Burglesum. Sie ist nur ein schmales Bächlein und wirkt harmlos. Die Ihle entspringt in Ritterhude, im Naturschutzgebiet Obere Ihleniederung, und fließt – an etlichen Stellen verrohrt und unterirdisch – durch Ihlpohl, Burgdamm und schließlich in die Lesum. Angesichts der Hochwasser-Katastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schaut die Lesumerin Gabriele Hillmann seit einiger Zeit jedoch noch besorgter auf die Ihle als ohnehin schon. Denn auch in den von Hochwasser betroffenen Gebieten waren es zum Teil schmale Flüsse, die plötzlich aus ihrem Bett traten und zu breiten Strömen wurden.
Schon seit Jahren kämpft Gabriele Hillmann, Anwohnerin des Klostermühlenwegs, zusammen mit anderen Anwohnern für angemessenen Hochwasserschutz. Nun hat sie im Namen der Interessengemeinschaft Hochwasserschutz Ihle erneut einen Bürgerantrag gestellt, Beirat und Ortsamt zum wiederholten Male um Unterstützung gebeten. Denn nach der ursprünglichen Planung hätte bereits im Jahr 2019 mit dem Bau eines Damms am Sportplatz im Ihletal begonnen werden sollen. 2017 waren die Pläne inklusive zeitlichem Ablauf im Beirat präsentiert worden. Auch eine Spundwandanlage war im Gespräch. Bis heute steht weder das eine, noch das andere.
Nachdem alle bisher genannten Termine verstrichen sind, erhofft sich die Interessengemeinschaft durch den Bürgerantrag nun Auskunft über den Stand der Planung sowie Art und zeitlichen Ablauf der vorgesehenen Maßnahmen. "Wir Bürger und Anlieger werden jahrelang hingehalten", schreibt Gabriele Hillmann in dem Bürgerantrag. "Es muss schnell gehandelt werden, auch hier kann es große Regenmengen geben, und es gibt hier keine ausreichenden Rückhalteflächen."
Dass es in Lesum so schlimm kommen könnte, wie in den jetzt betroffenen Hochwasser-Gebieten, glaubt Gabriele Hillmann zwar nicht. Aber sie hat oft genug erlebt, wie die Ihle über die Ufer getreten ist. Sie hat Fotos, die zeigen, wie der Bach im Jahr 2002 so angeschwollen ist, dass der Sportplatz des TSV Lesum-Burgdamm unter Wasser stand. Und andere aus dem Jahr 2011, auf denen zu sehen ist, wie die Baufahrzeuge im Baugebiet auf dem Areal des ehemaligen Heidbergbads tief im Wasser stehen. Sie hat selbst dabei geholfen, Sandsäcke aufzuschichten, ist nicht selten nachts zur Ihle gegangen, weil das plötzlich lauter werdende Rauschen des Wassers sie beunruhigte. Davon hat die Lesumerin die Nase voll. "Ich möchte nicht mehr zur Ihle rennen nachts, um zu gucken, wie hoch sie steht."
Schon längst ist unbestritten, dass die Ihle ein Hochwasserrisiko darstellt. 2017 wurde das sogenannte Schadenspotenzial ermittelt. Die Berechnungen ergaben, dass bei einem Jahrhunderthochwasser an 88 Gebäuden ein Schaden von insgesamt rund 900.000 Euro entstehen würde. Ein Summe, die Hillmann für viel zu niedrig hält. Eine Risikokarte für die Ihle gibt außerdem an, dass von einem Jahrhunderthochwasser im Stadtteil Burgdamm 301 Einwohner betroffen wären.
2011, als das Baugebiet "Wohnpark Ihletal" ausgewiesen wurde, war die Behörde von einer wesentlich kleineren Überschwemmungsfläche ausgegangen. Sie hatte sich damals auf ein Gutachten verlassen, das sich als falsch erwies. "Durch die Bebauung des Heidbergbad-Areals, aber auch durch die Höherlegung des Sportplatzes ist eine riesige Rückhaltefläche verloren gegangen", erläutert Hillmann. Neue Berechnungen ergaben, dass bei einem Hochwasser der Ihle-Wohnpark genauso Land unter melden würde wie zahlreiche Häuser im Tal, die Seniorenwohnanlage und der Aldi-Gebäudekomplex an der Hindenburgstraße sowie das Gebiet des Kleingartenvereins Lesum. Infolgedessen wurden die Hochwasserschutzmaßnahmen geplant.
Inzwischen wurden allerdings noch einmal neue Berechnungen angestellt, wie Jens Tittmann, Sprecher der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, auf Nachfrage erläutert. Seinen Worten nach wurde im März 2019 ein Ingenieurbüro beauftragt. Außerdem wurde ein Baugrundgutachten ausgeschrieben, das seit April 2020 vorliege.
Im Zuge einer geplanten Kanalsanierung am Tannenhügel, so Tittmann, habe das Abwasserunternehmen Hansewasser zudem das Ingenieurbüro "Stadt Land Fluss" beauftragt, aktuelle Daten zur Einzugsgebietsgröße der Ihle und zum Versiegelungsgrad zu erheben. Diese seien Grundlage für neue hydraulische Berechnungen gewesen. "Wir wissen jetzt genau, wie viel Kubikmeter das Rückhaltebecken, das am Sportplatz entstehen soll, fassen muss." Seinen Worten nach werden die Vorplanungen im Herbst abgeschlossen. "Jetzt erfolgt die Ausschreibung der Ausführungsplanung." Vor dem Beginn der Arbeiten stehe außerdem das Planfeststellungsverfahren mit Trägerbeteiligung und schließlich der Planfeststellungsbeschluss.
Bis der Hochwasserschutz an der Ihle tatsächlich steht, wird also noch einige Zeit vergehen. Tittmann betont, dass die Bedenken und Befürchtungen der Anwohner selbstverständlich ernst genommen werden. "Genau deshalb ist es uns ja auch wichtig, mit aktuellen Daten zu planen." Die Finanzierung der Maßnahme, das versichert der Sprecher, sei jedenfalls gesichert. "Die Förderung wurde bewilligt." Genutzt werden Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK). Sollten den Bürgern indes Schäden durch eine Überschwemmung entstehen, müsste dafür – wenn denn vorhanden – eine Elementarversicherung aufkommen.