„Wir marschieren den ganzen Tag in Reih und Glied. Die SS-Schergen treiben uns an. Die Schwächsten, die mit dem Tempo nicht mehr mithalten können, stoßen sie mit dem Gewehrkolben in den Rücken, bis sie zu Boden stürzen. Wir helfen ihnen beim Aufstehen. Wer liegen bleibt, bekommt den Todesstoß.“ So hat der ehemalige griechische KZ-Häftling Spiros Pasaloglou seine Erinnerungen an den Todesmarsch vom Außenlager Bremen-Farge des KZ Neuengamme zum Kriegsgefangenenlager Sandbostel beschrieben. Mit Tausenden weiterer Häftlinge musste er sich im April 1945 zu Fuß auf den Weg machen. Pasaloglou überlebte, viele andere nicht.
80 Jahre später erinnert ein viertägiger Gedenkmarsch an den Leidensweg der KZ-Häftlinge in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs und an die Opfer. Unter dem Motto "Steps to remember" folgt er von Donnerstag, 24. April, bis Sonntag, 27. April, den Spuren des Todesmarsches. Vom Denkort Bunker Valentin in Farge geht es mehr als 80 Kilometer zu Fuß bis zur Gedenkstätte Lager Sandbostel im Landkreis Rotenburg/Wümme. Der Gedenkmarsch ist ein Gemeinschaftsprojekt der Landeszentrale für politische Bildung Bremen, der Stiftung Lager Sandbostel, der Internationalen Friedensschule Bremen, der berufsbildenden Schulen Osterholz sowie der Polizei unter Beteiligung weitere Einrichtungen.
Auf historische Strecke unterwegs
Der Marsch folgt der historischen Strecke des Todesmarsches vom April 1945. Damals hatte die SS damit begonnen, die Außenlager des KZ Neuengamme im nordwestdeutschen Raum angesichts der heranrückenden Alliierten zu räumen. Das Außenlager Farge, im Oktober 1943 für den Bau des U-Boot-Bunkers Valentin errichtet, „wurde für bis zu 5000 Häftlinge aus Bremen, Meppen und Wilhelmshaven zur Durchgangsstation der sogenannten Todesmärsche“, heißt es auf der Homepage des Denkorts. Am 10. April wurden die KZ-Häftlinge in mehreren Kolonnen von Farge aus auf einen Todesmarsch zum Kriegsgefangenenlager Sandbostel oder zum Stammlager Neuengamme geschickt. Kranke Häftlinge wurden per Zug nach Sandbostel transportiert. Das Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager (Stalag) Sandbostel war im Herbst 1939 eingerichtet worden. Später wurde es in Teilen als KZ-Außenlager von Neuengamme geführt und am 29. April 1945 von britischen Truppen befreit.
Der Gedenkmarsch, der von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet ist, führt über vier Etappen. Vor dem eigentlichen Start gibt es am Mittwoch, 23. April, um 18.30 Uhr eine Veranstaltung im Bürgerhaus in Bremen-Vegesack. Dabei wird aus Zeitzeugenberichten des Todesmarsches gelesen, außerdem werden Bilder von zwei früheren Gedenkmärschen gezeigt.
Am 24. April geht es dann am Denkort in Farge los. Nach Begrüßung durch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte machen sich die Teilnehmer gegen 9 Uhr auf nach Hagen im Bremischen. Bei einer Zwischenstation am Rathaus Schwanewede (Landkreis Osterholz) wird das Team der Gedenkstätte "Baracke Wilhelmine" aus Neuenkirchen informieren. In Hagen gibt es ab 19 Uhr auf der Burg eine Veranstaltung mit musikalischen Beiträgen und einem Fachvortrag zum Thema "Gewaltbedingte Migration".

Diese Stele zum Gedenken an den Todesmarsch von 1945 steht in Hagen. Die Gemeinde Hagen hat in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lager Sandbostel an drei Orten Erinnerungsstelen aufgestellt.
Die zweite Etappe des Gedenkmarsches beginnt am 25. April um 10 Uhr am Rathaus in Hagen (Landkreis Cuxhaven), vor Ort gibt es einen Beitrag über das jüdische Leben in Hagen. Auf dem Weg nach Beverstedt kann zudem der jüdische Friedhof in Hagen bei einer Führung besucht werden. Bei einem Zwischenstopp in Bokel informiert der Heimatverein in der Grundschule über zwölf Jahre Spurensuche vor Ort, in Stubben lesen Schüler an der Gedenkstele. In Beverstedt gibt es eine Führung über den jüdischen Friedhof, an der Fabian-und Sebastian-Kirche Lesungen an der Gedenkstele und im Gotteshaus. In der Feldhofhalle spielen ab 19 Uhr zwei Bands auf.
Gedenkstelen werden eingeweiht
Am 26. April geht es ab 10 Uhr vom Rathaus Beverstedt weiter nach Oerel (Landkreis Rotenburg/Wümme). Bei Zwischenstopps in Volkmarst und Barchel werden Gedenkstelen eingeweiht. Bei einem weiteren Halt in Basdahl kann der Hof von Johann Dücker besucht werden. Als Neunjähriger wurde er Zeuge, wie zwei Häftlinge des Todesmarsches bei einem Fluchtversuch von Wachmännern erschossen und auf einem Acker verscharrt wurden. Im Jahr 2006 ließ Dücker einen Gedenkstein auf seinem Grundstück aufstellen. Eine szenische Lesung über das Leben von Johann Dücker beginnt um 19 Uhr in der Grund- und Oberschule in Oerel.
Zum Abschluss geht es am 27. April von Oerel zur Gedenkstätte Lager Sandbostel. Auf dem Weg wird im Oereler Ortsteil Glinde eine Stele eingeweiht. In Bremervörde gibt es am Bahnhof Musik und Reden. Gegen 15 Uhr erreicht der Marsch dann sein Ziel, die Gedenkstätte Lager Sandbostel. Dort stehen unter anderem Fachvorträge auf dem Programm. Unter den Ehrengästen wird die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens als Schirmherrin des Gedenkmarsches sein.
Mit dem Marsch auf der historischen Strecke wollen die Initiatoren nach eigenen Angaben „ein klares Zeichen gegen das Vergessen der Verbrechen des Nationalsozialismus“ setzen. Neben der Erinnerung an die Opfer soll die Aktion „ein Aufruf zur Wachsamkeit und ein Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie“ sein.