Eine große Gruppe wandelt schweigend kreuz und quer durch Blumenthal und selbst die elfjährige Dackeldame Alice von Frauchen Rita Otten trottet still mit. Dennoch ziehen die Spaziergänger die Aufmerksamkeit von Anwohnern und Passanten auf sich. Warum? Alle haben Kopfhörer auf den Ohren und mittendrin eine junge Frau mit einem originellen Sonnenhut und ihr Kollege mit einem Sender samt Antenne, der das überträgt, was alle mit Kopfhörer erfahren und sonst niemand. „Mein Hund hat als einziger keine bekommen!“, klagt Rita Otten später scherzhaft bei der Ankunft im Nunatak. Als Entschädigung gibt es aber Wasser für Mensch und Tier und kleine Snacks dazu.

Die freien Künstler Eva Matz und Janis E. Müller auf dem Blumenthaler Marktplatz. Sie haben das Projekt realisiert die Veranstaltung geleitet.
Im Rahmen der dritten Blumenthaler Kulturlichter präsentierten die Künstlerinnen Eva Matz und Janis E. Müller den ersten Audiowalk des Stadtteils. Matz und Müller sind schon öfter in Blumenthal aktiv gewesen und haben im Sommer Interviews und Gespräche mit Anwohnern geführt und erforscht, was sie zum Thema „Alles im Wandel“ zu berichten haben; welche Träume und Hoffnungen es gibt und welchen persönlichen, gesellschaftlichen und städtebaulichen Wandel sie wahrgenommen haben. „Ich habe von dieser Veranstaltung gehört und dass es eine Kooperation vom Dokumentationszentrum (Doku) und Nunatak ist. Ich bin neugierig und weiß gar nicht so genau, was mich erwartet“, sagt Maria Scheuerl. Und damit war sie nicht die Einzige. Auch Boyd Sibbersen aus Rönnebeck saß beim Einführungsimpuls im Doku ganz gespannt und war sich aber sicher, dass seine Tochter Lena ihren Part gut machen würde.
Doch bevor Lena ihre Lesung auf dem Audiowalk präsentieren konnte, gehörte die Bühne sechs Mädchen mit Zirkus- und Tanztheater, was mit viel Beifall belohnt wurde. Ganz getreu dem Ziel der Kulturlichter, Kunst niederschwellig und ortsnah erlebbar zu machen. Christian Psioda, Geschäftsführer der Quartier gGmbh und Carola Schulz, Blumenthaler Quartiersmanagerin, verteilten anschließend die Kopfhörer und erläuterten die Technik.

Sophie Hüttmann, Vivienne Grey und Lena Sibbersen unterstützten den Audiowalk durch illustrierende Performances.
Auf dem Schillerplatz begann dann die Audiotour mit Reiseleiterin Eva Matz. Erklärt wurde, dass der Name von der einstigen Schillerschule stammt. Für die einen wars ein Ach ja-, für die anderen ein Aha-Effekt. Junge und ältere Blumenthaler aus 26 Interviews kamen zu Wort. Menschen, die ihr ganzes Leben im Stadtteil verbracht haben genauso wie Neublumenthaler mit und ohne Migrationshintergrund. Früher habe es 44 Geschäfte in der Kapitän-Dallmann-Straße gegeben und alle Arbeiter der Kämmerei mussten durch die Mühlenstraße und die Lüssumer Straße, erfuhren die rund 30 Zuhörer. Wünsche nach einem Café am Marktplatz wurden geäußert, wie auch die Sorge um die Zukunft des Stadtteils und Überraschungen bei Geschäften, die plötzlich nicht mehr da waren. Eine Bürgerin sah Blumenthal als Mischung zwischen Stadt und Dorf. Einen sinnbildlichen Blumenstrauß an Erinnerungen und Erfahrungen hatten die Künstler im Stadtteil gesammelt und ein Kommentar aus den Gesprächen sei Eva Matz besonders in Erinnerung geblieben: „Blumenthal zeige seine Wunden offen.“ Ihr Kollege und sie hätten Blumenthal dennoch lieben gelernt und gerne würden sie einen zweiten Teil zum Audiowalk umsetzen. „Dann aber umfangreicher“, wünscht sich Jannis E. Müller.

Der Nachmittag startete mit einer Performance von Kindern unter dem Titel ”Vier Jahreszeiten” im Doku.
Geschickt eingebunden waren die aufgezeichneten O-Töne der Blumenthaler zwischen einer Zugansage für die Ankunft in Blumenthal, kurzen modernen Gedichtelementen und einem Spiel mit dem Ortsnamen. Einzelne Schnittblumen waren unterwegs abgelegt worden und sollten aufgenommen werden. Die zehnjährige Simaf Mohammed war die eifrigste Sammlerin und bekam auf dem Marktplatz auch noch die restlichen Blumen zugesteckt und freute sich so über einen bunten Strauß. Bevor Gloria Selimovic aus Lüssum mit einigen Liedern in den gemütlichen Austausch im Nunatak überleitete, fasste Eva Matz zusammen, welche leise Hoffnung deutlich wurde auf dem Audiowalk: „Es war, es ist und es wird einmal das Blumen-Tal“.