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Nicht immer notwendig Viele Wildtiere im Bremer Tierheim abgegeben

Im Bremer Tierheim werden derzeit viele junge Wildtiere abgeben, die jetzt dort aufgepeppelt werden müssen. Lobenswert, dass Menschen die kleinen Tiere einfangen und abliefern, aber nicht immer notwendig.
25.05.2020, 09:09 Uhr
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Von Anke Velten

Vor einigen Tagen ist im Bremer Tierheim ein Karton mit elf mutterlosen Entenküken abgegeben worden. Niedlich, aber an sich nichts Besonderes in den Wochen, in denen Tiernachwuchs aller Art das Licht der Welt erblickt. In diesem Frühjahr sind die Kinderstuben im Tierheim allerdings ungewöhnlich gut gefüllt. Und das ist nicht das Einzige, das zurzeit an der Hemmstraße etwas anders läuft als in normalen Zeiten. Die gute Nachricht: Die Bremer Tierliebe erweist sich bislang als völlig virusresistent.

Kaum daumengroße Nestlinge, Eichhörnchenjunge, die aus dem Kobel gefallen sind, kleine Kaninchen, Häschen und Ratten: Insgesamt rund 125 Wildtierbabys wurden in den vergangenen Wochen im Tierheim abgegeben. Es sind auffällig mehr als in den Vorjahren, sagt Brigitte Wohner-Mäurer. „Das mag daran liegen, dass viele Menschen mehr Zeit haben, um auf ihre Umgebung zu achten“, vermutet die Vorsitzende des Bremer Tierschutzvereins.

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Die Winzlinge landen unter den Fittichen von erfahrenen Kollegen wie Simone Dether, die nach eigener Auskunft schon seit Wochen keine Nacht mehr durchgeschlafen hat. „Das ist in jedem Frühjahr so“, erklärt die Tierheimpflegerin. „Aber es macht mir ja auch Spaß.“ Wach gehalten wurde sie in den vergangenen beiden Wochen zum Beispiel von Dobby, die im Alter von höchstens zwei Tagen im Tierheim abgegeben wurde und sich mittlerweile zu einem properen Entenmädchen gemausert hat. Nun erwarten zwei nackte Singvogelküken mit weit aufgerissenen Schnäbeln ihre Pflegemutter, eingemummelt in ihren Nestchen aus Küchentüchern: Sie müssen alle zwanzig Minuten ein Häppchen zum Überleben bekommen – vom Morgengrauen bis zur Dämmerung.

„So haben wir hier in den vergangenen Wochen kleine Meisen, Dohlen, Rotkehlchen, Rotschwänze und Mönchsgrasmücke aufgepäppelt“, berichtet Dether. Was die beiden Jüngsten einmal werden wollen – da kann auch die Expertin nur rätseln: Genau sagen könne man das erst, wenn die Federn kommen.

Viel Zuwendung benötigt

„Grundsätzlich finden wir es immer gut, wenn die Leute reagieren und nicht einfach vorbeigehen“, erklärt Simone Dether, und erzählt von dem Bauarbeiter, der kürzlich vor den Toren des Tierheims stand: Ein Kerl von einem Mann, und – ganz vorsichtig in den großen behandschuhten Händen – ein winzig kleiner Notfall. „Er hatte bei Erdarbeiten ein Mäusebaby entdeckt“, erzählt Dether. „Und er konnte es einfach nicht sich selbst überlassen. Ist das nicht schön?“ Unter den Tierjungen erforderten besonders die mutterlosen Mäuse viel Zuwendung und Erfahrung, erklärt sie: „Sie müssen rund um die Uhr stündlich gefüttert werden, und jede Mäuseart braucht eine andere speziell zusammengesetzte Milch.“ In guten Händen sind sie im Tierheim alle. „Wir versuchen, jedes Tier durchzubringen.“

Die Überbringer der Küken-Elflinge hatten alles richtig gemacht: Sie hatten das Entennest bereits seit längerem im Blick, beobachtet, dass die Entenmutter stundenlang nicht mehr zurückkehrte, und auch in der Umgebung nicht aufzufinden war. In vielen anderen Fällen sei der gut gemeinte Eingriff in die Natur dagegen keineswegs sinnvoll: So zum Beispiel bei „Ästlingen“ – dem Nachwuchs etwa von Meisen oder Amseln, die das Nest verlassen haben, aber je nach Vogelart noch tage- oder wochenlang von ihren Eltern versorgt werden. Eine Sache für sich seien auch junge Hasen, die oftmals mit Kaninchen verwechselt würden, erzählt Simone Dether. Auch sie sollten nicht einfach „gerettet“ werden.

