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Amtsgericht Blumenthal Verhandlung wegen Volksverhetzung

Ein 49-jähriger Nordbremer stand vor Gericht wegen Volksverhetzung. Der Vorwurf: Er soll behauptet haben, Auschwitz sei nur eine Rüstungsfabrik gewesen. Warum er freigesprochen wurde.
12.02.2025, 17:00 Uhr
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Von Friedrich-Wilhelm Armbrust

Wegen Volksverhetzung hatte sich im Amtsgericht Blumenthal jetzt ein heute 49-jähriger Nordbremer zu verantworten. Die Staatsanwaltschaft legte ihm zur Last, Anfang Juni 2016 über soziale Medien wie Facebook unter anderem die Ansicht verbreitet zu haben, das Konzentrationslager Auschwitz sei lediglich eine Rüstungsfabrik gewesen. Der Staatsanwalt sah darin eine Bagatellisierung des Holocaust. Der Angeklagte wurde freigesprochen.

Der 49-Jährige sagte aus, er interessiere sich für Geschichte. Er wolle nicht abstreiten, dass es den Holocaust gegeben habe. Die verbreiteten übernommenen Texte habe er "nicht richtig durchgelesen". Außerdem habe er damals unter dem Einfluss von Kokain gehandelt.

Als Zeuge wurde unter anderem ein Polizeibeamter gehört, der bei der Wohnungsdurchsuchung des Nordbremers dabei gewesen war. Nach einer Belehrung sagte er aus, die Durchsuchung habe am Freitag, 15. Dezember 2023, früh morgens stattgefunden. Er und seine Kollegen hätten elektronische Geräte wie Mobiltelefon und Computer nach entsprechenden Beiträgen durchsucht. Dabei sei es zu einer "spontanen Äußerung" des Nordbremers gekommen. Er sagte uns, dass er "schon lange nicht mehr" auf Facebook sei. "Der Angeklagte war kooperativ."

Er habe jedoch kein Verständnis für die Durchsuchung gehabt. Der letzte gefundene Beitrag stammte dem Polizeibeamten zufolge aus dem Jahr 2021. "Die Timeline endete 2021." Verteidiger Oliver Kramhöft hakte beim Zeugen nach, ob es nur möglich gewesen sei, die entsprechenden Informationen zu bekommen, weil sein Mandant das Passwort genannt habe. Diese Frage bejahte der Polizist.

Staatsanwalt beantragt Geldstrafe

Für den Staatsanwalt stand der Vorwurf der Volksverhetzung fest. Er kaufte dem Angeklagten nicht ab, dass er eine Affinität zu Geschichte habe. Stattdessen habe er eine Affinität zur NS-Zeit, war sich der Anklagevertreter sicher. Ein bei der Durchsuchung gefundenes Eisernes Kreuz, Hakenkreuz und bestimmte Fotomontagen wiesen auf "einen klaren Bezug" zur Nazi-Zeit hin. "Ist das Ganze verjährt?", fragte der Staatsanwalt rhetorisch und verneinte die Frage selbst. "Das war jederzeit abrufbar. Der Schaden war da." Er beantragte eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu zwölf Euro, also 1440 Euro.

Eine andere Sicht hatte Verteidiger Oliver Kramhöft. Die Frage, ob von seinem Mandanten eine Gefahr ausgehe, sei "akademisch". "Er hatte doch nur 20 Follower. Das hatte keine Öffentlichkeit." Außerdem würden in den sozialen Medien Informationen nur "kurzfristig abgerufen und kommentiert". Auch sei Kokain mit im Spiel gewesen. "Er hat das nicht verstanden." Das sei bei einer Strafe zu berücksichtigen. Sein Mandant sei kein Nazi, der deren Taten gutheiße und verherrliche. "Es ist ihm unangenehm und er war geständig." Kramhöft plädierte für eine Verwarnung mit Strafvorbehalt.

Richter begründet Freispruch

Strafrichter Jens Florstedt entschied auf einen Freispruch. Der erfolge aus "rechtlichen Gründen", betonte er. "Das hat sich 2016 zugetragen. Das war der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die Beiträge sind strafrechtlich vor langer Zeit ins Internet gestellt worden." Die Verjährung beginne mit dem Zeitpunkt des "Likens" und Kommentierens. Auch in den Pressegesetzen der Bundesländer beginne die Verjährung mit der Veröffentlichung oder Verbreitung oder mit einer Neuauflage. Entsprechendes müsse im Internet gelten. "Im Mai 2021 war das verjährt, weil der Like auf der Zeitleiste nicht aktualisiert wurde." Wegen des Prozesshindernisses der Verjährung gebe es auch keine Möglichkeit, den Angeklagten zu verwarnen.

Beim Angeklagten lagen 24 Eintragungen, vorwiegend Diebstahl, im Bundeszentralregister vor. Die Staatsanwaltschaft hat die Möglichkeit, innerhalb einer Woche gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

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Belehrung von Zeugen

Bevor in einem Prozess Zeugen gehört werden, belehrt sie der Richter nach der Strafprozessordnung. Sie werden zur Wahrheit ermahnt und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt. Auch auf die Möglichkeit der Vereidigung werden sie hingewiesen sowie auf die Konsequenzen einer falschen uneidlichen Aussage. Wer als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

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