„Die Zahl der Amseln, aber auch die der Meisen und Rotkehlchen ist stark zurückgegangen. In diesem Jahr war es besonders schlimm“, sagt Ewald Friesen. Der Burglesumer kennt sich in der Natur aus, denn seit Jahrzehnten betreut er als Naturschutzwart Schutzgebiete in Burglesum, Vegesack und Blumenthal, insbesondere das Werderland und das Ruschdahlmoor. Dass er immer weniger Vögel sieht, macht ihm Sorgen.
„In meinem Garten blüht zum Beispiel der Schmetterlingsflieder, der früher voll von Faltern waren. Doch die Tagfalter, die daran Nektar saugen, sind in den letzten Jahren deutlich weniger geworden“, sagt Friesen, der auch Ornithologe ist und bereits zahlreiche vogelkundliche Führungen geleitet hat. Schmetterlinge bilden neben vielen anderen Insektengruppen eine proteinreiche Nahrungsquelle für Singvögel, und Insekten sind besonders während der Jungenaufzucht unentbehrlich. Schlägt sich also das allgemein bekannte Insektensterben auch im Rückgang von Vogelarten nieder?
„Leider sind zum Rückgang von Kleinvögeln im Bremer Raum keine Zahlen verfügbar“, sagt Bernd Quellmalz vom BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz) Bremen. „Verlässliche Daten zu Vogelbeständen gibt es zu Wiesenbrütern wie Uferschnepfe, Kiebitz oder Großem Brachvogel, die regelmäßig gezählt werden. Unter ihnen konnte der Rückgang dank des Bremer Wiesenvogel-Schutzprogramms gestoppt werden“, sagt er. Doch für zahlreiche Vogelarten, die nicht Grünland, sondern Gärten, Hecken oder Wälder besiedeln, gilt dies offenbar nicht.
„Zumindest für den Feldsperling lässt sich eine starke Abnahme bestätigen“, sagt Vogelexperte Joachim Seitz, Autor des Buches „Die Vögel Bremens und der angrenzenden Flussniederungen“. Doch auch von bestimmten Meisenarten gibt es nach Joachim Seitz kaum noch Meldungen aus Bremen: Aus dem Jahr 2023 lagen von der Tannenmeise nur neun Beobachtungen vor und von der Haubenmeise sogar nur eine. Wie viele andere Vogelkundler hält er jedoch auch Krankheiten für eine mögliche Ursache, die zum Rückgang von Kleinvögeln beiträgt. Besonders bei Amseln habe das Usutu-Virus, das ursprünglich aus Afrika stammt und von Stechmücken übertragen wird, zu erheblichen Verlusten geführt. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) registrierte aber auch, dass im Jahre 2020 in Deutschland auffällig viele Blaumeisen krank wurden und starben – Ursache war ein Bakterium, das bei Meisen eine Lungenentzündung hervorruft.
Die Belastung mit Viren und Bakterien kommt offenbar zu mehreren anderen Faktoren hinzu, die unsere Vogelwelt dezimieren: Eine Auswertung der Bestandsveränderungen in allen EU-Ländern kommt zu dem Ergebnis, dass von 1980 bis 2016 in der EU rund 56 Prozent, in Deutschland rund 40 Prozent aller Feldvögel verschwunden sind. Der Nabu berichtet, dass besonders die einst häufigen Vögel der Agrarlandschaft heute selten geworden sind: „Es gibt 51 Prozent weniger Feldlerchen als noch 1980. Die Bestände des Kiebitzes sind um dramatische 93 Prozent zurückgegangen, und beim Rebhuhn sind es sogar 91 Prozent weniger Vögel“, schreibt der Nabu auf seiner Homepage.
Der Ornithologe und Biologe Lars Lachmann zeichnet in einem Interview mit dem Nabu ein differenziertes Bild: Bei seltenen Arten wie Kranich oder Seeadler kam es in den letzten Jahren zu deutlichen Zunahmen, während besonders die Arten der „Normallandschaft“ stark abgenommen haben. Diesen starken Rückgang erklärt Lars Lachmann vor allem damit, dass nicht genügend Jungvögel großgezogen wurden, da es an Insektennahrung mangele.

Ewald Friesen
„Die intensive Landwirtschaft trägt erheblich zum Rückgang von Insekten bei, aber auch in den Gärten wird von den Bürgern viel zu wenig für die Natur getan“, sagt Ewald Friesen aus Bremen-Nord: „Wenn in Gärten mehr heimische Pflanzen wachsen und sie strukturreich sind, können in ihnen auch zahlreiche Insekten leben, die Nahrung für Vögel bieten – naturnahe Gärten leisten einen erheblichen Beitrag zum Vogelschutz."