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„Die Mütter sind oft stundenlang nicht zu sehen, kommen aber regelmäßig zum Füttern zurück.“ Die Versorgung von Eichhörnchenjungen, die aus dem Nest gefallen und nicht von ihren Müttern zurückgeholt werden, solle man unbedingt den Profis überlassen. „Auch wenn sie noch so gut gemeint ist: Falsche Fütterung endet für viele Jungtiere tödlich“, sagt Dether. „Generell ist es uns am liebsten, wenn die Leute vorher im Tierheim anrufen, uns die Situation schildern und wenn möglich auch Fotos schicken“, erklärt Brigitte Wohner-Mäurer. „Dann können wir am besten beurteilen, was zu tun ist.“

Da trifft es sich fast gut, dass das „Dorf der Tiere“ in den vergangenen Wochen für die Öffentlichkeit geschlossen blieb und die Mitarbeiter viel mehr Zeit hatten, sich um ihre menschliche und tierische Kundschaft zu kümmern. Zurzeit sind an der Hemmstraße 113 Katzen, 30 Hunde, 94 Kleintiere, 13 Großtiere, 31 Vögel und 50 Exoten untergebracht – darunter ein ausgewachsener Königspython, der aus schlimmen Zuständen gerettet wurde. Unterm Strich sei die Belegungsquote aber „so niedrig wie selten zuvor“, erklärt Wohner-Mäurer.

Hohe Vermittlungsquote

Umso höher sei dagegen die Vermittlungsquote: „Wir haben in den vergangenen Wochen rund 100 Tiere mehr vermittelt als im Vergleichszeitraum 2019“, so die Vereinsvorsitzende. Auch dies sei offensichtlich eine Nebenwirkung der Corona-Pandemie, in der viele Bremerinnen und Bremer viel Zeit zu Hause verbringen. „Viele Leute erfüllen sich jetzt den lang gehegten Wunsch nach einem Tier“, weiß sie. „Und es ist ja auch gut, wenn sie dem Tier vor allem in der Eingewöhnungsphase viel Zeit und Aufmerksamkeit widmen können.“

Der Deutsche Tierschutzbund hat in den vergangenen Tagen eine alarmierende Nachricht verschickt: Weil die Einnahmen aus Festen, Basaren und Flohmärkten wegbrächen, und die Entwicklung der Spendenbereitschaft unsicher sei, stünden viele Tierheime und tierheimähnliche Einrichtungen vor massiven Problemen, hieß es. Brigitte Wohner-Mäurer kann das für das Bremer Tierheim nicht bestätigen: „Wir können uns bislang überhaupt nicht beklagen“.

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Sorge bereite den Mitarbeitern an der Hemmstraße dagegen ein ganz anderes saisonales Phänomen: „Jetzt ist wieder die Zeit der Mähroboter, und immer wieder werden Igel, kleine Katzen, Eichhörnchen und Kaninchen mit schrecklichen Verletzungen bei uns eingeliefert“, erzählt sie. Dabei wäre zumindest ein großer Teil dieser Unfälle leicht zu verhindern, so die Vorsitzende des Bremer Tierschutzvereins: „Es würde schon viel bringen, wenn die Roboter nicht dauerhaft unbeobachtet, und vor allem nicht nach Einbruch der Dunkelheit laufen würden.“

Das Bremer Tierheim, Hemmstraße 491, ist auf Grund der aktuellen Umstände vorübergehend geschlossen. Bei Fragen und für Terminvereinbarungen sind die Mitarbeiter telefonisch unter der Rufnummer 04 21 / 35 11 33 oder per Mail an info@
bremer-tierschutzverein.de zu erreichen. Weitere Informationen gibt es auch im Internet auf der Seite www.bremer-tierschutzverein.de.

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