Getreu dem Motto „Wir setzen den Überfluss zum Wohle Bedürftiger ein“ versorgt die Bremer Tafel seit 1995 Menschen mit Lebensmitteln. Mehr als 7000 Menschen nehmen die Hilfe über die fünf Ausgabestellen in Burg, Hemelingen, Huchting, Obervieland und in der Vahr in Anspruch. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie hat die Bremer Tafel ihre Türen durchgängig für Bedürftige geöffnet. Das freut Uwe Schneider, Vorsitzender der Bremer Tafel, besonders. „Alle fünf Standorte konnten trotz der Umstände weiterbetrieben werden. Diese Verlässlichkeit ist vor allem für die Bedürftigen wichtig.“
Einen Ansturm von Menschen, die wegen der Corona-Krise in finanzielle Nöte gekommen seien, habe es bislang aber nicht gegeben. Stattdessen ist die Lage in den Ausgabestellen beinahe entspannt. Viele ehrenamtliche Helfer hätten sich in den vergangenen Wochen angeboten, dazu sei das Aufkommen an Lebensmitteln ordentlich. Allerdings sei auch die Zahl der Bedürftigen, die die Hilfe der Bremer Tafel in Anspruch nehmen, rückläufig. „Anfang April hatten wir einen kleinen Einbruch“, sagt Uwe Schneider. Inzwischen seien wieder etwas mehr Menschen in die Ausgabestellen gekommen, doch auch Hannelore Vogel hat einen Rückgang der Zahlen beobachtet.
Vogel ist Leiterin der Ausgabestelle in Burg und weiß, warum einige Bedürftige nicht mehr zur Bremer Tafel kommen. „Sie haben Angst.“ Viele Menschen, die sonst durch die Hilfsorganisation unterstützt werden, gehören zur Risikogruppe und befürchten, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Dabei haben sich auch die Mitarbeiter in Burg große Mühe gegeben, die Hygiene- und Abstandsvorschriften einzuhalten. „Seit den Ausgangsbeschränkungen sind einige Bedürftige immer noch nicht da gewesen“, sagt Hannelore Vogel. Sie mache sich große Sorgen, schließlich seien die Menschen auf die Hilfe der Bremer Tafel angewiesen. Sollte sich die Situation nicht entspannen, rechnet sie damit, dass einige Bedürftige nicht wiederkommen. In der Burger Ausgabestelle haben die Helfer deshalb einen Lieferservice eingerichtet. Dank einer Spende verfügt Leiterin Hannelore Vogel jetzt über einen kleinen Transporter. Diejenigen, die einen Ausweis für die Bremer Tafel haben, wurden bereits per Brief angeschrieben. Einige Sendungen kamen zwar als unzustellbar zurück, doch etwa 30 Bedürftige nahmen das Angebot dankend an.
Sie werden jetzt von Dienstag bis Donnerstag mit Lebensmittelspenden versorgt, der Transporter fährt dabei festgelegte Touren. Damit erreicht die Burger Ausgabestelle zumindest einen Teil der Menschen, die der Bremer Tafel zurzeit fernbleiben. „Normalerweise kommen zwischen 110 und 120 Bedürftige pro Tag zu uns, jetzt schwanken die Zahlen zwischen 65 und 90“, sagt Vogel. Wenn noch mehr Menschen den Lieferservice nutzen wollen, könnten weitere Kapazitäten geschaffen werden. Diejenigen, die sich doch bis zur Ausgabestelle trauen, finden dafür aber einen geordneten Ablauf vor. „Es gibt kein Gedränge und die Menschen verhalten sich sehr vorbildlich.“
Bis zu 130 Bedürftige kann die Bremer Tafel in Burg täglich versorgen. Über ein Nummernsystem werden sie in Gruppen aufgeteilt, die in abwechselnder Reihenfolge zur Ausgabestelle kommen. „Wenn die Gruppe mit den Nummern eins bis 30 heute zuerst kommen darf, ist in der nächsten Woche die Gruppe 31 bis 60 an der Reihe“, erklärt Hannelore Vogel. Der Hintergrund ist dabei simpel und tragisch zu gleich: Nicht in jeder Woche kommt die gleiche Menge an Lebensmittelspenden zu den Ausgabestellen. Manchmal könne die letzte Gruppe an einem Tag noch alles bekommen, manchmal sei auch schon vieles leer. Mit dem Nummernsystem soll die Vergabe ein bisschen gerechter werden.
Gleichzeitig hilft diese Handhabung auch dabei, die Abstands- und Hygienevorschriften besser einzuhalten. „Die Gruppen kommen im Viertelstundentakt ab 15 Uhr“, sagt Vogel. Das verhindert eine lange Schlange. Und diejenigen, die vor der Ausgabestelle warten müssen, können die anderthalb Meter besser einhalten. „Da hilft uns derzeit auch, dass der Parkplatz nicht voller Autos ist und wir viel mehr Platz zur Verfügung haben.“ Ein anderes Problem der Burger Ausgabestelle habe sich dagegen quasi von alleine gelöst.
Viele ehrenamtliche Helfer der Bremer Tafeln sind im Rentenalter und gehören damit zur Risikogruppe. „Die älteren Helferinnen und Helfer sind zu Hause und auch die Ein-Euro-Jobber dürfen derzeit nicht arbeiten”, sagt Hannelore Vogel. Als Ein-Euro-Jobber werden umgangssprachlich die Menschen bezeichnet, die zwar Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen, aber einer sogenannten Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nachgehen. Durch den Wegfall der beiden Arbeitsgruppen entstand plötzlich eine große personelle Lücke.
Als sich Hannelore Vogel gerade zu fragen begann, wie sie diese Situation lösen soll, wurde die Ausgabestelle schon regelrecht mit Hilfsangeboten überschwemmt. „Wir hatten einen Ansturm von Studenten und jungen Lehrern, die uns helfen wollten“, sagt die Leiterin der Bremer Tafel in Burg. Aus allen Ecken seien Anfragen per Telefon und E-Mail in ihr Büro geflattert. „Viele junge Menschen arbeiten jetzt ehrenamtlich für die Tafel. Das klappt super und macht großen Spaß“, sagt Vogel. Bei einigen Studenten fange jetzt zwar wieder die Uni an, doch die meisten Helfer kämen weiterhin, um die Tafel in Burg zu unterstützen und die Bedürftigen zu versorgen.
Seit dem 5. Mai hat auch die Tafel in Schwanewede ihre Türen wieder geöffnet. Wegen der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen war die Ausgabe seit dem 14. März ausgesetzt. Zum Normalbetrieb geht die Schwaneweder Tafel aber nicht zurück. „Wir verlegen die Ausgabe nach draußen und haben lange Tischreihen unter der Überdachung im Hof aufgestellt“, sagt Initiator Klaus Fitzner. In den vergangenen Monaten seien einige Bedürftige, bei denen die Not besonders groß war, auch zu Hause von der Tafel versorgt worden. Jetzt soll jedoch wieder mehr Menschen der Zugang zu Lebensmittelspenden ermöglicht werden. Gleiches gilt auch für die Lebensmittelausgabe „Radieschen“ der Berner Johanniter. Seit einer Woche werden hier, erstmals seit dem 19. März, wieder rund 600 Bedürftige mit Lebensmitteln versorgt.