Noch vor drei Jahren hätte sich Robert Jerczak nicht vorstellen können, dass er sich in einem Arbeitsteam einmal so wohlfühlen würde. Regelmäßig arbeiten zu gehen, täglich mit verschiedenen Menschen zu sprechen, Kontakte zu Kunden zu haben – auch das war für ihn undenkbar. Der 23-Jährige hat eine Autismuserkrankung. "Ich hatte Probleme mit der Kommunikation, konnte nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, galt als 100 Prozent erwerbsunfähig", erzählt er. Heute arbeitet er bei dem Elektrofachbetrieb EP:Friese in Gröpelingen. Beschäftigt ist er dort über das Projekt Friedehorst Teilhabe Arbeit, das Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen dabei unterstützt ins Arbeitsleben zu finden.
Nach zwei Praktika ist Robert Jerczak inzwischen bereits seit mehreren Monaten in dem Familienbetrieb tätig. Er bekommt über das Amt für Soziale Dienste ein sogenanntes Werkstatt-Entgelt, das auch Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen bekommen. Doch er hofft, in dem Unternehmen im kommenden Jahr ganz regulär eine Ausbildung beginnen zu können. "Meine Erkrankung wurde erst mit 18 Jahren diagnostiziert. Ich habe die Hauptschule nach der achten Klasse verlassen. Ich war auf dem Schulzentrum Moormannskamp, auf der Berufsbildenden Schule Osterholz-Scharmbeck und in der Jugendwerkstatt", schildert er seinen Werdegang.
Der junge Ihlpohler wirkt aufgeschlossen, locker, redegewandt. In seinem Berufsalltag fährt er mit seinen Kollegen zu Kunden, hilft beim Aufbau und Anschluss von Waschmaschinen, Fernsehern oder Kameras. Vor allem das Training und die individuelle Förderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Friedehorst Teilhabe Arbeit haben ihm in den vergangenen Jahren dabei geholfen, seine Ängste und Kommunikationsprobleme zu überwinden und selbstbewusster zu werden, sagt er.
Das Inklusionsprojekt, das die Friedehorst-Gesellschaft "Friedehorst Teilhabe Leben" und das Berufsförderungswerk gemeinsam initiiert haben, gliedert sich in drei Abschnitte. In den ersten drei Monaten können die Teilnehmer im sogenannten Eingangsverfahren zunächst einmal ausprobieren und mit Unterstützung von Experten herausfinden, in welcher Branche sie arbeiten möchten. "Vier Bereiche stehen zur Verfügung", erläutert Regina Kossmann vom Sozialdienst des Berufsförderungswerks. Das sind der Hausmeisterservice mit Holz- und Metallwerkstatt, die Abteilung Lager und Logistik, der kaufmännische Bereich und Hauswirtschaft. "Dass Arbeit im Büro nichts für mich ist, war mir schnell klar", erzählt Robert Jerczak. "Aber die Tätigkeiten im Bereich Lager und Logistik haben mir Spaß gemacht. Auch für Technik habe ich mich interessiert."
In der zweiten Phase, dem Berufsbildungsbereich, durchlaufen die Teilnehmer eine zweijährige Qualifizierung. In diesen 24 Monaten lernen sie das gewählte Berufsfeld praktisch und theoretisch kennen und eignen sich fachliche Kompetenzen an. "In dieser Zeit machen die Teilnehmer auch Praktika, wenn möglich auf dem ersten Arbeitsmarkt. Begleitet werden sie dort von Job-Coaches", berichtet Kossmann.

Cirstin Hoffmann hobelt in der Holzwerkstatt eine Holzleiste für ein Kalenderspiel. Für sie ist die Rückkehr ins Arbeitsleben ein Neustart nach einer schweren Zeit.
Robert Jerczak stieß auf Herausforderungen. Sie zu meistern, bezeichnet er als seine Konfrontationstherapie. "Wenn ich etwas zu einem Büro bringen sollte und nicht wusste, wo das ist, musste ich natürlich Menschen ansprechen und fragen. Das war am Anfang nicht leicht für mich, wurde aber immer besser", erzählt er. Nach einem Praktikum in einer Fahrradwerkstatt nahm er schließlich selbstständig Kontakt zum Elektrofachbetrieb EP:Friese auf. Der 23-Jährige ist stolz darauf, was er erreicht hat, und befindet sich inzwischen im letzten Abschnitt des Inklusionsprojekts, dem sogenannten Arbeitsbereich.
So weit ist Cirstin Hoffmann noch nicht, doch auch sie hofft, durch das Projekt Friedehorst Teilhabe Arbeit dauerhaft wieder zurück ins Arbeitsleben zu finden. "Ich habe früher beim Martinshof im Lager gearbeitet. Dann war ich krankheitsbedingt zehn Jahre lang zu Hause. Ich bin an Krebs erkrankt", erzählt die 43-Jährige. Inzwischen geht es ihr besser, nach einer Reha konnte sie Anfang Mai in dem Projekt Friedehorst Teilhabe Arbeit loslegen. Seither fährt sie täglich mit Bus und Bahn von der Vahr nach Lesum. Wieder im Lager zu arbeiten, kam für die Bremerin nicht infrage. "Das kann ich gesundheitsbedingt nicht mehr machen", sagt sie.
Recht schnell war klar, dass ihr die Arbeit mit Holz liegt. Ihre neuen Aufgaben in der Holzwerkstatt gefallen ihr. "Ich habe schon früher mit Holz gearbeitet, zum Beispiel mit meinem Vater ein Regal gebaut und ein Häuschen für meine Tiere – ich hatte damals Hausratten." Ein erstes Praktikum hat Cirstin Hoffmann bereits absolviert – in der Arbis-Werkstatt des Sozialwerks der Freien Christengemeinde in Gröpelingen. "Dort habe ich Zubehör, kleine Figuren und Zäune, für Vogelhäuschen gebaut." In den kommenden Monaten sollen weitere Praktika folgen. "Es geht dabei um Arbeitserprobungen in Betrieben. Das könnten Tischlereien oder Möbelgeschäften sein", sagt Kossmann. Für Cirstin Hoffmann ist das Projekt nach einer schweren Zeit ein Neustart. "Ich gucke jetzt wieder positiver in die Zukunft", sagt sie.