Blumenthal. Als die Bilder aus Italien durch die Medien gingen, erinnert sich Petra Ansorge, „kam der Respekt“. Zwei Jahre ist es her, dass mit der gerade begonnenen Corona-Pandemie die Schreckens-Szenen aus Bergamo auf den Bildschirmen zu sehen waren: Krankenwagen im Dauereinsatz, Militärlaster, die Corona-Tote abtransportieren. Als Petra Ansorge diese Bilder vor Augen kamen, hatte die gelernte Krankenschwester gerade ihren Dienst auf der neu geschaffenen Covid-Station im Klinikum Bremen-Nord aufgenommen.
Eigentlich war es eine neue Station, die gerade eingerichtet worden war und auf der Petra Ansorge Dienst hatte. Im März 2020 wurde diese Station zur Covid-Station, erzählt die Blumenthalerin. Bis heute arbeitet sie dort. „Ich mache diese Arbeit gern“, betont die Krankenschwester. Ob ihr nicht mulmig zumute gewesen sei bei der Vorstellung, in direkter Nähe zu hoch ansteckenden Patienten arbeiten zu müssen? Welch Frage. „Damit hatte ich nie ein Problem. Wir arbeiten in der Krankenpflege, da gehört es dazu.“ Allerdings – mit den Bildern aus Italien habe sie schon ein bisschen Respekt empfunden bei dem, was möglicherweise auch auf ihre Station zukommen könnte. Damals, am Anfang der Pandemie, konnte niemand den Verlauf vorhersehen.

Petra Ansorge
Aber der Respekt, erinnert sich die 59-Jährige auch, sei ganz schnell einem anderen Gefühl gewichen: der Freude darüber, „wie toll die Zusammenarbeit im ganzen Haus“ angesichts der neuen Herausforderung gewesen sei. Davon hatte Petra Ansorge auch beim Silvestergottesdienst in der Vegesacker Stadtkirche berichtet. Pastor Volker Keller hatte sie und ihre Kollegin Marion Hanke, die im Klinikum Bremen-Nord die Intensivstation leitet, als „Mitmenschen des Jahres“ gewürdigt – stellvertretend für alle Mitarbeitenden des Krankenhauses. „Das hat uns sehr gefreut“, sagt die Krankenschwester, die seit 1990 in dem Blumenthaler Klinikum arbeitet.
Dass sie diesen Beruf ergreifen würde, sei ziemlich klar gewesen, blickt Petra Ansorge zurück. „Schon meine Mutter wollte Säuglingsschwester werden.“ Mit 17 Jahren begann die aus dem Ruhrgebiet stammende junge Frau in einem Krankenhaus in Herten ihre dreijährige Ausbildung. Als sie während eines Türkei-Urlaubs ihren späteren Ehemann kennenlernte, kam es ihr zugute, dass sich der Beruf überall ausüben lässt. Petra Ansorge zog von Nordrhein-Westfalen nach Bremen. Und blieb, auch als die Ehe nicht hielt. Seit 21 Jahren hat sie einen neuen Mann an ihrer Seite, einen Kollegen, mit dem sie sehr glücklich sei, erzählt sie. „Das ist mein Halt.“
Die große Familie – fünf Kinder und sieben Enkelkinder – genieße sie ebenso wie die Radreisen, die sie und ihr Partner unternehmen. Mosel, Donau, Rhein, Main, das Ijsselmeer, die mecklenburgische Seenplatte, die Elbe – all das haben die beiden schon vom Fahrradsattel aus erkundet. „Wir reisen sehr gern, auch in die Ferne“, sagt Petra Ansorge und schiebt ein „eigentlich“ hinterher, denn Corona hat solche Reisepläne erst einmal durchkreuzt. „Aber wir haben schon viel gesehen von der Welt.“ Abstand vom Arbeitsleben kann Petra Ansorge auch zu Hause gewinnen. Lange Spaziergänge seien für sie ein wichtiger Ausgleich. Auch Lesen. Am liebsten Biographien und Psychothriller. „Und ich gehe mit meinem Partner gern shoppen“, erzählt sie. Dann hält Petra Ansorge Ausschau nach Dingen, mit denen sie die Wohnung gestalten kann.
Bei aller Freude am Beruf – er ist auch anstrengend und braucht solche Erholungsphasen. Wenn Petra Ansorge „eine Schicht in Vollmontur“ hinter sich hat, sei sie „schweißgebadet“. Hinzu komme, dass Personal wegen der Belastung gegangen sei und neues Personal eingearbeitet werden muss. Schwierig sei gelegentlich auch die Verständigung mit Patienten, die die deutsche Sprache nicht verstehen. „Und dass Patienten uns hinter der Schutzmontur nicht erkennen können“, hinterlasse einen Stich. Schlimm sei dies besonders für Menschen mit Demenz und für Migranten. Aber trotzdem: „Ich liebe meinen Beruf“, sagt Petra Ansorge. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Es gibt nichts Schöneres als wenn sich die Patienten freuen, dass man ins Zimmer kommt.“

Die Beschäftigten im Klinikum Bremen-Nord werden gegen das Coronavirus geimpft: Die erste Impfung hat Petra Ansorge am Donnerstag 14. Januar 2021 bekommen. Sie gehört zum Pflegeteam der Covid-Station.
Gleichwohl – der Job, den Petra Ansorge macht, ist zuweilen schwer auszuhalten. „Dass wir im vergangenen Herbst viele junge Menschen auf der Station hatten, denen es sehr schlecht ging“, erinnert sich die Krankenschwester, „und dass sich der Zustand der Patienten von einer auf die andere Minute extrem verändern konnte. Das auszuhalten war schlimm.“ Besonders belastend sei es, wenn den Patienten nicht mehr geholfen werden kann. „Und wenn gesunde junge Menschen ohne Nebenerkrankung sterben müssen.“ Die Infizierten dann in Leichensäcke zu verpacken, sei für sie eine sehr schwierige Situation, berichtet die Krankenschwester. Auch deshalb hat Petra Ansorge zur Impfung eine klare Haltung: „Ich kann jedem nur eindringlich dazu raten.“