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Schwierige Zeiten Engpass bei den Tafeln

Obst, Gemüse, Molkereiprodukte – in den Lebensmittelausgaben der Region macht sich der Schmalhans breit, es gibt immer weniger Lebensmittel für Bedürftige. Eine wirkliche Lösung des Problems ist nicht in Sicht.
15.06.2022, 18:00 Uhr
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Engpass bei den Tafeln
Von Iris Messerschmidt

Bei den Tafeln herrscht ein Lebensmittelengpass. Ein Phänomen, das die Macher schon länger beobachten. "Als ich heute morgen kam, da waren die Kühlschränke total leer", erzählt Günther Obermeyer von der Tafel Schwanewede Anfang der Woche. Eine Lösung sei nicht in Sicht. "Wenn es noch gut wäre, dann könnten wir es ja auch verkaufen", hat Günther Obermeyer von einer Verkäuferin gehört, als er sich über die schlechte Qualität der Lebensmittel beschwerte, die er für die Tafel in abholte. "Da wird einfach alles in eine Kiste geschmissen, schimmelig und verfault, darauf wird nicht geachtet." Insbesondere montags sei es schlimm. "Da wird vieles vom Wochenende entsorgt."

Dabei tun Obermeyer und die weiteren Ehrenamtlichen der Schwaneweder Tafel, die mehr als 600 Menschen betreuen, was sie können. "Zermatschtes Obst – derzeit ist ja Erdbeerzeit – verarbeitet eine Mitarbeiterin von uns zu Marmelade. Dann haben wir wenigstens noch etwas zum Hinstellen." Doch die Schwierigkeiten würden sich seit gut einem Jahr häufen. Die Schwaneweder Tafel darf nicht über die Landesgrenze, also in Bremer Geschäften abholen. "Manchmal bekommen wir größere Lieferungen aus Bremerhaven, Delmenhorst oder Wildeshausen", aber oft mit so geringem Verfallsdatum, dass sie diese Waren ganz schnell wieder verteilen müssten. "Dazu gibt es Kunden, die nicht alles nehmen", hat Obermeyer erlebt.

"In den Geschäften gibt es 30 Prozent auf Molkereiprodukte, die bald ablaufen. Wir bekommen nur noch ganz wenig davon ab, und wenn, ist das Mindesthaltbarkeitsdatum häufig überschritten", so Obermeyer weiter. Seitdem die Metro dicht habe, werde es immer schwieriger. "Wurst und Käse gibt es so gut wie gar nicht", nur Gemüse und Brot, davon sei noch genug da. Wie es weitergehen soll? "Irgendwie muss es ja", sagt Günther Obermeyer. Dabei hat er noch ein weiteres Problem: "Es fehlt nicht nur an Lebensmitteln, sondern auch an Helfern."

Wie die Lage in der Wesermarsch ist

Die Lebensmittelausgabe „Radieschen“ des Ortsverbands Stedingen versorgt mehr als 600 Menschen aus bedürftigen Familien in den Gemeinden Berne, Elsfleth und Lemwerder in der südlichen Wesermarsch mit Nahrungsmitteln. Das Team von rund 15 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern rund um den Ortsbeauftragten der Stedinger Johanniter, Diether Liedtke, betreibt in Berne an der Weserstraße eine Ausgabestelle für Obst und Gemüse, Konserven, haltbare Lebensmittel, Getränke und andere Nahrungsmittel für den täglichen Gebrauch. Und hat Anfang Juni einen Kundenstopp wegen Lebensmittelknappheit verhängt.

"Durch die sehr hohe Anzahl an Flüchtlingen aus der Ukraine stehen dem Radieschen zurzeit keine ausreichenden Mengen an Lebensmitteln mehr zur Verfügung und die Mitarbeiter sehen sich außerstande allen Kunden gerecht zu werden", hieß es seitens der Ausgabestelle der Johanniter Unfallhilfe (JUH). Wie lange dieser Aufnahmestopp anhält, ist bislang noch unklar. Allerdings setzt die Lebensmittelausgabe auf Hilfe: "Wir würden uns freuen, wenn aus der Bevölkerung Lebensmittelspenden zur Verfügung gestellt werden könnten."

Diether Liedtke sieht für das Problem nicht nur die höhere Anzahl an Flüchtlingen, die derzeit vorstellig werden. "Alle Dinge des täglichen Bedarfs sind teurer geworden. Ich denke mal, dass auch die Geschäfte da auf effizientes Einkaufen achten." Weniger Ware in den Lebensmittelgeschäften bedeute aber auch weniger Ware, die an die Tafeln gehen. Dass "seine" Ausgabestelle nun die erste in der Region sei, die ein Aufnahmestopp verhänge, "ist traurig, aber mehr geht einfach nicht". Eine Lösung des Problems sieht er momentan nicht. "Wir sind im ehrenamtlichen Bereich schlicht und ergreifend überfordert." Für Liedtke ist dies auch ein Signal an die Kommunen, noch weiter unterstützend einzugreifen. "Wir müssen sehen, wie sich das entwickelt", so seine Gesprächsbereitschaft mit den Kommunen der südlichen Wesermarsch.

