Herr Boehlke, waren Sie erleichtert oder enttäuscht, dass die anderen Kandidaten ihre Bewerbungen vor der Ortsamtsleiter-Wahl zurückgezogen haben?
Florian Boehlke: Ich wäre schon gerne mit anderen Mitbewerber ins Rennen gegangen. Auch, um zu erfahren, wer noch Interesse an dem Job als Ortsamtsleiter hat. Als das Ergebnis feststand, war ich aber doch erleichtert. Ich war allerdings verwundert, dass es nur zwei weitere Bewerber gab. Vielleicht auch ein Grund, dass man grundsätzlich mit der Arbeit, die ich hier in den letzten zehn Jahren zusammen mit dem Beirat gemacht haben, zufrieden war.
Alle Beiratsmitglieder sind offenbar nicht zufrieden, denn Sie hatten zwei Gegenstimmen. Was denken Sie, woran das liegt?
Zunächst einmal: Dass man mir parteiübergreifend das Vertrauen ausgesprochen hat, ist eine große Auszeichnung. Ich habe – außer von der AfD – Stimmen von allen Parteien im Beirat bekommen. Von den 13 Ja-Stimmen waren allein acht von den anderen Parteien. Den Grund für die beiden Gegenstimmen kenne ich nicht. Vielleicht erfahre ich ihn irgendwann. Mir ist ja daran gelegen, Fehler abzustellen.
Haben Sie sich vorgenommen, etwas zu verändern oder zu verbessern?
Ich bin ein Mensch, der sich grundsätzlich reflektiert, denn auch mir passieren Fehleinschätzungen. Daher ich bin jederzeit offen gegenüber Kritik und bereit, etwas zu ändern.
Sie und der Beirat betonen stets die gute Zusammenarbeit und legen Wert darauf, mit einer Stimme zu sprechen. Differenzen werden in Burglesum selten öffentlich. Glauben Sie nicht, dass einige Bürger sich da mehr Transparenz wünschen?
Das kann ich mir durchaus vorstellen. Dafür sind ja auch die Beiratssitzungen da. Um dort die unterschiedlichen Positionen darzulegen. Unterm Strich geht es aber nicht darum, dass ich zusammen mit dem Beirat irgendwelche Schlagzeilen in den Zeitungen produziere. Es geht darum, den Stadtteil gemeinsam voranzubringen. Meine Erfahrung, die ich als Mitglied des Beirats, als Beiratssprecher und als Ortsamtsleiter gemacht habe, ist, dass es am Ende des Tages wichtig ist, möglichst immer mit einer Stimme zu sprechen, um bei den jeweiligen Entscheidungsträgern in der Stadt Gehör zu finden.
Gibt es eigentlich etwas, was Sie an dem Job als Ortsamtsleiter nervt?
Ja. Dass manche Projekte, die aus meiner Sicht in der Umsetzung eigentlich einfach sein könnten, oftmals sehr stark problematisiert und verkompliziert werden.
Von wem?
Von den jeweiligen Fachressorts. Ich frage mich, warum man über bestimmte Projekte monate- oder sogar jahrelang diskutieren muss. Zum Beispiel über Hundefreilaufflächen. Wir haben in der Stadt durchaus andere, größere Probleme – auch in den jeweiligen Fachressorts – und deshalb frage ich mich, warum man so viel Energie und Kraft daran verschwendet und hundertmal abwägt, wann eine Hundefreilauffläche an welcher Stelle realisiert wird. Meiner Meinung nach sollte man pragmatischer sein und den Mut haben, einfach mal eine Entscheidung zu treffen und gegebenenfalls auch wieder zu revidieren, wenn sich herausstellt, dass es nicht passt. Das gilt nicht nur in dieser Sache, auch grundsätzlich. In anderen Städten stehen auf einigen Wiesen Schilder mit der Aufschrift ,Hundefreilauffläche' – und fertig.
Was hätten Sie gemacht, wenn Sie nicht wiedergewählt worden wären? Hatten Sie einen Plan B?
Ich hatte keinen Plan B, aber ich denke, dass ich in den vergangenen Jahren so viel Expertise in den unterschiedlichsten Bereichen sammeln konnte, dass ich sicherlich in Bremen oder in einer anderen Stadt eine andere Tätigkeit gefunden hätte. Unser Sohn hat Abitur gemacht und strebt jetzt seinen eigenen Werdegang an. Da wäre ein Wechsel zu diesem Zeitpunkt kein Problem gewesen.
Sehen Sie sich eher in der Rolle als Verwalter und Vermittler oder in der Rolle, in der Sie selbst etwas anstoßen und bewegen wollen?
Das ist abhängig von dem Projekt, um das es gerade geht. Manchmal bin ich Verwalter und Vermittler, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen den Gestaltungsspielraum stark einschränken. Es ist aber auch wichtig, dass ich zusammen mit dem Beirat schaue, wo wir den Finger in die Wunde legen und konkrete Impulse geben können, um den Stadtteil zu gestalten. Ein Beispiel ist das Grambker Seebad. Als der SVGO es vor Jahren nicht mehr betreiben wollte und das Bad vor dem Aus stand, habe ich ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des FC Burg geführt. Ich habe ihn davon überzeugt, dass der Fußballverein die Sparte Seebad aufnimmt. So konnte ein neuer Mietvertrag abgeschlossen werden. Das ist ein Beispiel für eine Situation, in der ich einfach auch gestalten musste.
Wenn Sie für Burglesum einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich dann wünschen?
Ich würde gerne die soziale Ungleichheit im Stadtteil auflösen und hätte deshalb gerne ausreichend Mittel, um die benachteiligten Quartiere wie das Alwin-Lonke-Quartier, Marßel und das Halmgebiet zu stärken.
Wo sehen Sie Burglesum in zehn Jahren?
Ich glaube, dass Burglesum sich in den nächsten zehn Jahren sehr stark entwickeln wird. Es wird sich einiges ändern. Wir werden neue Wohnbaugebiete erhalten und attraktiver werden, auch für Menschen, die Burglesum neu entdecken. Wir werden den Bremer Industriepark in zehn Jahren weiterentwickelt haben, wo dann sicherlich neue Arbeitsplätze entstehen. Der Wesertunnel wird fertig sein und damit werden wir eine ganz andere Verkehrsanbindung haben. Und auch die Mobilität wird sich in den nächsten zehn Jahren stark verändern. Wir werden eine bessere Anbindung an den ÖPNV haben und ganz andere Bedarfe abdecken können.
Was sind für Burglesum derzeit die dringendsten Themen?
Das sind unsere Schulen, ganz oben das Schulbauprojekt Campus Lesum, weil es mehrere Jahre dauern wird, bis es fertiggestellt ist und an der Entscheidung auch hängt, wann die neue Grundschule in Lesum kommen wird. Hinzu kommt die Sanierung der Schulsporthallen. Sie spielen für den Schul- und Vereinssport eine große Rolle. Ebenfalls wichtig ist die Weiterentwicklung der Wohnbauflächen, zum Beispiel mit dem Bauprojekt Lesumblick und dem Baugebiet am Gewerbestandort Am Heidbergstift. Und natürlich brauchen wir endlich eine, von allen akzeptierte Perspektive für das frühere Übergangswohnheim Am Rastplatz sowie eine Belebung im ehemaligen Ortsamt.
Das Interview führte Julia Assmann.