Der Kanal in Farge ist wie jeder andere Kanal, eigentlich. Statt unterirdisch verläuft er jetzt nämlich streckenweise oberirdisch: mal parallel zur Straße, mal über die Fahrbahn hinweg, aber immer in viereinhalb Metern Höhe. Die sichtbaren Leitungen sind quasi Ersatz für die, die man nicht sehen kann. Und die kaputt sind. Auf einer Länge von mehr als einem Kilometer ist der Kanal rissig geworden – und kann nur repariert werden, wenn er für Monate stillgelegt wird.
Dass ein Teil des Schmutzwassernetzes erneuert werden muss, ist bei einer turnusmäßigen Kontrolle festgestellt worden. Ein Roboter mit Kamera lieferte Bilder von Schäden, die Hansewasser in diesem Umfang nicht erwartet hatte. Schon gar nicht nach so kurzer Zeit. Im Grunde ist der Abschnitt des Kanals, den der städtische Abwasserentsorger neu machen muss, noch gar nicht so alt. Unternehmenssprecher Oliver Ladeur sagt, dass die rissigen Leitungen von 1975 sind. Und dass es wesentlich ältere Netzkilometer im Bremer Kanalsystem gibt.
Dass 1252 Meter Leitungen repariert werden müssen, erklärt Ladeur mit dem Material, aus dem dieser Teil des Kanals besteht: Beton. Der taugt nach seinen Worten für viele Kanalabschnitte, aber nicht für solche, die so stark beansprucht werden wie dieser Bereich. Kaputt ist, wenn man so will, der Kanal rechts und links vom Klärwerk – der Zufluss, durch den mehr Schmutzwasser geht als andernorts. Ladeur sagt, dass man heute an diesen besonderen Stellen des Netzes auch einen speziellen Beton genommen hätte. Oder einen anderen Baustoff, der noch widerstandsfähiger ist.
Rechts vom Klärwerk ist die Alte Straße, links die Farger Straße. Entlang beider Strecken verlaufen deshalb die meisten oberirdischen Rohre. Nach Ladeurs Rechnung gibt es drei Stellen, an denen die Leitungen über Fußwege und Fahrbahnen führen: zwei an der Farger Straße – in der Nähe des Bahnhofs und an der Kreuzung zur Betonstraße – und eine Stelle an der Wilhelmshavener Straße, die von und zum Fähranleger führt. Laut Ladeur sind solche oberirdischen Kanalleitungen schon häufiger im Stadtgebiet verlegt worden, zuletzt in Findorff.
Nullachtfünfzehn sind sie trotzdem nicht. Ladeur spricht von Rohrbrücken. Und davon, dass das Pumpensystem, das erforderlich ist, um das Abwasser am beschädigten Kanal vorbei und über die Straßen zu führen, komplex ist. Genauso wie das Verfahren, die kaputten Leitungen zu reparieren. Der alte Kanal bekommt quasi eine neue Innenwand. Keine aus Beton, sondern eine aus einer flexiblen Masse. Der Firmensprecher beschreibt sie als Synthesefaser mit Kunstharz und das Prinzip, sie zu verlegen, wie das beim Wechseln eines Fahrradschlauchs.
In die rissigen Betonröhren wird Meter um Meter ein Schlauch gezogen, der später erst mit Luftdruck vergrößert, dann mit Licht ausgehärtet wird. Auch das übernimmt ein Roboter. Ladeur nennt die Sanierung Schlauchliner-Sanierung. Ein Ausgraben des Kanals, so wie es früher gang und gäbe war, ist nicht erforderlich. Das vereinfacht die Reparatur und beschleunigt die Arbeiten. Einige Wochen werden aber auch sie dauern. Der Unternehmenssprecher geht davon aus, dass die Baustellen-Kolonnen, saniert wird an mehreren Stellen zugleich, Ende September fertig sind.
Dass der Kanal erneuert wird, ist zwar zu sehen, mehr werden die Haushalte an den betroffenen Straßenzüge ihm zufolge davon aber nicht mitbekommen. Genauso wenig wie sie gemerkt haben, dass der Kanal überhaupt rissig geworden ist. Zu keinem Zeitpunkt, sagt er, gab es für sie irgendwelche Beeinträchtigungen. Alle zwei Jahre werden Kanalabschnitte mit Robotern und Kameras untersucht. Dass die Betonwände angefangen haben, porös zu werden, weiß Hansewasser allerdings länger als zwei Jahre. Laut Ladeur waren die Schäden jedoch nicht so gravierend, dass sofort gehandelt werden musste.
Die Farger Baustelle hat für ihn zwar beachtliche Dimensionen, ist aber nicht so groß wie andere Baustellen des Abwasserentsorgers im Stadtgebiet. Auch wenn zu den kaputten Betonröhren noch die ersatzweise verlegten aus Stahl dazukommen, die aus technischen Gründen um einige Hundert Meter länger sind als die maroden. Ladeur geht davon aus, dass die Sanierung der beiden Abschnitte 755 000 Euro kosten wird – das Auf- und Abbauen der oberirdischen Leitungen nicht mitgerechnet. Bremenweit ist Hansewasser für rund 300 Kilometer Kanal zuständig.