Industrielle Gebäude und Anlagen prägen das Bild in einigen Straßenzügen. Sie stehen als Stein gewordene Zeugnisse der industriellen Entwicklung und sind Teil der kulturellen Identität vieler Bremer Stadtteile. Einige dieser Industriegebäude haben Wirtschafts- und Architekturgeschichte geschrieben. Sie zu bewahren, kann regionales Selbstbewusstsein stärken. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie solche Bauten nach dem Verlust ihrer ursprünglichen Funktion genutzt werden können.
Die Schriftenreihe „Denkmalpflege in Bremen“ erscheint seit 2004 jährlich. Jede Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema und informiert über die wichtigsten denkmalpflegerischen Aktivitäten des vergangenen Jahres in Bremen und Bremerhaven. Die Leserinnen und Leser erhalten Einblicke in die wissenschaftliche Forschung und Diskussion zu Bauhistorik und Bautechnik, außerdem werden einzelne Kulturdenkmäler der Hansestadt vorgestellt.
Im jetzt erschienenen 20. Band der Reihe widmen sich die Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger der Industriedenkmalpflege in Bremen und Bremerhaven. „Wir wollen die Öffentlichkeit auf die Unverzichtbarkeit von hafengeschichtlichen, industriellen oder technischen Denkmälern aufmerksam machen“, so Georg Skalecki, Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege Bremen, im Vorwort.
Die Leser erfahren, wie „revitalisierte“ Industriebauten, deren ursprüngliche Nutzung gegen eine neue ausgetauscht wurde, weiterentwickelt wurden oder welche Pläne noch auf ihre Umsetzung warten. Dabei werden Vergangenheit und Gegenwart der Gebäude betrachtet. Außerdem werden unter der Rubrik "Aktuelle Praxisberichte" Sanierungsbeispiele aus der praktischen Denkmalpflege sowie eine Auswahl von neu unter Schutz gestellten Objekten vorgestellt.

Auch wegen der künstlerischen Gestaltung steht der Vegesacker Bahnhof unter Denkmalschutz.
Auch Nordbremer Beispiele sind in dem reich bebilderten Band zu finden, zum Beispiel das Kapitel „Eisenbahnhochbau in Bremen-Nord – die Bahnhöfe Vegesack und Blumenthal“ von Jessica Hänsel. Zunächst wird die Geschichte der Nordbremer Bahnstrecke und der Farge-Vegesacker Eisenbahn (FVE) dargestellt. Die Gründung der FVE war „essenziell für die Industrialisierung von Bremen-Nord und trug im Laufe der Jahre erheblich zum wirtschaftlichen Aufschwung der Region bei.“ Mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Vegesack-Farge am 8. Dezember 1888 wurde der Bahnhof Vegesack „zu einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in Bremen-Nord.“ Und das sollte sich auch bald in seinem Erscheinungsbild widerspiegeln: Hatte der Bahnhof zuvor einen vorortlichen Charakter, erhielt er 1912 drei neue Bahnsteige und einen repräsentativen Schalterbereich, der mit hochwertigen Fliesen, Reliefs und Skulpturen aus Keramik ausgestattet wurde. In den Folgejahren kam es zu weiteren Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen. Seit 2022 steht das Gebäude-Ensemble des Vegesacker Bahnhofs unter Denkmalschutz. Bereits ein Jahr zuvor wurde das Blumenthaler Bahnhofsgebäude unter Denkmalschutz gestellt. Außerdem gehört es zu den Industriedenkmälern, die bereits einer neuen Nutzung zugeführt wurden; es beherbergt mittlerweile unter anderem ein Bäckerei-Café, Büros und eine Sparkassenfiliale. Einige der Anbauten konnten nicht erhalten werden, aber „das Empfangsgebäude selbst soll im Zuge einer denkmalgerechten Sanierung und Modernisierung sein bauzeitliches Erscheinungsbild zurückerhalten.“ Beide Bahnhöfe – Vegesack und Blumenthal – sind, so Jessica Hänsel, „bedeutende Zeugnisse der Verkehrsgeschichte des Landes Bremen sowie der Geschichte Bremen-Nords im Besonderen, da der Anschluss an das Bahnnetz die Entwicklung der beiden Ortsteile von eher ländlich geprägten Gemeinden zu Industriestandorten maßgeblich befördert hat.“

Die Bremer Wollkämmerei in Blumenthal war einige Jahre dem Verfall ausgesetzt. Nun soll sich dort einiges tun.
„Die Bremer Wollkämmerei – ein Industriedenkmal mit Potenzial“ beschreibt Tim Schrader im gleichnamigen Kapitel. Das Gelände der zeitweise größten Wollkämmerei Deutschlands „stellt nicht nur ein Ensemble von herausregender ortsgeschichtlicher Bedeutung dar, sondern ist zugleich ein überregional bedeutendes Denkmal der deutschen Industrie- und Wirtschaftsgeschichte.“ Nachdem dieses „besondere Kleinod historischer Industriekultur“ ab 2012 unter Denkmalschutz gestellt wurde, stellte sich die Frage, wie die historischen Gebäude und das weitläufige Gelände zukünftig genutzt werden können. In dieser Hinsicht hat sich seitdem einiges getan; anderes wird derzeit geplant oder befindet sich in der Umsetzung. Neben historischen und aktuellen Fotografien werden auch Skizzen und Perspektivpläne von zukünftiger Nutzung gezeigt, zum Beispiel vom Schwimmbad, das in der ehemaligen Fliegerhalle realisiert werden soll, oder der „Berufsschulcampus Bremen-Nord“, der zu einem großen Teil in denkmalgeschützten Gebäuden untergebracht werden soll. Andere Umnutzungen, wie etwa die Kita in der früheren kaufmännischen BWK-Verwaltung, sind schon Realität. Diese „bereits umgesetzten, denkmalverträglichen Nutzungen sind Wegweiser in eine aussichtsreiche Zukunft der ehemaligen Bremer Wollkämmerei.“