Eyfer Tunc ist eine Streetworkerin, die – auch wenn das unlogisch klingt – nicht mehr auf der Straße arbeitet. Notgedrungen. Weil die Gehälter für sie und ihre beiden Kollegen gestiegen sind, aber die Behörde den Etat nicht aufgestockt hat, muss Tunc ihre Stunden reduzieren: von 39 auf 27. Was nur noch für ihre festen Projekte reicht. Dabei gibt es für das Team immer mehr zu tun. Und hofft dessen Träger seit Langem, aus dem Trio endlich ein Quartett machen zu können.
Dass sie nicht mehr so arbeiten kann wie bisher, weiß Tunc seit Ende November. Heinz Dargel hat es ihr gesagt. Der Chef der Nordbremer Caritas, die das Team koordiniert und verwaltet, hat auch mit ihren Kollegen gesprochen. Rein theoretisch hätte das Minus von zwölf Stunden auch auf alle Streetworker gleichermaßen verteilt werden können. Tunc sagt, dass sie das aber nicht wollte, weil es bedeutet hätte, dass niemand mehr so wie sonst arbeiten könnte. Jetzt trifft es eben ausschließlich eine Einzige aus dem Team Nord: sie.
Die 32-jährige Sozialarbeiterin ist noch nicht so lange in der Streetworker-Gruppe wie die anderen. Sie kam, als Tanja Engelke ging. Vor einem Jahr war das. Ihre Stelle ist nicht irgendeine Stelle. Wie ihre Vorgängerin ist Tunc die einzige Frau im Team – und deshalb auch die einzige Kraft, die speziell mit Mädchen und jungen Frauen arbeiten kann. Was ihr zwangsweise reduziertes Stundenkontingent unterm Strich noch problematischer macht. Das meint nicht nur Tunc, das sagen auch Pavel Fedorenko und Celal Sarioglu, ihre beiden Kollegen.
Sie hat es durchgerechnet: Die Angebote, die Tunc an festen Tagen und festen Orten macht, schafft sie mit ihrem Zeitkontingent gerade noch. Alles andere dagegen nicht mehr. Die Streetworkerin spricht von der aufsuchenden Jugendarbeit, die bei ihr jetzt praktisch wegfällt. Von Anrufen junger Frauen und Mädchen, die sie nun – wenn es die Fälle denn zulassen – an Fedorenko und Sarioglu weiterleiten muss. Von spontanen Hilfen, die seit Jahren wieder häufiger vorkommen, aber mittlerweile nicht mehr drin sind. Jedenfalls nicht für sie.
Ihr zufolge hat die Corona-Pandemie die Lage vieler Jugendlicher in den Quartieren so erschwert, dass bei manchen das Interesse an Gesprächen inzwischen umso größer ist. Und spezieller. Aus der Arbeit mit Gruppen, meint sie, ist vielfach Arbeit mit Einzelnen geworden. Was wiederum das Einsatzpensum der Streetworker erhöht hat. Auch darum, sagt Tunc, hoffen Caritas und das Nordbremer Sozialarbeiterteam schon länger auf eine zusätzliche Kraft. Wie lange, kann sie gar nicht so genau sagen. Jedoch länger, als sie zu ihm gehört.
Bernd Schneider weiß, dass der Bedarf groß ist und dass er zuletzt immer größer wurde. Darum, sagt der Sprecher von Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD), sind die Haushaltsansätze in den vergangenen Jahren auch immer höher ausgefallen als die vorherigen. Nur jetzt, meint er, geht das nicht mehr. Nun müssen die Träger in 2024 mit dem gleichen Betrag auskommen, den sie 2023 bekommen haben. Auch wenn die Haushaltsverhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, steht ihm zufolge eines inzwischen fest: Eine weitere Aufstockung ist nicht vorgesehen.
Soziale Träger fordern sie trotzdem. Genauso wie Stadtteilpolitiker. Zum Beispiel in Blumenthal. Die Beiratsfraktionen sprachen sich im Januar dafür aus, die Behörde aufzufordern, den Etat für die Streetworker so anzupassen, dass keine Stunden und damit auch keine Projekte in der Jugendarbeit wegfallen. Sie hoffen nun, dass auch andere Parteien anderer Stadtteilparlamente die Sache genauso sehen wie sie. Und dass damit der Druck auf die Entscheider zunimmt, ihre bisherige Haltung noch einmal zu überdenken.
Tunc würde sich darüber freuen. Sie sagt, lieber Vollzeit-Streetworkerin zu sein als eine Sozialarbeiterin, die inzwischen mehrere Aufgaben hat, um auf 39 Stunden die Woche zu kommen. In der Zeit, die sie jetzt nicht mehr fürs Team Nord in Blumenthal, Vegesack und Burglesum unterwegs ist, kümmert sie sich um wohnungslose Jugendliche. Auch dieses Projekt ist ein Caritas-Projekt. Aber eben keines, auf das Tunc spezialisiert ist: die Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen.