Burglesum. Das Interesse an dieser Beiratssitzung ist groß: Zeitweise sind der Videokonferenz des Beirats Burglesum fast 90 Teilnehmer zugeschaltet. Es geht um die Zukunft des Übergangswohnheims Am Rastplatz. Eigentlich wollten die Mitglieder über einen Antrag auf Verlängerung einer befristeten Nutzung sprechen. So stand es auf der Tagesordnung. Doch das ist hinfällig, weil die Liegenschaftsverwaltung Immobilien Bremen vor rund einer Woche einen neuen Antrag gestellt hat: auf eine Entfristung der Nutzung beziehungsweise Baugenehmigung für das Gebäude.
Dagegen ist nicht nur der Beirat. Auch die Anwohner möchten nicht, dass das Haus länger oder gar unbefristet als Übergangswohnheim dient. Die Stimmung in der Sitzung ist emotional. Sowohl die Kommunalpolitiker als auch die Nachbarn fühlen sich vom Sozialressort und von Immobilien Bremen getäuscht und übergangen.
Das Thema ist vor allem deshalb heikel, weil um die Einrichtung ohnehin seit Jahren ein Konflikt schwelt. Seit der Eröffnung des Wohnheims fühlen Anwohner sich durch Lärm gestört. Ein Lärmgutachten bestätigte, dass die Belastung für die Anwohner tatsächlich erheblich ist. Das hat mit den baulichen Gegebenheiten zu tun. Das Gebäude wurde in eine ehemalige Sandgrube gebaut. Das und die Architektur des Komplexes führen dazu, dass Geräusche wie mit einem Trichter verstärkt werden. Das Flüchtlingsheim ist drei Geschosse hoch und bietet Platz für bis zu 270 Personen.
Bauamt stimmt Vorhaben zu
Die Anwohner und auch der Beirat hatten immer wieder Lärmschutz, unter anderem baulicher Art, gefordert. Das offene Treppenhaus sollte geschlossen werden, war ein Vorschlag. Auch der Bau einer Lärmschutzwand war im Gespräch. Passiert ist nichts. Vor allem die Anwohner hatten mit der Hoffnung gelebt, die Belastung sei wenigstens zeitlich befristet. Doch wie sich jetzt herausstellte, verfolgt das Sozialressort ein ganz anderes Ziel und möchte das Haus dauerhaft nutzen.
Im Januar 2018 wurde die Unterkunft in Betrieb genommen. Die auf fünf Jahre befristete Baugenehmigung wurde jedoch bereits früher erteilt und läuft im April 2021 aus. Der Sprecherausschuss des Beirats hatte den Antrag auf eine Verlängerung der befristeten Nutzung nach einer Beratung im Dezember abgelehnt und dabei auch auf einen anderen Beschluss hingewiesen. Darin hatte sich das Gremium im Zusammenhang mit dem geplanten Abriss und Neubau des Kinder- und Familienzentrums Am Heidbergstift für eine vorübergehende Nutzung des Wohnheims als Kita ausgesprochen. Weil das Bauamt der weiteren befristeten Nutzung in seiner planungsrechtlichen Stellungnahme zugestimmt hatte, es also kein Einvernehmen gab, wurde die Bauakte an die obere Bauaufsicht geschickt.
Die wiederum bestätigte die Beurteilung des Bauamtes und teilte darüber hinaus mit, dass unter bestimmten Auflagen – dazu gehört Lärmschutz für die Nachbarn – auch eine unbefristete Nutzung möglich wäre. Die Möglichkeit ergibt sich vor dem Hintergrund, dass das Bauamt das Areal, auf dem das Wohnheim steht, inzwischen von einem sogenannten Außenbereich zu einem Innenbereich erklärt hat. Zum Hintergrund: Nur Innenbereiche sind grundsätzlich bebaubar, während Außenbereiche von Bebauungen freigehalten werden soll. Das Übergangswohnheim konnte trotzdem gebaut werden, weil im November 2014 Sonderregelungen für den Bau von Flüchtlingsunterkünften im Baugesetzbuch geschaffen wurden.
Petra Kodré, Vertreterin der Sozialbehörde, erläutert auf Nachfrage, das Übergangswohnheim werde auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie dringend benötigt. Es handele sich um eine Einrichtung mit abgeschlossenen Appartements, was derzeit besonders wichtig sei. Eine Verwendung als Kita ist nach Ansicht des Sozialressorts nicht möglich. Die Räume seien zur klein, es wären große Umbauten nötig, „und wir würden Plätze verlieren“, so Kodré.
Der Beirat äußert in seinem Beschluss Enttäuschung und Verärgerung darüber, dass nun versucht werde, „eine weitere Nutzung des Gebäudes auf dem Rechtsweg durchzusetzen“. Die Kommunalpolitiker lehnen eine zukünftige Nutzung als reines Übergangswohnheim „im Grundsatz“ ab. Sollte einer unbefristete Baugenehmigung für Wohnzwecke dennoch stattgegeben werden, will sich der Beirat einer Mitarbeit um eine „verträgliche Nachnutzung“ nicht verschließen. Die soll laut Kodré ab 2023 umgesetzt werden und sieht vor, dass künftig nicht nur Flüchtlinge in der Einrichtung leben. Der Beirat schlägt Studenten und Auszubildende als eine Zielgruppe vor und verlangt zudem eine „deutlich erkennbarer Reduzierung der Gesamtbelegungszahl“. Voraussetzung sei ohnehin die Erfüllung der baulichen Auflagen: ein umfänglicher Lärmschutz, Barrierefreiheit und Stellplätze sollen sofort nachgebessert werden.