Heidrun Pörtner sitzt inmitten blühender Sommerblumen auf ihrer Terrasse in Farge. Bienen und Hummeln schwirren umher. Unter dem Dachgiebel piepen Amselküken. „Wir sind hier auf dem Geest-Rücken, bis zum Grundwasser sind es etwa 35 Meter. Hier sind wir vor Vergiftungen sicher, wenn wir kein Grundwasser fördern“, sagt die Vorsitzende des Vereins „Bürgerinitiative Tanklager Farge“ und schenkt sich eine Tasse Tee ein.
Pörtner ist am Wifo-Wald aufgewachsen und lebt noch heute in der Nähe des militärischen Sperrgebiets, das etwa die Größe von 320 Fußballfeldern hat. Jahrzehntelang war dort das größte unterirdische Tanklager der Welt. „Damals wohnten wird nur 150 Meter vom Grenzzaun entfernt, haben aber nie darüber geredet“, sagt die 54-jährige Nordbremerin. "Dabei roch es nach Treibstoffen – vor allem auf dem Weg zur Schule. Und ich hatte deshalb oft starke Kopfschmerzen.“
Seit 2012 kämpft Heidrun Pörtner mit Gleichgesinnten für den Rückbau des Tanklagers und die Sanierung des verseuchten Grundwassers. Anfangs in einer Bürgerinitiative, heute in einem Verein. Im Fokus steht inzwischen eine etwa 1000 Meter lange Schadstofffahne, die sich vom Tor des Tanklagers gen Süden Richtung Weser erstreckt. Pörtner: „An den Hotspots schwimmt bis zu einem Meter reiner Treibstoff auf dem Grundwasser.“
Die massive Verunreinigung des Bodens wurde 2007 zufällig entdeckt, als ein zusätzlicher Löschbrunnen für den Fall einer Störung angelegt werden sollte. Drei Jahre später, im Mai 2009, sprach das Bremer Umweltressort eine Warnung an die Bewohner von 13 Straßen in Farge aus. Selbst gefördertes Wasser aus Gartenbrunnen solle nicht verwendet werden, da es unter anderem mit BTEX kontaminiert sei, also mit Giftstoffen wie Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol, die aus dem Tanklager im Wifo-Wald stammten. „Den Brief haben viele Leute nicht ernst genommen oder gar nicht erst gelesen“ weiß Pörtner. Viele hätten das Brunnenwasser weiterhin für die Bewässerung oder Befüllung von Planschbecken genutzt.
Bereits als Kind in belastetem Grundwasser gebadet
Als Kind habe ich selbst bei Nachbarn mehrfach in einem Planschbecken gebadet, das vermutlich schon mit belastetem Grundwasser befüllt war“, sagt Pörtner und streicht sich über die Haut. Bei dem Gedanken, selbst in verseuchtem Brunnenwasser gebadet zu haben, ist Heidrun Pörtner heute noch mulmig. Man wisse ja nicht, ob man vielleicht deshalb krank wird. Bereits in den 50er-Jahren habe sich beim Ortsamt Blumenthal ein Landwirt gemeldet, der seinen Hof in der Nähe des Verladebahnhofs I hatte, erzählt Heidrun Pörtner. „Der Bauer war überzeugt, dass sein Grundwasser verseucht war.“ Das Gesundheitsamt Bremen habe seinerzeit „offiziell“ nur nach Bakterien gesucht. Später habe der Landwirt eine eigene Wasserleitung bis zum Hof bekommen.
Anlass für die Gründung der Tanklager-Initiative vor rund sieben Jahren war der damalige Plan eines Privatunternehmens, das Wifo-Gelände von der Bundeswehr zu übernehmen. „Wir haben einem privaten Betreiber nicht über den Weg getraut, weil er bei einer Geschäftsaufgabe niemals das Geld gehabt hätte, den Rückbau zu finanzieren“, erklärt Pörtner und betont: „Ich bin stolz, dass wir durchgehalten haben und 2013 die Stilllegung des Tanklagers beschlossen wurde. Den geplanten Rückbau verbuchen wir auf unserer Seite.“
Dieser Rückbau ist eine Mammutaufgabe. Zwischen 1935 und 1945 wurde das 316 Hektar große Areal offiziell von der „Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft“ (Wifo) genutzt. Dahinter verbarg sich eine perfekt organisierte Organisation der Nationalsozialisten, die auf dem Gelände im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs logistische Vorkehrungen traf. Auf dem einstigen Naherholungsgebiet mit Heidelandschaft und Seen errichteten sie ein gigantisches, unterirdisches Tanklager.
„Der Sandboden war ideal für das Vorhaben. Die Nazis verbargen hier 16 riesige Behälterblöcke mit 78 Tanks, die jeweils 4000 Kubikmeter fassen konnten“, so Pörtner. Insgesamt also 312.000 Kubikmeter, die 10.000 Tanklastwagen füllen würden. „Und hinterher haben sie das Gelände zur Tarnung bepflanzt“, sagt die Vereinsvorsitzende. Keiner habe geahnt, was die Nazis dort getrieben haben.
„Die Mühlen mahlen zu langsam beim Umweltamt“
"An oberster Stelle der Vereins-Agenda stehe jetzt die Sanierung und Dekontaminierung der Schadstofffahne“, betont Heidrun Pörtner. „Die Mühlen mahlen zu langsam beim Umweltamt“, klagt sie, bleibt aber trotzdem optimistisch. „Panikmache bringt uns nicht weiter. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Schadstofffahne so schnell wie möglich gesichert wird.“ Mit einer sogenannten hydraulischen Sicherungsanlage am Ende der Fahnenspitze könnte das verseuchte Wasser aus dem Boden gezogen, gereinigt und wieder in den Boden zurückgeleitet werden. Pörtner: „Die Pumpen müssten laut Experten pausenlos, jahrelang laufen“.
Womöglich kann die Schadstofffahne aber gar nicht saniert, sondern allenfalls entschärft werden. So jedenfalls lautet das Urteil des Sachverständigen Rainald Brede von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). In ferner Zukunft könnte es schlimmstenfalls sogar zur Option werden, die Förderung an Bremens leistungsstärkstem Trinkwasserbrunnen 16 in Blumenthal abermals zu reduzieren, damit die Schadstofffahne durch den Sog nicht weiter in diese Richtung umgelenkt wird.
Betroffen wären davon gegebenenfalls auch Stadtbremer, die teilweise mit dem Wasser beliefert werden. Bereits jetzt wird nur die Hälfte der genehmigten Fördermenge, 750.000 von 1.500.000 Kubikmeter pro Jahr ausgeschöpft. Heidrun Pörtner glaubt hingegen dessen ungeachtet fest an die Lösung des Problems. „Die Sanierung der Schadstoffquelle auf dem Tanklagergelände wird eine Großbaustelle, der Bund muss das bezahlen, sonst versündigen wir uns an der kommenden Generation.“