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Verbotener Baumschnitt Falscher Schnitt kostet Bäume das Leben

Immer wieder mal greifen Bürger zur Säge oder Astschere und machen sich an Straßenbäumen zu schaffen. Warum das den Bäumen schadet und was der Umweltbetrieb dazu sagt.
04.12.2022, 08:00 Uhr
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Falscher Schnitt kostet Bäume das Leben
Von Julia Assmann

Matthias Semela spricht von einem "Totalschaden". Der für Bremen-Nord zuständige Bezirksmeister vom Umweltbetrieb Bremen steht an der Straße Am Heidbergstift und zeigt auf zwei rotblättrige Ahorne oder vielmehr auf das, was von ihnen übrig ist. Außer dem Stamm und ein paar Aststummeln ist das nicht viel. Jemand hat die Straßenbäume beschnitten und dadurch dermaßen beschädigt, dass sie nur mit einem extremen und regelmäßigem Pflegeaufwand gerettet werden könnten. Ein Aufwand, den die Mitarbeiter des Umweltbetriebs nicht leisten können. Deshalb müssen die Bäume voraussichtlich gefällt und durch neue ersetzt werden.

Immer wieder mal greifen Bürger zur Säge oder Astschere und machen sich an Straßenbäumen zu schaffen, erzählen Matthias Semela und Arne Wittkop, der als Referatsleiter für Grünflächen und Friedhöfe verantwortlich ist. Beide haben sämtliche Bäume, die in Bremen-Nord auf öffentlichen Flächen stehen, im Blick. Jeder einzelne – insgesamt sind es circa 56.000, darunter etwa 11.700 Straßenbäume – wird alle 15 Monate kontrolliert. Insgesamt fünf Mitarbeiter sind dafür im Einsatz. Und dabei stoßen sie immer wieder auf Fälle wie den in Lesum. Oder wie an der Dobbheide in Aumund-Hammersbeck. Dort wurde eine zweistämmige Birke im Februar dieses Jahres nicht bloß beschnitten, sondern gleich vollständig gefällt.

Unwissenheit statt böser Absicht

Die Mitarbeiter des Umweltbetriebs vermuten, dass es Anwohner sind, die sich aus ganz unterschiedlichen Motiven an den Bäumen zu schaffen machen. "In Gesprächen mit Bürgern habe ich schon diverse Begründungen gehört", sagt Semela. Oftmals stecke nicht einmal böse Absicht, sondern einfach Unwissenheit dahinter. "Mir wurde zum Beispiel gesagt: Der Baum steht schon 20 Jahre hier und noch nie war jemand da, um ihn zu beschneiden", erzählt der Bezirksmeister. "Die Leute denken, dass alle Bäume regelmäßig beschnitten werden müssen und wollen uns helfen. Dabei ist das nicht notwendig. Jungbäume müssen sehr intensiv gepflegt werden, doch dann kommt eine Phase, in der sie kräftig sind und kaum Pflege brauchen."

Die Bäume Am Heidbergstift waren mit einem Alter von etwa 20 Jahren genau in dieser Phase. Durch den massiven und falschen Beschnitt haben sie ihren natürlichen Kronenaufbau verloren. Um das auszugleichen, erläutert Semela, bilden die Bäume sehr schnell sehr viele Äste, die allerdings keine tiefgehende Verbindung zu den tieferen Holzfasern im Stamm haben. "Statt einem Ast wachsen fünf bis sechs Äste, die sich gegenseitig verdrängen, instabil sind und leicht brechen können." Ein weiteres Problem seien die Schnittstellen, die leicht zu faulen beginnen und die Bruchgefahr zusätzlich erhöhen.

Nachwachsende Äste sind unstabil

Wie schnell Bäume versuchen, das Gleichgewicht zwischen Stamm und Krone wieder herzustellen, ist an einer Baumhasel an der Straße Im Neuen Kamp in Lüssum-Bockhorn zu erkennen. Auch dort haben vermutlich Anwohner zur Astschere gegriffen und einen Baum massiv beschnitten. Innerhalb kurzer Zeit sind neue Äste in die Höhe geschossen, sodass er fast genauso groß ist, wie sein Pendant auf der anderen Straßenseite, das unangetastet blieb. "Die Äste sind viel dünner als normal und stehen viel enger. Das Problem ist, dass sie gleichzeitig dicker werden und sich gegenseitig wegdrücken."

Manche Anwohner erhoffen sich vom starken Beschnitt mehr Licht, vermutet Semela. "Doch sie erreichen das Gegenteil, da die Äste schnell und viel enger wachsen als zuvor." Weniger Laub sei vermutlich ebenfalls ein Grund für Bürger, Stadtbäume zu beschneiden. Möglicherweise sei ihnen gar nicht bewusst, dass sie den Baum damit erheblich schädigen. Und ihr Ziel erreichen sie damit ebenfalls nicht, "weil der Baum schnell wieder austreibt und innerhalb kurzer Zeit wieder die gleiche Blattmenge produziert".

Kronen vollständig gekappt

Von zwei Linden an der Zollstraße wurden die Kronen vollständig gekappt – möglicherweise, weil sich Anwohner über verklebte Autos geärgert haben. Der schmierige Film unter Linden stammt von Blattläusen, die den Saft der Blätter saugen und Zucker ausscheiden. Inzwischen haben die Bäume wieder zahlreiche Äste ausgetrieben. "Die Leute denken deshalb, dass alles in Ordnung ist. Das ist es aber nicht", betont Semela. Auch für die Linden gilt: Die Schnittstellen fangen an zu faulen und die neu austreibenden Äste sind nicht so gut verzahnt und stabil, wie die ursprünglichen, die von der Stammmitte aus wuchsen.

"Mit dem Beschneiden wird der Grundstein dafür gelegt, dass der Baum irgendwann nicht mehr verkehrssicher ist", betont Semela. "Und die Lebenserwartung des Baumes wird deutlich verkürzt." Der Bezirksmeister und der Referatsleiter appellieren an die Bürger, keinesfalls selbst Hand an die Bäume zu legen. "Im Zweifelsfall", so Wittkop, "sollen die Leute lieber bei uns anrufen". Im Übrigen, so der Bezirksmeister, könnten die Verantwortlichen gegebenenfalls finanziell in die Pflicht genommen werden. "Wer einen Schaden verursacht, muss ihn auch begleichen."

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Nachfragen statt absägen

Der Umweltbetrieb Bremen hegt und pflegt in Bremen-Nord etwa 56.000 städtische Bäume. Alle Bäume auf öffentlichen Flächen werden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern automatisch regelmäßig kontrolliert. Wer Fragen hat, kann die Mitarbeiter des Umweltbetriebs telefonisch unter der Nummer 04 21 / 36 17 90 00 oder per E-Mail unter office@ubbremen.de erreichen.

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