Ullrich Vey hat der Stadt schon etliche wilde Müllkippen gemeldet, aber kein Abfallhaufen war so groß wie dieser. Der Biobauer aus Blumenthal spricht von mindestens 150 Autoreifen. Von einem Lastwagen, der sie abgeladen haben muss. Und davon, dass er nicht der einzige war, der Behörden über den Reifenberg informierte. Auch Ibrahim Tu?lemen hat das getan, ebenfalls Biobauer, ebenfalls regelmäßiger Müllmelder. Trotzdem ist der Abfall länger geblieben als anderer. Fast anderthalb Monate lagen die Reifen vor einem Tor mit dem Hinweisschild: Naturschutzgebiet.
Der Fundort ist eine Grünfläche, die an der Grambkermoorer Landstraße liegt. Vey kommt häufiger an ihr vorbei, wenn er in Burglesum zu tun hat. Aber nicht so oft wie Berufskollege Tülemen. Er hat eine Ackerfläche gepachtet, die in der Nähe des Naturschutzgebietes liegt. Mehrmals in der Woche ist Tülemen deshalb vor Ort. Und immer wieder hat der Landwirt seine Verpächterin darüber informiert, dass die Reifen noch genauso daliegen wie an den Tagen zuvor. Die Hanseatische Naturentwicklungsgesellschaft wollte, dass er Meldung macht. Es sind ihre Flächen, die Tülemen bewirtschaftet. Er sollte anrufen, damit die GmbH bei der Stadtreinigung anrufen kann. Tülemen sagt, dass das über Wochen so ging.
Seit Mittwoch sind die Autoreifen weg. Gemeldet hatte Vey sie am 6. September. Der Biobauer weiß das so genau, weil seine Müllmeldung noch auf dem Smartphone gespeichert ist. Er hat sie so abgesetzt, wie er das immer macht: online, inklusive Fotos, Koordinaten und Kurzbeschreibung. Zurückbekommen hat er vom sogenannten Mängelmelder die Nachricht, dass die Entsorgung in den nächsten Tagen erfolgen wird. Sein Fall bekam einen neuen Status: gelöst. Nur wurden die Reifen eben nicht in den nächsten Tagen abgeholt, und auch an den übernächsten nicht. Vey findet, dass anderthalb Monate zu lang sind, bis eine wilde Müllkippe beseitigt wird. Es ist nicht das erste Mal, dass er den Mängelmelder bemängelt.
Berufskollege Tülemen nutzt das System nicht, das die Stadtreinigung anbietet, um gegen illegal entsorgten Abfall vorzugehen. Er meldet wilde Müllkippen lieber telefonisch seiner Verpächterin. Allerdings kann auch Tülemen nicht verstehen, warum die Autoreifen so lange liegen geblieben sind und die Naturentwicklungsgesellschaft so oft beim Entsorger anrufen musste, bis etwas passiert. Er geht davon aus, dass auch andere Meldung vom Müll gemacht haben. Zum Beispiel die Jäger, die er dort manchmal trifft. Zum Beispiel die Deichbauer, die gerade in dem Bereich arbeiten. Alle, meint Tülemen, haben Reifen wegräumen müssen, um an ihnen vorbeizukommen. Auch er.
Torben Kapp bedauert, dass es bei dieser wilden Müllkippe länger gedauert hat. Der Sprecher der Stadtreinigung begründet die Verzögerungen nicht nur mit der Menge an Reifen, die nach seinen Worten enorm war. Sondern auch mit der Art des Abfalls, der ihm zufolge nicht so ist wie der meiste Müll. Weil Autoreifen nicht thermisch verwertet werden dürfen, sondern in gesonderten Anlagen aufzubereiten sind, konnten sie nicht mit einem herkömmlichen Müllwagen abtransportiert werden. Ein Containerfahrzeug musste her – und Personal, dass die Reifen von Hand verlädt. Kapp sagt, dass die Reifen jetzt auf dem Betriebshof noch einmal umgeladen werden, bevor sie recycelt werden können.
Dass wilde Müllkippen manchmal nicht nach Tagen, sondern erst nach Wochen beseitigt werden, hat nach Angaben des Unternehmenssprechers auch damit zu tun, dass es bei der Abfuhr jedes Mal um Rechte und Zuständigkeiten geht. Und damit immer um eine Antwort auf die Frage, wer am Ende dafür zahlt, dass der Abfall verschwindet. Laut Kapp steigen die Kosten dafür kontinuierlich, weil es immer mehr wilde Müllkippen gibt. Nach seiner Rechnung ist die Stadtreinigung allein im Vorjahr auf 8000 illegale Abfallplätze gekommen – und hat sich ihre Zahl seit 2014 verdreifacht. Die Summe, um sie zu beseitigen, beziffert er inzwischen mit einer Million Euro jährlich.