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Aufsuchende Jugendarbeit Frau Tunc macht Mädchen stark

Wie Straßensozialarbeiterin Eyfer Tunc vom Streetworker-Team Nord der Caritas Mädchen Selbstbewusstsein vermittelt und warum es in ihrer Arbeit viel um Motivation geht.
16.09.2023, 08:00 Uhr
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Frau Tunc macht Mädchen stark
Von Julia Assmann

Sie versucht ein Vorbild zu sein, sagt Eyfer Tunc. Die 32-Jährige gehört seit Anfang des Jahres zum dreiköpfigen Streetworker-Team Nord der Caritas. Das Trio kümmert sich in ganz Bremen-Nord um Jugendliche. Tunc ist insbesondere für Mädchen und junge Frauen Ansprechpartnerin. Nicht nur, aber vor allem ihnen, möchte sie Selbstbewusstsein vermitteln und Mut machen, die eigenen Wünsche zu verwirklichen. "Es ist ganz wichtig, dass Mädchen Selbstbestimmung lernen", sagt die gelernte Erzieherin, die zuletzt dreieinhalb Jahre lang eine Kita in Lüssum geleitet hat. Ihre eigene Geschichte, glaubt Tunc, kann junge Mädchen, aber auch Jungen darin bestärken, ihre eigenen Ziele zu verfolgen und den eigenen Weg zu gehen.

Eyfer Tunc engagiert sich in der Politik, ist für die CDU Mitglied im Beirat Vegesack und in der Sportdeputation der Bremischen Bürgerschaft. Zuvor gehörte sie als SPD-Mitglied dem Beirat an, war ebenfalls Deputierte und von Februar bis Juni 2019 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. Die Streetworkerin hat wie ihre Kollegen häufig mit Jugendlichen zu tun, die aus sogenannten Problemvierteln kommen. Die Grohnerin weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, in einem sozialen Brennpunkt zu leben. Sie hat lange in der Grohner Düne gewohnt.

Ich glaube, meine Geschichte motiviert die Jugendlichen.
Eyfer Tunc

"Ich habe einigen Mädchen von mir erzählt. Wo ich gelebt habe und dass ich in der Politik bin. Danach haben sie mich wochenlang ausgefragt. Sie wollten wissen, wie ich das geschafft habe und wie die politische Arbeit ist", erzählt sie. "Ich glaube, das motiviert sie." Motivation – das ist etwas, was die Streetworker hauptsächlich machen. Sie motivieren die Jugendlichen, an Projekten und Sportgruppen teilzunehmen, sich in Sporthallen oder Freizeitheimen statt auf der Straße zu treffen.

Denn Ziel der aufsuchenden Arbeit ist es, Jugendliche und ihre Cliquen in bestehende institutionelle Angebote zu integrieren. Um das zu erreichen, ist Eyfer Tunc wie ihre Kollegen Pavel Fedorenko und Celal Sarioglu viel in den Stadtteilen unterwegs. Häufig bekommen sie Anrufe von Kollegen, die ebenfalls mit Jugendlichen arbeiten, manchmal informiert sie das Ordnungsamt. "Wir bekommen zum Beispiel Hinweise, wenn Alkoholflaschen hinterlassen werden", erläutert Tunc.

Manchmal besuchen die Streetworker aber auch ohne Anlass Orte, an denen sich Jugendliche regelmäßig aufhalten: zum Beispiel auf Spielplätzen, auf Kita- und Schulgeländen oder in Parks. Und sie sind viel in den Nordbremer Quartieren unterwegs, die als soziale Problemgebiete gelten: Grohner Düne, Lüssumer Heide, George-Albrecht-Straße und Alwin-Lonke-Quartier.

Weil wir neutral sind, entsteht schneller Vertrauen.
Eyfer Tunc

"Ich komme erst einmal mit den Jugendlichen ins Gespräch, versuche Zugang zu ihnen zu bekommen und lasse sie von sich erzählen", beschreibt Tunc, die auch kurdisch spricht, den ersten Kontakt. Ein Vorteil sei, dass die Streetworker neutral sind, weder vom Amt, der Polizei oder der Jugendhilfe kommen. "Dadurch entsteht schneller Vertrauen." Tunc, die bereits vor ihrer Arbeit als Kita-Leiterin im Awo-Jugendcafè Hafen Höft in der Jugendarbeit tätig war, mag den Kontakt zu den Jugendlichen vor allem, weil er so vielfältig ist. "Wir machen Einzelbetreuungen, Gruppenarbeit und manchmal begleiten wir auch schwierige Einzelfälle", zählt sie auf.