Was in Bremen-Nord beobachtet wird

Auch im Bremer Norden macht sich ein Engpass bemerkbar. "Normalerweise wird es im ersten Vierteljahr des Jahres immer knapp", gibt Marcus Heine, Vorsitzender der Nordbremer Lebensmittelausgabe an. In diesem Jahr halte sich die Knappheit länger. Auch sein spontaner Ausspruch: "Das müssen wir beobachten." Vor allen Dingen Obst, Gemüse, Wurst und Molkereiprodukte seien wenig bis kaum zu bekommen. "Beim Brot gibt es noch keine Probleme." Allerdings, so Heine, "wissen unsere Kunden, dass es immer zu Schwankungen kommen kann. Das ist auch abhängig von den Geschäften, unterschiedlich von Woche zu Woche und der Saison."

Insofern hofft Heine, dass sich für die 150 Familien, die er mit rund 40 ehrenamtlichen Mitarbeitern versorgt, bald der regionale Obst- und Gemüsemarkt bemerkbar macht. Die Kunden, die sich hier für günstige Preise ihre Lebensmittel kaufen, werden mehr – das hat Heine beobachtet. Und sie kommen nicht nur aus Blumenthal, sondern auch aus sonstigen Bremer Regionen, aus Schwanewede, sogar aus Bremerhaven. Auch für Marcus Heine und seine Helfer gilt: "Ob Sach- oder Geldspenden, jede Form von Hilfe aus der Bevölkerung zählt."

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Die Tafel in Burg nimmt aktuell keine Neukunden mehr auf. Für Juni gebe es einen Aufnahmestopp, sagt Leiterin Hannelore Vogel. Hintergrund sei der Andrang von Flüchtlingen aus der Ukraine. Normalerweise erhalte, wer vier Mal bei der Tafel in Burg Lebensmittel geholt habe, einen Termin für die Neukunden-Aufnahme. "Das konnten wir nicht mehr machen, weil wir alle Termine für die Neukunden-Aufnahme für Mai/Juni schon vollständig vergeben hatten." Sie gehe davon aus, dass die Tafel Ende Juni, Anfang Juli wieder neue Kunden aufnehmen könne.

Einen Engpass an Lebensmitteln spürt die Ausgabestelle an der Bremer Heerstraße, die mit etwa 20 Helferinnen und Helfern rund 750 Menschen zwischen Findorff und Farge-Rekum versorgt, Vogel zufolge vor allem bei Obst, Gemüse und Brot. "Wir können nur abgeben, was wir bekommen. Wenn weniger da ist, können die Kunden nicht von jedem Artikel etwas bekommen. Da muss dann ausgewählt werden: entweder Kartoffeln oder Wurzeln, Paprika oder Gurken." Das Warenangebot, dass aus den Supermärkten an die Tafel weitergegeben werde, schwanke sehr stark, sei täglich unterschiedlich. "Die Supermärkte disponieren offensichtlich gezielter und reduzieren ihre Lagerhaltung. Dadurch erhalten auch wir als Tafel weniger." Vogel sieht noch einen weiteren Grund für den Engpass. "Viele Hersteller liefern größere Mengen an Lebensmitteln als Direktspenden an die Ukraine."

Zur Sache

Helfer, Geld- und Sachspenden sind willkommen

Die Lebensmittelknappheit macht sich immer mehr in den Lebensmittelausgaben bemerkbar. Hilfe aus der Bevölkerung ist sehr willkommen. Das kann in Form von Geld- und Sachspenden geschehen, das kann aber auch die eigene, ehrenamtliche Mithilfe an Ausgabetagen sein. Informationen: Tafel Schwanewede, (Ausgabetage: Dienstag und Donnerstag, Bürozeiten: Dienstag und Freitag von 9 bis 12 Uhr), Ostlandstraße 34, Telefon: 0 42 09 / 91 86 43. Lebensmittelausgabe Radieschen, Weserstraße 1, Telefon: 04 21 / 8 00 58 00. Nordbremer Lebensmittelhilfe, (Ausgabe Montag bis Freitag, 14.30 Uhr bis 15.30 Uhr), Schwaneweder Straße 70, Telefon 04 21 / 68 45 86 76. Bremer Tafel Bremen-Burg, Bremer Heerstraße 8e, Telefon: 04 21 / 69 67 58 86 (Ausgabe Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag ab 15 Uhr für Kunden mit Tafelausweis, ab 16.30 Uhr für Neukunden, bis 17.30/18 Uhr).

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