots. Nach der Statistik des Berliner Robert-Koch-Instituts wurden bundesweit bisher 3700 Infektionsfälle im Zusammenhang mit Affenpocken registriert und die meisten, nämlich mehrere Hundert, jeweils in den beiden Metropolen. Im kleinsten Bundesland ist die Zahl der Betroffenen dagegen bisher zweistellig geblieben. Die Gesundheitsbehörde kommt auf ihrem Onlineportal im Moment auf 18 – 14 in Bremen und vier in Bremerhaven.
Auch darum ist für Kraft die Bilanz eine gute Bilanz. Ihm zufolge hätte es auch anders kommen können. Nämlich so, wie Epidemiologen anfangs befürchtet hatten: Dass sich das Virus rasant verbreitet und sich die Zahl der Hotspots schneller erhöht als die Zahl der Geimpften. Nach den Worten des Arztes ist die Infektionswelle in Deutschland inzwischen gebrochen. Geimpft werden muss trotzdem. Kraft sagt, dass in dieser Woche zum Beispiel drei Patienten kommen und in der nächsten zwei. Und dass es mit den Affenpocken so sein wird wie mit Corona: nie ganz vorbei.