Die Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen unterscheide sich vor allem in einem Punkt von der mit Jungen, sagt Tunc. "Ich spreche sehr oft erst einmal mit den Eltern." Insbesondere in Familien mit Migrationshintergrund sei das eine wichtige Voraussetzung, um Vertrauen und die Voraussetzung zu schaffen, dass die Tochter an Angeboten der Streetworker teilnehmen darf. Für Mädchen bietet die Streetworkerin beispielsweise einmal wöchentlich eine Kochgruppe in einer Wohnung der Caritas in Hünertshagen an. "Ich hole die Mädchen aus Grohn ab und dann fahren wir gemeinsam dorthin." Sie ermutigt sie aber auch, sich in diversen Sportarten auszuprobieren, Fußball zu spielen, beim Box- oder Ringtraining mitzumachen – und dadurch ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

Die Probleme der Mädchen und jungen Frauen seien häufig andere als die der Jungen. "Jungen haben oft Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Zum Beispiel, weil sie eine Adresse in einem sozialen Brennpunkt haben. Die Mädchen muss ich oft motivieren, überhaupt ihre Schule zu beenden und eine Ausbildung in Erwägung zu ziehen. Denn in vielen Familien, mit denen wir zu tun haben, ist es üblich, dass die Mädchen früh heiraten und einfach zu Hause bleiben", schildert Tunc.

Auch die Mädchen sind viel aggressiver geworden.
Eyfer Tunc

Eines habe in den vergangenen Jahren indes unter Mädchen und Jungen gleichermaßen zugenommen, weiß die Streetworkerin: die Aggressivität. Auch die Mädchen seien viel aggressiver geworden. "Es gibt Schlägereien, teilweise ohne Grund, die mit dem Handy gefilmt werden. Oftmals geht es dabei in erster Linie darum, Aufmerksamkeit zu bekommen." Auf solche Vorfälle reagieren die Streetworker mit Sanktionen. "Wir bieten in den Sommerferien ein Programm mit Ausflügen, beispielsweise in den Heidepark. Wenn wir von solchen Dingen erfahren, darf der- oder diejenige nicht mitkommen. Ich habe den Eindruck, das wirkt", sagt Tunc.

Allerdings gibt es auch Jugendliche, die das Streetworker-Team nicht erreicht. "Momentan trifft sich eine Gruppe hinter einem Café am Helsingborger Platz in Marßel. Drogen und Alkohol spielen dort eine große Rolle. Wir machen ihnen Angebote und versuchen, sie mitzunehmen – derzeit ohne Erfolg. Mehr als sie ansprechen, können wir nicht."

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Zur Sache

Projekte der Streetworker

Das Streetworker-Team Nord der Caritas bietet diverse Projekte für Jugendliche an. Denn Ziel der aufsuchenden Arbeit ist, dass Jugendliche sich statt auf der Straße in Sporthallen oder Freizeitheimen treffen. Alle Angebote richten sich an Jugendliche im Alter von zwölf bis 21 Jahren. Die Teilnahme ist kostenlos.

Anfängerschwimmen: Das Schwimmangebot richtet sich an Mädchen und Jungen. Sie können in einer kleinen Gruppe mit maximal acht Personen im Freizeitbad Vegesack (Fährgrund 16-18) schwimmen lernen. Die Schwimmgruppe trifft sich mittwochs um 16.30 Uhr im Freizeitbad Vegesack.

Ringen: Ringen können Mädchen und Jungen montags um 18 Uhr sowie mittwochs um 16 Uhr in der Halle der Freien Turner Blumenthal (Heidbleek 10).

Muay Thai Boxen: Muay Thai entwickelte sich aus den traditionellen Kampfkünsten Thailands und ist der Nationalsport des Landes. Die Sportler benutzen Beine, Fäuste und Ellbogen zum Kämpfen. Die Trainingsstunden beinhalten auch Yoga-Anteile und Konditionstraining. Das Sportangebot gibt es in Marßel (Schulsporthalle Helsinkistraße: mittwochs um 20 Uhr und donnerstags um 16 Uhr, jeweils für Mädchen und Jungen) sowie in Lüssum (Freizi Lüssum, Turnerstraße 278, dienstags um 17 Uhr für Mädchen und dienstags um 18.30 Uhr für Jungen).

Boxen und Krafttraining: Das Angebot richtet sich an Mädchen und Jungen. Es findet dienstags und donnerstags, jeweils um 18 Uhr in der Sporthalle am Kinder- und Familienzentrum in der Lüssumer Heide 50 statt.

Fußball für Mädchen: Nachdem die Nachfrage nach einem entsprechenden Angebot in den Ferien sehr groß war, soll Fußball für Mädchen jetzt dauerhaft in Lüssum angeboten werden. Derzeit ist das Projekt noch in Planung. Weitere Informationen geben die Streetworker.

Info

Erreichbar sind die Streetworker vom Caritas-Team Nord unter folgenden Telefonnummern: Eyfer Tunc unter 01 52 / 56 35 03 66, Celal Sarioglu unter 01 62 / 9 77 90 18 und Pavel Fedorenko unter 01 62 / 9 77 90 23.

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