Trocknet die Lesum im nächsten Jahr aus? Diese Frage dürfte ein ungewöhnliches Vorhaben des Energielieferanten Wesernetz aufwerfen. Das Unternehmen will zwei riesige Erdgas-Kavernen am Brokkampweg in Burg stilllegen und mit Wasser aus dem rund zehn Kilometer langen Fluss füllen lassen. Fast 500 Millionen Liter müssen nach Informationen des Bremer Netzbetreibers in die 1250 und 1660 Meter tief in einen Salzstock getriebenen Speicher gepumpt werden, damit sie nach der Gas-Entleerung nicht zusammenbrechen.
Die Kavernen nahe der Lesum sind nach Auskunft von Wesernetz-Pressesprecher Christoph Brinkmann Ende der 1980er- beziehungsweise Anfang der 1990er-Jahre in den Salzstock eingelassen worden, der vor rund 250 Millionen Jahren entstand. Als sich die Erde langsam erwärmte, Meere verdunsteten und gigantische Salzschichten zurückließen. Die unterirdischen Erdgas-Kavernen in Burg sollten ebenso wie die benachbarten Erdölspeicher Engpässe bei der Energieversorgung in Deutschland überbrücken.
Die beiden Erdgas-Kavernen gehören zu den wenigen Lagerstätten für L-Gas (Low-Caloric-Gas) in der Bundesrepublik, dessen Quellen vor allem in den Niederlanden sowie im Nordwesten von Deutschland inzwischen aber versiegen. Es wird deshalb bekanntlich vom höherwertigen H-Gas (H-Caloric-Gas) abgelöst, das in erster Linie aus Russland und Norwegen stammt. Die erforderliche Umstellung der Gasgeräte, die unlängst in Burg-Grambke angelaufen ist, dürfte, wie berichtet, in Bremen-Nord Ende 2020 abgeschlossen sein. Und weil das H-Gas flächendeckend in der gesamten Bundesrepublik das L-Gas ablösen soll, würden auch die in den Lesumer Kavernen gebunkerten Vorräte in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt, erläutert Brinkmann.
Es werde jetzt nach und nach aus den Speichern im Salzstock zum Verbrauch ins Leitungsnetz strömen. Und für das H-Gas seien keine Lagerstätten mehr erforderlich, sagt der Wesernetz-Pressesprecher. Begründung: In dem riesigen europäischen Leitungsnetz sei stets genügend H-Gas vorhanden.
Hohlräume sollen nicht kollabieren
Die im Salzstock an der Lesum eingelagerten Vorratsbehälter beherbergen rund 90 Millionen Kubikmeter Gas. Eine Menge, die ausreiche, um 60.000 Haushalte ein Jahr lang zu versorgen, rechnet Christoph Brinkmann vor. Das Erdgas in den Kavernen werde mit einem Druck von 165 bar komprimiert. Zum Vergleich: Ein bar ist der Luftdruck auf der Erdoberfläche oder der Druck einer zehn Meter hohen Wassersäule. Das zusammengedrückte Erdgas in den beiden Kavernen verhindert also auch, dass sie zusammenfallen, Erde nachsackt und große Krater entstehen. Und wenn das L-Gas demnächst entwichen ist, soll Wasser aus der Lesum als Stabilisator wirken und dafür sorgen, dass die riesigen Hohlräume im Salzstock nicht kollabieren.
Die Lesum musste schon vor rund 40 Jahren helfen, die Kavernen anzulegen. Damals transportierten gewaltige Pumpen Flusswasser in den Salzstock. Es löste das Mineral auf und die Lake wurde in den kleinen Strom gepumpt. Allerdings so langsam, dass er nicht zum Toten Meer verkam. Auch bei der jetzt geplanten Befüllung der Kavernen mit Lesumwasser soll es laut Brinkmann betulich zugehen. So langsam und vorsichtig, dass man ein Absinken des Wasserspiegels der Lesum kaum wahrnehmen werde.
Gut 484.000 Kubikmeter Wasser sind nach Brinkmanns Worten in die beiden Burger Kavernen zu pumpen, um sie stabil zu halten. Das sei die Menge, die 240 Freibäder von der Größe des Blumenthaler Bades aufweisen. Und auch folgendes Beispiel verdeutlicht, um welche Ausmaße es sich bei der Höhle im Salzstock in den Lesumwiesen handelt: In den 1664 Meter tiefen Speicher würde der Bremer Dom, aufeinander gestapelt, fast 18 Mal hineinpassen.
Die Stilllegung der Kavernen und die „Abrüstung“ der gesamten Betriebsanlage sollen Anfang November beginnen. Dann müssen sich die Bewohner in der Umgebung des Brokkampweges auf Lärm durch Baufahrzeuge und Abbrucharbeiten einstellen. Darüber hinaus sind Leitungen zu legen und Pumpen zu installieren, die rund 500 Millionen Liter Wasser aus der Lesum in die riesigen Hohlräume des Salzstocks transportieren. Der Bremer Energielieferant und Netzbetreiber Wesernetz geht davon aus, dass die erste Kaverne Mitte des nächsten Jahres und die zweite Ende 2020 komplett befüllt sein wird.
Über den „Ausstieg aus der Gasspeicherung“ wollen Christoff Brinkmann und Netzmanager Michael Geisweiler auf dem nächsten „Bürgerschnack für Burg, Grambke, das Werderland und umzu“ berichten, der am Donnerstag, 24. Oktober, ab 19 Uhr im Seniorenwohnpark an der Lesum, Am Burgplatz 2, stattfindet.
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