Heike Binne ist Quartiersmanagerin in Lüssum-Bockhorn. Das Wohngebiet gibt als sozial benachteiligt. Deshalb erhält es seit Langem Fördergelder aus dem städtischen Programm „Wohnen in Nachbarschaften“ (Win). Im laufenden Jahr sind es 150 000 Euro an Projektmitteln, die nach Lüssum fließen. Ob sie das Geld auch 2020 bekommt, weiß Heike Binne nicht. „Wir haben noch keine Signale aus den zuständigen Ressorts bekommen. Das ist alles eine ziemliche Geheimpolitik.“
Lüssum-Bockhorn ist eines von vier Quartieren in Bremen-Nord, die Win-Fördermittel erhalten. Die anderen sind Grohn, Marßel und das alte Zentrum Blumenthal. Alle paar Jahre hat der Bremer Senat darüber zu entscheiden, ob das 1998 aufgelegte Programm fortgeführt wird, welche Gebiete gefördert werden und wie viel Geld sie bekommen. Die dritte sechsjährige Förderperiode lief 2016 aus, jetzt ist das Programm bis 2019 verlängert.
In diesem Jahr soll das Win-Programm neu bewertet werden. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die Entscheidung, wie es ab 2020 mit der Förderung weitergeht. Zuständig für das Win-Programm sind die Ressorts Bau und Soziales. „Es ist derzeit eine Evaluation in Arbeit. Ergebnisse liegen voraussichtlich im Sommer 2019 vor“, sagt Jens Tittmann. Zuletzt, so der Sprecher des Bauressorts, sei das Programm im Jahr 2013 evaluiert worden.
Die Redaktion DIE NORDDEUTSCHE wollte vom Sprecher des Bauressorts unter anderem wissen: Zeichnet sich im Zuge der Neubewertung des Win-Programms ab, dass die vier Nordbremer Gebiete weiterhin in der Förderung bleiben? Mit welchen Fördersummen können die genannten Quartiere rechnen? Sieht das Ressort Bedarf, weitere Quartiere in Bremen-Nord in die Förderung aufzunehmen und welche? Wie stehen die Chancen, dass das Alwin-Lonke-Quartier in Grambke zum Win-Gebiet wird? Dazu die Antwort von Jens Tittmann: „Zu all diesen Fragen kann ich nur eines sagen: Die Evaluation liegt noch nicht vor, weil die Auswertungen noch nicht abgeschlossen sind.“
Im Rahmen der Fortschreibung des Win-Programms bis 2019 profitieren 14 Ortsteile in Bremen von Fördergeldern. Für sie stehen im laufenden Jahr insgesamt 1,75 Millionen Euro bereit. Lüssum-Bockhorn als so genanntes 100-Prozent-Gebiet erhält aus dem Topf 150 000 Euro. Grohn ist ein 50-Prozent-Gebiet und kann 75 000 Euro im Jahr für Projekte ausgeben. Marßel ist als sogenanntes „Verstetigungsgebiet“ eingestuft und erhält 20 000 Euro. Eine „flankierende Förderung“ in gleicher Höhe erhält das alte Zentrum Blumenthal.
Lüssum-Bockhorn ist eines der ältesten Win-Gebiete in Bremen. Die erste Fördergelder flossen 1999 zunächst nach Lüssum, 2005 wurde das Fördergebiet auf den gesamten Ortsteil Lüssum-Bockhorn ausgeweitet. In den vergangenen 20 Jahren wurden mit Win-Gelderrn insgesamt 383 soziokulturelle Projekte gefördert. Viele Menschen, die hier leben, sind auf staatliche Hilfe angewiesen. Der Anteil an Flüchtlingen ist hoch. Mit den Win-Geldern arbeiten sie hier laut Quartiersmanagerin Heike Binne „an den Armutsfolgen und an der Erstintegration der vielen neuen Nachbarn“.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Hilfe für Flüchtlings- und Zuwandererfamilien, die laut Binne nach wie vor verstärkt ins Quartier ziehen. Ein Alphabetisierungskursus, Theaterprojekte für Kinder und Frauen werden mit Fördermitteln finanziert. Eine Psychologin bietet Erziehungsberatungen für türkische aber auch andere Familien an. In Lüssum gibt es einen Streetworker. Das Projekt des Caritasverbandes Bremen-Nord wird mit Win-Mitteln in Höhe von rund 21 600 Euro unterstützt. Binne spricht von einem „wichtigen Schlüsselprojekt“ für die vielen Kinder und Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien, die in den vergangenen Jahren nach Blumenthal kamen. Zu den von Anfang an geförderten Projekten zählt laut Binne das „Schlichten in Nachbarschaften“ vom Verein Täter-Opfer-Ausgleich, 14 000 Euro stehen dafür bereit.
Die jährlich 150 000 Euro für Projekte werden laut Binne in Lüssum-Bockhorn gebraucht. „Ich gehe davon aus, dass das Quartier auch weiterhin in dem Umfang gefördert wird. Weniger Geld wäre den Problemlagen hier vor Ort nicht angemessen. Eher müsste es mehr sein.“
Als Quartiersmanagerin hat Binne eine Vollzeitstelle. Anders sieht es in Marßel aus, das 1998 eines der ersten Win-Gebiete war. Seit 2005 sind die Programmmittel heruntergefahren worden, weil sich die Verhältnisse im Ortsteil verbessert haben. Einen Quartiersmanager gibt es nicht mehr, stattdessen wechselnde Quartierskoordinatoren. Zuletzt standen Ninja Kaupa, die zum 1. Oktober 2018 aufhörte, acht Stunden zur Verfügung.
Der neue Koordinator für Marßel heißt seit 3. April Frank Oetjen, ist 53 Jahre alt und arbeitet hauptamtlich bei der Wohnungsbaugesellschaft Brebau. Vier bis fünf Stunden in der Woche wird der gelernte Kaufmann für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft und studierte Ökonom in seiner Funktion als Quartierskoordinator Ansprechpartner für die Menschen in Marßel sein.
Dem Beirat Burglesum, wo sich der neue Mann vor kurz vorstellte, ist das viel zu wenig. Er fordert eine Aufwertung der Stelle. „Vier bis fünf Stunden ist die untere Grenze. Wir brauchen eine Stärkung von Marßel. Im Zuge der Evaluation der Win-Gebiete erwarten wir eine Neubewertung der Tätigkeit des Quartierskoordinators“, sagt Ortsamtsleiter Florian Boehlke.
Frank Oetjen ist das Quartier aus seiner langjährigen Berufstätigkeit für in Marßel aktive Wohnungsbaugesellschaften vertraut. Seit 2004 arbeitet er für die Brebau. Er ist dort als Teamleiter Soziales Management zuständig für Marßel. „Ich möchte die Menschen im Quartier zusammenführen, hören, welche Anliegen es vor Ort gibt und schauen, was wir gemeinsam erreichen können“, beschreibt er seine Aufgabe als Quartierskoordinator in Marßel. Ein Problem, das er als erstes angehen will: „die Verschmutzungen durch Müll und Hundekot im Quartier“.
Der Quartierskoordinator ist mittwochs von 15.30 bis 17.30 Uhr in seinem Büro im Nachbarschaftshaus an der Helsingborger Straße 36 persönlich und auch unter der Telefonnummer 04 21 / 6 36 06 51 für die Bürger erreichbar.