Borgfeld. Die Kinder- und Jugendfarm der Hans-Wendt-Stiftung steht finanziell offenbar mit "dem Rücken zur Wand". Grund sind die sinkenden Zuschüsse vonseiten der Stiftung, erklärte Leiterin Frederike Reinsch am Dienstag. Um die Farm mit ihren zahlreichen pädagogischen und sozialen Angeboten erhalten zu können, warb sie jüngst auch im Borgfelder Beirat um Unterstützung. Dessen Mitglieder reagierten prompt.
Im Eiltempo haben sie einem von FDP-Politiker und Anwalt Gernot Erik Burghardt ausgearbeiteten Antrag zugestimmt. Darin fordert der Beirat die Stadt geschlossen auf, sämtlichen Stadtteilfarmen langfristig finanziell so auszustatten, dass deren pädagogische Angebote länger als jeweils ein Jahr gesichert sind. Dafür solle in den kommenden Jahren zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.
Blick in den Koalitionsvertrag
Der Borgfelder Beirat denkt dabei insbesondere an die Kinder- und Jugendfarm der Hans-Wendt-Stiftung am Lehester Deich. Der Beirat wolle mit seinem Vorstoß ein Zeichen setzen, betont Burghardt. "Auch wenn es ein überregionales Thema ist: Wir bohren nach." Im aktuellen Koalitionsvertrag sei festgehalten, das die offene Kinder- und Jugendarbeit in Bremen neu ausgerichtet werden müsse. Dies sei eine Schlussfolgerung aus dem ersten Bremer Jugendbericht. Ziel müsse es sein, stadtweit ein "qualitativ gutes, vielseitiges und verlässliches Angebot der offenen Kinder- und Jugendarbeit" abzusichern und zu fördern. Dazu gehöre, die finanziellen Mittel aufzustocken, so Burghardt.
Von einer auskömmlichen, planbaren Finanzierung ist die Borgfelder Farm nach Angaben von Frederike Reinsch derzeit weit entfernt. Es fehle zum Beispiel Geld, um die Betriebskosten zu decken, aber auch, um genügend Personal einzustellen. Wie viel, kann sie nicht sagen. Doch das Problem werde immer drängender. Finanzierungslücken habe bislang immer die Hans-Wendt-Stiftung geschlossen, der Stiftung stehe dafür aber künftig deutlich weniger Geld zur Verfügung. Das bestätigt Vorstand Jörg Angerstein. "Der Stiftung stehen nicht mehr die Mittel zur Verfügung, die die Farm in ihrem Weiterbestehen unterstützen können." Für Frederike Reinsch heißt das: "Die Farm muss sich zeitnah selbst tragen und möglichst verlässliche Geldgeber finden."
Neben der offenen Kinder- und Jugendarbeit leistet die Borgfelder Jugendfarm auch außerschulische Bildungsarbeit mit Grund- und Oberschulen aus der Umgebung. Die Mitarbeiter vermitteln Klimaschutzwissen in Schulklassen und festen Nachmittagsgruppen, bei Veranstaltungen und Festen, und sie bieten tiergestützte Jugendhilfemaßnahmen an. "Vielen ist nicht klar, dass wir hier Jugendhilfe mit inklusiver Jugendarbeit verknüpfen, also Jugendliche mit deutlichem Förderbedarf in die offene Jugendarbeit integrieren", sagt Frederike Reinsch. Die Stadt finanziere seit Jahren nur eine halbe Personalstelle. Das sei zu wenig. "Wenn diese pädagogische Mitarbeiterin krank ist oder Urlaub hat, findet die offene Jugendarbeit nicht statt", weil es keine Vertretung gebe, zeigt Reinsch eine Konsequenz auf. Das sei besonders für Kinder und Jugendliche mit sozialen Schwierigkeiten tragisch. Kinder, die zum Beispiel sehr gehemmt seien und eine intensivere Betreuung benötigten als andere, müssten regelmäßig wieder nach Hause geschickt werden. "Verlässliche Bezugsarbeit ist so nicht möglich", kritisiert Reinsch.
Großer Bedarf nach Corona
Aus dem weit größeren Stadtteilbudget für offene Jugendarbeit, von dem in Bremen besonders Stadtteile mit sozial schwierigen Bedingungen profitieren, erhalte Borgfeld im Vergleich nur sehr wenige Mittel. "Die Borgfelder Kinder- und Jugendfarm bekommt davon bisher nichts ab." Sie müsse das Gros der Betriebskosten inklusive Tierfutter und Tierarztrechnungen selbst tragen, das Gelände und die Räume auf eigene Rechnung instand halten und dennoch die Teilnehmerzahl bei Angeboten begrenzen, die eigentlich allen Kindern offen stehen sollten. Wie groß deren Bedarfe seien, merke das Team besonders nach Corona.
"Von daher sind wir froh über den Antrag des Beirats, in dem die finanzielle Absicherung der Kinder- und Jugendfarm gefordert wird", sagt Reinsch. Die Farmleiterin wünscht sich eine weitere pädagogische Mitarbeiterin und eine Übernahme der Betriebskosten durch die Stadt. Das jedoch könnte schwierig werden, sagt der Sprecher des Sozialressorts, Bernd Schneider. Die Entscheidung darüber, ob die Jugendfarm mehr Geld bekomme, obliege dem Controllingausschuss auf Stadtteilebene. Möglichkeiten bieten aber auch die anstehenden Haushaltsberatungen der Bremischen Bürgerschaft für die Jahre 2024/2025. "Der Beirat müsste auf die Fraktionen zugehen", diese könnten zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Einfluss auf die Verteilung der städtischen Mittel nehmen, ehe die Bürgerschaft den Doppelhaushalt beschließe.