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"Gärten des Grauens" Immer mehr Schottergärten im Bremer Norden

Auch in Bremen-Nord gibt es offenbar weiterhin den Trend, Grundstücke mit Schotter zu versiegeln. Obwohl es in Bremen seit 2019 ein Ortsgesetz gibt, das die Neuanlage als Ordnungswidrigkeiten einstuft.
03.09.2021, 07:00 Uhr
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Von Klaus Grunewald

Kies und Steine statt Rasen und Blumen, oft noch abgeschirmt durch mannshohe Plastikzäune: Schottergärten haben offenbar auch im Norden der Hansestadt Konjunktur. Obwohl es im kleinsten Bundesland seit Mai 2019 ein Ortsgesetz gibt, das derartige Versiegelungen als Ordnungswidrigkeiten einstuft, die mit Geldstrafen geahndet werden können. In Rönnebeck zum Beispiel, so ein Leser dieser Zeitung, habe die „Verunstaltung“ von Grundstücken unübersehbar zugenommen.

In Zeiten des Klimawandels und Insektensterbens sei die menschengemachte Verödung der Vorgärten schon erstaunlich, heißt es in einer Verlautbarung des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aus dem Jahre 2019. Geändert hat sich an dieser Entwicklung trotz immer wieder geäußerter Kritik auch in Bremen-Nord aber offenbar nichts. Den Blumenthaler, der seit 40 Jahren in Rönnebeck lebt, treibt die Flächenversiegelung in den Gärten nach eigenen Worten jedenfalls um. Wo man hinsehe, sehe man Steine, zusätzlich dekoriert mit hässlichen Plastikzäunen, ärgert er sich.

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Umweltschützer sprechen denn auch von einer Unart, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt in Deutschland ausgebreitet habe. Statt Stauden, Gehölzen und Grasflächen finde man immer mehr Vorgärten, die einer Steinwüste ähnelten und sich in „Gärten des Grauens“ verwandelt hätten. Die zudem eine ausgesprochen schlechte Klimabilanz vorweisen, denn sie müssen mit hohem Energieaufwand hergestellt werden. Der Abbau und das Zermahlen von Steinen, so der BUND, seien energieintensiv. Schottergärten vernichten oder beeinträchtigen zudem das natürliche Bodengefüge, Folien oder Beton als Untergrund verhinderten das Versickern des Oberflächenwassers ins Grundwasser.

Wie andere Bundesländer versucht Bremen die Versiegelung der Gartengrundstücke durch Kies, Geröll oder Splitt per staatlicher Verordnung zu stoppen. Deshalb ist am 23. Mai 2019 das Begrünungsortsgesetz in Kraft getreten. In Paragraph 3 (Begrünung von Grundstücksflächen) heißt es: „Grundstücksflächen, die nicht für bauliche Anlagen genutzt werden, sind zu begrünen oder zu bepflanzen, soweit dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen."

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Wie Jens Tittman, Pressesprecher im Senatsressort für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, erläutert, könnten Verstöße gegen dieses Ortsgesetz mit Geldbußen geahndet werden. Im Durchschnitt mit einer dreistelligen Summe, im Extremfall bis zu 500.000 Euro. Grundstückseigentümer, die ihre Schottergärten vor Inkrafttreten des Ortsgesetzes angelegt haben, müssen freilich keine Geldstrafe befürchten. Ihre Anlagen genießen Bestandsschutz.

Für alle neuen „Gärten des Grauens“ gilt das nicht. Sie könnten der Umweltbehörde, dem Ordnungsamt oder der Polizei jederzeit gemeldet werden, sagt Tittmann. Um dagegen vorzugehen, sei man ein Stück weit auf die Bürgerinnen und Bürger vor Ort oder die Beiräte angewiesen. Die Polizei könne schließlich beim Streifendienst nicht jeden Vorgarten kontrollieren.

Nicht geregelt im Bremer Begrünungsortsgesetz wird die Frage, ob ein Hausbesitzer sein Grundstück mit einer Plastikwand umzäunen darf. Tittmann verweist auf die Bremische Landesbauordnung. In der heißt es im Paragraphen 61 schlicht, dass Mauern und Einfriedigungen bis zu einer Höhe von zwei Metern zulässig sind. Vorgaben zum Material werden nicht gemacht. Im Einzelfall, so Tittmann könne nach dem Gebot der Rücksichtnahme eine geringere Höhe einzuhalten sein. Im Übrigen gebe es in Bremen kein Nachbarrechtsgesetz. Das führe dazu, dass sich Nachbarn in vielen Dingen schlicht verständigen müssten. Und wenn nur ein Nachbar einen Zaun wünsche, müsse er den auf eigene Kosten auf seinem Grundstück errichten.

Vor Tausenden von Jahren, heißt es in einem Bericht des BUND über Schottergärten, hätten Menschen Äcker von Steinen befreit, um die Felder fruchtbar zu machen und sie mit den Steinen einzugrenzen. Jetzt sorge eine neuer und naturfeindlicher  Gartentrend dafür, dass Schotter und Kies in die Vorgärten gekippt würden. Und wenn sich dann nach einigen Jahren  doch Pflanzen einen Weg nach oben bahnten, bekämpfe man sie mit umweltfeindlichen Herbiziden.

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