Es ist eine herausragende Lage: Der Marktplatz unterhalb der Lesumer Kirche liegt mitten im Ortskern und ist auch durch die dort ansässige Gastronomie und den Wochenmarkt ein beliebter Anlaufpunkt. Eine gute Voraussetzung für Einzelhändler, die durch viel Laufkundschaft eine gute Kundenfrequenz erzielen, könnte man meinen. Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren rund um den Platz viele Geschäfte geschlossen. Immer wieder gab es Wechsel und Auszüge, nun kommt ein weiterer Leerstand hinzu. Das Geschäft Weser-Kind schließt Ende März. Inhaberin Wiebke Lax gibt ihren Laden nach elf Jahren Selbstständigkeit, davon zehn in der Hindenburgstraße 49, auf. "Die wirtschaftliche Lage zwingt mich dazu", sagt sie.
Wiebke Lax findet es selbst schade, dass immer mehr inhabergeführte Geschäfte in Lesum schließen. Ihrer Einschätzung nach werden noch viele Läden folgen, "nicht nur hier, in ganz Deutschland". Angesichts der schwierigen Lage für den Handel habe sie die Entscheidung getroffen. Zu ihrem Sortiment gehörte ein umfangreiches Angebot für Babys und Kleinkinder. Ihre Kunden reagierten traurig, erzählt Wiebke Lax. "Sie sagen mir alle: Es ist ein Jammer." Doch nicht nur für die Kunden, auch für die Situation im Lesumer Ortskern ist die Geschäftsschließung eine schlechte Nachricht. Denn damit steht ein weiteres Geschäft am Marktplatz leer.
Gebäude steht mehr als zehn Jahre leer
Das gilt seit mittlerweile mehr als zehn Jahren für das Haus An der Lesumer Kirche 6. Das Gebäude ist über 300 Jahre alt. Fast 100 Jahre lang beherbergte es einen Krämerladen und eine Gastwirtschaft, später ein Uhren- und Schmuckgeschäft. 1990 zogen zunächst ein Kosmetikinstitut mit Solarium, dann ein Stoffgeschäft und Anfang 2004 die Weinhandlung "Cava Tappi" ein. 2014 zog der Weinhändler einige Häuser weiter in das Haus An der Lesumer Kirche 2 um. Eigentümer Olaf Mosel kündigte an, er werde das Haus umbauen und gastronomisch nutzen. Drei Jahre später präsentierte Mosel dann Neubaupläne und verkündete erneut, es werde eine Mischung aus Restaurant, Bar und Bistro eröffnen. Passiert ist seither nichts. Aktuell lässt er die Frage, ob er seine Pläne weiterhin verfolgt oder inzwischen davon Abstand genommen hat, unbeantwortet.
Seit Januar stehen direkt nebenan auch die Räume der ehemaligen Fleischerei Prott leer. Henning Prott, der das Familienunternehmen in dritter Generation führte, gab die aktuellen Bedingungen in der Branche als Grund für seine Entscheidung an, das Geschäft nach 96 Jahren zu schließen. Auch die Inflation habe dazu beigetragen, dass es sich nicht mehr rentiere. Ein Haus weiter, im Gebäude An der Lesumer Kirche 2, ist kaum zu erkennen, dass in den ehemaligen Beauty-Salon inzwischen ein Schneider eingezogen ist. Lediglich ein provisorisch angebrachtes Schild unterhalb des Schaufensters weist darauf hin. Früher gab es an dieser Stelle unter anderem einmal ein Tee-Geschäft.
Bistro-Eröffnung angekündigt
Links daneben, im selben Haus, erinnern die Schilder des Immobilienunternehmens Engel & Völkers und des Kiosks Lesum Shop noch an die letzten Nutzungen. Dort war früher das Café Schumann, 2014 bis 2020 folgte "Cava Tappi", der Lesum Shop blieb nicht lange. Nun steht aber offenbar eine Neueröffnung an. Zettel im Schaufenster kündigen an: "Hier entsteht ein Bistro/Café". Mit Frühstück, Mittagstisch und traditionellen Backwaren "alte Zeiten wieder erleben", heißt es weiter.
In der Hindenburgstraße 49 war vor dem Geschäft Weser-Kind der Laden Vogelvillaland ansässig. Viele Lesumer kennen auch noch das Restaurant Donau, das vorher an dieser Stelle viele Jahre jugoslawische Speisen anbot. Christa Dohmeyer, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Einzelhandel und Gewerbe für Lesum, Burgdamm und St. Magnus (Igel) hofft, dass sich ein Nachfolger für die Räume findet. Ganz einfach sei das vermutlich nicht. "Das ist eine supergute Lage, aber der Standort ist schwer zu bespielen, weil er nicht barrierefrei ist."
Dohmeyer betrachtet die Entwicklung in Lesum wie viele andere Igel-Mitglieder sorgenvoll. "Wir brauchen unbedingt Geschäfte, die Leben in den Ort bringen und ihn als vielfältigen, bunten Stadtteil erhalten", sagt sie. Sie unterstützt die Idee von Buchhändlerin Svenja Esch, die die Lesumer Lesezeit an der Hindenburgstraße betreibt und Mitglied im Igel ist, einen Runden Tisch ins Leben zu rufen. "Dadurch könnte man Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende zusammenbringen", erläutert Esch ihre Idee, über die sie bereits mit Ortsamtsleiter Florian Boehlke gesprochen hat. Sie betont: Es ist wichtig, dass der Ortsteil lebendig bleibt." Boehlke unterstützt das Vorhaben und hält es für wichtig, den Dialog mit Inhabern und Einzelhändlern zu suchen.
Und auch der Heimatverein Lesum will sich mit dem Thema befassen. "Wir als Verein könnten Ideen sammeln und gucken, was in Lesum fehlt", überlegt der zweite Vorsitzende Hermann Kück. In einer der nächsten Vorstandssitzungen will der Verein auch mit dem Ortsamtsleiter über das Thema sprechen, kündigt der Vorsitzende Volker Bulling an. "Viele alteingesessene, im Stadtteil beliebte und langjährige Geschäfte mussten aufgeben", sagt er. Diese Entwicklung verfolge auch der Verein mit Sorge.