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Schulschwimmen in Bremen-Nord Wie ein Schüler zum Rettungsschwimmer und Ausbilder wurde

Sechs Jahre ist es her, dass Felix Scheuerl zunächst nicht beim Schulschwimmen mitmachen sollte. Inzwischen ist er Rettungsschwimmer und Ausbilder, der jüngste bei der DLRG – ein Porträt.
12.05.2023, 18:00 Uhr
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Wie ein Schüler zum Rettungsschwimmer und Ausbilder wurde
Von Christian Weth

Erst sollte Felix Scheuerl der Einzige aus der Klasse sein, der nicht beim Schulschwimmen mitmachen darf – jetzt schwimmt er besser als viele andere. Erst brauchte er jemanden an seiner Seite, der ihn notfalls aus dem Wasser zieht und wiederbelebt – nun ist er einer von denen, die das können. Felix, der über Jahre als Epileptiker eingestuft war und nur mit einem Rettungsschwimmer schwimmen durfte, ist inzwischen selbst einer. Und Ausbilder. Der jüngste bei der Nordbremer DLRG.

Seit Kurzem darf er am Beckenrand tragen, was nicht jeder anziehen darf: rot-gelbe Shorts, gelb-rotes Shirt. Links steht der Name des Herstellers, rechts das Kürzel der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Jeden Dienstagabend hat er die Sachen an. Immer von sechs bis sieben. Dann gehört er zu einem Team, das Grundschülern im Grohner Bad das Schwimmen beibringt. Felix glaubt, dass es ein Ansporn für die Mädchen und Jungen im Wasser ist, mit ihm als Ausbilder zu tun zu haben. Er ist 14 und damit nicht viel älter als sie. Jedenfalls im Vergleich zu den anderen Rettungsschwimmern, die zwischen 20 und 60 sind.

Manchmal, sagt er, kann sein Alter auch ein Nachteil sein. Felix hat gemerkt, dass einige denken, sich bei ihm mehr herauszunehmen zu können als bei anderen. Sie denken falsch. Der Blumenthaler Oberschüler hat gelernt, klare Ansagen zu machen. Auch das war Teil seiner Ausbildung, neben dem Retten. Und den Anforderungen, die es dafür zu erfüllen gilt. Zum Beispiel 400 Meter in weniger als einer Viertelstunde zu schwimmen. Zum Beispiel 300 Meter in voller Montur – Hose, Pullover, Schuhe, Jacke – in höchstens zwölf Minuten zurückzulegen. Zum Beispiel sich aus einem Klammergriff zu befreien und jemanden 50 Meter weit durchs Becken zu ziehen.

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Felix schafft das. Er hat das bronzene Abzeichen der Rettungsschwimmer und das silberne. Das goldene kann er noch nicht haben. Dafür muss man 16 sein. Eindreiviertel Jahre noch. Er will sofort mit den Prüfungen beginnen, sobald er sie ablegen darf. Und dann der Tauchschein und der Bootsschein – in dieser Reihenfolge. Cornelia Scheuerl sagt, dass ihr Sohn erst tauchen und dann schwimmen konnte. Dass er immer lieber unter als über Wasser war. Und dass sie sich erst gefreut hat, als seine frühere Klassenlehrerin ankündigte, jetzt beginnt das Schulschwimmen. Und gleich darauf frustriert war, als es hieß: nur für Felix nicht.

Sechs Jahre ist es jetzt her, dass die Mutter dafür kämpfen musste, damit ihr Sohn das Schwimmen in der Schule lernt. Sie wusste, dass er wegen des Anfallsrisikos jemanden brauchte, der ihn im Wasser begleitet. Sie wusste aber nicht, dass es so schwierig werden würde, jemanden zu finden. Die Schule hatte niemanden und die Bildungsbehörde auch nicht. Und Cornelia Scheuerl durfte nicht, weil sie keine Rettungsausbildung hat. Der Fall beschäftigte Ärzte, Politiker, den Landesbehindertenbeauftragten. Bis sich am Ende doch jemand fand: Sabine Nießen, früher Leistungsschwimmerin und ein Schuljahr lang quasi der Schatten von Felix, wenn er im Wasser war.

Es gibt Fotos aus dieser Zeit, die beide nebeneinander im Becken des Vegesacker Freizeitbades zeigen. Zwanzig Schwimmzüge, dann kurz verschnaufen. Wieder zwanzig Züge, wieder verschnaufen. Eine ganze Weile ging das so. Nießen sagte damals, was heute Felix den Grundschülern im Grohner Bad sagt: "Weiter so", "das schaffst du", "gut gemacht". In den Monaten mit ihr hat er die Seepferdchen-Prüfung gemacht und das allgemeine Schwimmabzeichen in Bronze bekommen. Silber und Gold machte er später, als der Unterricht im Bad beendet war. Felix hatte nie wieder Schulschwimmen. Alles, was er dann lernte, lernte er als Vereinsschwimmer.

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Auch einen epileptischen Anfall hat er nicht wieder bekommen. Cornelia Scheuerl kann heute bestätigen, was die Ärzte damals nur vermuten konnten: Dass sich die Krankheit mit der Zeit bei Felix sozusagen verwächst. Seit Längerem gilt er als anfallsfrei. Das musste er, um Rettungsschwimmer zu werden. Theoretisch könnte er jetzt jemanden beim Schulschwimmen begleiten, so wie ihn Sabine Nießen begleitet hat. Felix sagt, dass sein Fall und ihre Hilfe eine Rolle für ihn gespielt haben, bei den Nordbremer Rettern anzufangen. Eine Anfrage der Bildungsbehörde, ob er eine Assistenz beim Unterricht im Wasser übernehmen würde, gab es bisher nicht.

Dafür eine von der DLRG. Das Team will, dass Felix in diesem Jahr dabei ist, wenn die Rettungsschwimmer beim Grambker Sportparksee mit dem Wachdienst beginnen. Es wird seine erste Saison.

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