Dass rund jedes dritte Kind in der Stadt Bremen in prekären finanziellen Verhältnissen beziehungsweise in Armut aufwächst, müsse alle politischen und zivilgesellschaftlichen Akteure mobilisieren, sagt Thomas Schwarzer. Er ist bei der Arbeitnehmerkammer Bremen für Familienpolitik zuständig. Im Burglesumer Beiratsausschuss für Soziales, Kultur und Gesundheit sprach der Referent für kommunale Sozialpolitik über Familien- und Kinderarmut.
Seinen Worten nach lebten im Jahr 2022 in Bremen-Nord 5850 Kinder unter 15 Jahren in Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. In Blumenthal waren es 2540 Kinder, in Vegesack 1938 und in Burglesum 1372. Im Stadtteil Vegesack insgesamt waren 30 bis 40 Prozent der Kinder betroffen, im Ortsteil Grohn sogar jedes zweite Kind (52 Prozent).
In Burglesum waren 30 bis 40 Prozent der Kinder unter 15 Jahren leistungsberechtigt. Der Anteil unterscheidet sich von Ortsteil zu Ortsteil zum Teil erheblich: In Burg-Grambke und Burgdamm war jedes dritte Kind betroffen, in Lesum jedes vierte, in St. Magnus jedes zehnte Kind. Im gesamten Stadtteil Blumenthal waren es mehr als 40 Prozent der Kinder.
"Kinder wachsen in prekären Verhältnissen oder in Armut auf, weil ihre Familien zu wenig Geld haben, um ein Aufwachsen in Wohlergehen sicherstellen zu können", so Schwarzer. Das Geld fehle, weil die Erwerbstätigkeit in Teilzeit oder zu Niedriglöhnen nicht ausreiche oder der Bezug von Sozialleistungen nicht ihre Existenz sichere. "Als Arbeitnehmerkammer setzen wir deshalb auf zwei Strategien. Am wichtigsten sind ein armutsfester Mindestlohn sowie auskömmliche Tariflöhne, aber auch eine Kindergrundsicherung."
Gute Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf seien eine wichtige Voraussetzung, um mit Kindern erwerbstätig zu sein. Das gilt auch für Alleinerziehende, deren Anteil in Bremen-Nord ebenso wie in der gesamten Stadt (in Bremen ist es mit 27 Prozent jeder vierte Familienhaushalt) sehr hoch ist. Einige Beispiele: In Grohn (26 Prozent), Burg-Grambke (27 Prozent) und Lesum (30 Prozent) lebt ebenfalls in jedem vierten Familienhaushalt ein Elternteil alleine mit dem Nachwuchs. In Burgdamm ist es mit 35 Prozent sogar jeder dritte Familienhaushalt. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2022. Für das Jahr 2023 erwarte er höhere Zahlen, so der Referent, "unter anderem durch den Zuzug von Müttern mit ihren Kindern aus der Ukraine."
Bei dem Thema Vereinbarkeit steht die Stadt Bremen laut Schwarzer sowohl im Bundesländer- als auch im Großstädtevergleich nicht gut da. Die Zahlen aus dem Jahr 2023 zeigten vielmehr: In Bremen seien die Zeitfenster in den Kitas am kürzesten, Bremen sei Schlusslicht bei den Ganztagsplätzen und es gebe große Lücken zwischen den vorhandenen Plätzen und dem tatsächlichen Elternbedarf.
Auch zu diesen Punkten nannte Schwarzer einige Zahlen und Vergleiche. So habe der Anteil der Kinder unter drei Jahren, die betreut wurden, im Jahr 2023 in Bremen lediglich bei 32,4 Prozent gelegen. Ganztägig betreut wurden davon nur 14,5 Prozent. In Dresden wurden indes 56,3 Prozent der unter Dreijährigen betreut, 49,1 Prozent von ihnen sogar ganztags. Der Anteil der Drei- bis Sechsjährigen, die betreut wurden, lag in der Stadt Bremen im Jahr 2023 bei 87,4 Prozent. Ganztägig betreut wurden hier 36,2 Prozent der Kinder. In Dresden wurden 95,8 Prozent der Kinder betreut, 88 Prozent ganztägig.
Die Betreuungslücke für Kinder von drei bis fünf Jahren war in Bremen im vergangenen Jahr ebenfalls besonders hoch. Die Betreuungsquote lag bei 86 Prozent. Dem gegenüber steht der Bedarf der Eltern mit 97 Prozent. Bei Kindern unter drei Jahren lag die Betreuungsquote bei 31 Prozent, der Bedarf der Eltern für eine Betreuung ihres Kindes bei 54 Prozent. Kinder, die nicht in die Kita gehen, haben von Anfang an einen Nachteil, betont Schwarzer. Es entstünden große Entwicklungsabstände zu anderen Gleichaltrigen. "Da ist nicht viel mit Chancengleichheit."