Welcher Hund für einen künftigen Halter am ehesten in Frage kommt, ist gar nicht so leicht und schon gar nicht auf Anhieb zu beantworten. Dass nicht alle Vierbeiner ohne weiteres überall gut aufgehoben sind, belegt der jüngste Vorfall in Hemelingen: Zwei Kangal-Hunde waren aus ihrem Gehege ausgebrochen und hatten einen Yorkshire-Terrier totgebissen. Um Unsicherheit und Unwissenheit vorzubeugen, soll jetzt auch in Bremen ein bundesweit stark nachgefragtes VHS-Seminar mit dem Titel „Erst der Kurs, dann der Hund“ anlaufen. Zu dem Angebot gehört neben theoretischer Information standardmäßig ein zweistündiger Praxisanteil im kommunalen Tierheim. Doch nun gibt es unerwartete Schwierigkeiten.
Zwei Tierheime zog Seminarleiter Andree Kastens als Kooperationspartner in Betracht: das Tierheim an der Hemmstraße und das Tierheim Arche Noah in Stuhr. Beide haben ihm einen Korb gegeben. Der 41-Jährige betreibt eine Hundeschule in Lilienthal, zugleich ist er Bremens Sachverständiger für gefährliche Hunde. Das Tierheim an der Hemmstraße verweist auf eine kürzlich eingestellte Hundetrainerin, es werde noch einige Zeit dauern, bis alles routiniert und eingespielt laufe. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei eine Zusammenarbeit mit anderen Hundetrainern nicht zu leisten.
Zur näheren Begründung heißt es: Kastens habe zusammen mit den Seminarteilnehmern mit den Tierheimhunden arbeiten, „sie quasi ausleihen“ wollen. „Allein aus versicherungstechnischen Gründen können wir das nicht erlauben“, sagt Tanja Pollak vom Bremer Tierschutzverein, dem Betreiber des Tierheims an der Hemmstraße. Zudem gibt es Bedenken wegen der oft problematischen Vorgeschichte der Tierheimhunde, mit ihnen soll auf eine bestimmte Art und Weise gearbeitet werden. „Daher kommt es für uns nicht in Frage, Tierheimhunde für ein Seminar, welches wir nicht selbst veranstalten, in andere Hände zu geben.“
Ähnlich argumentiert das Tierheim Arche Noah. Dort durchlaufen die Hunde ein sehr individualisiertes Training mit speziell zugeschnittenen Trainingsplänen. Damit befassen sich die zuständigen Tierpfleger und eine ehrenamtliche Hundetrainerin. „Wir empfinden es für unsere Hunde als schwierig, wenn sie stundenweise ihnen völlig fremden Personen für Training zur Verfügung stehen sollen“, sagt Tierheim-Leiterin Mareike Bergmann. „Gerade für Hunde mit einer Vorgeschichte können sich Trainerwechsel, abweichende Trainingsabläufe oder andere Trainingsmethoden als verstörend darstellen und Probleme verschärfen, statt sie zu verbessern.“
Kastens kann diese Haltung nicht nachvollziehen. Schon gar nicht den Hinweis beider Tierheime auf eigene Hundetraining-Programme. „Beide verstehen bis heute nicht, dass wir nicht als Hundetrainer auftreten wollen“, sagt er – mit „wir“ meint er auch seine Mitstreiterin, die Psychotherapeutin Dana Berger. Zumal sich am Ende sogar die Möglichkeit ergeben könne, einen Hund zu vermitteln. Mit beiden Tierheimen habe er lange Telefongespräche geführt, dabei auf den geringen Aufwand hingewiesen und angeboten, das Konzept persönlich zu erläutern. Doch vergebens. „Damit ist Bremen mal wieder Außenseiter, das ist sehr schade“, sagt Kastens frustriert.
Präventionsprojekt aus Fulda
Ersonnen hat das Präventionsprojekt die Tierschützerin Monica Bubenheim aus Fulda in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Ausbildungsleiter der örtlichen Polizei-Hundestaffel, Reinhard Spies. Auslöser waren vor acht Jahren die Probleme, die ein rumänischer Straßenhund mit Wolfsanteilen verursachte. „Deshalb haben wir ein Konzept für angehende Hundehalter erarbeitet“, sagt die 73-Jährige. In dem Kurs sollen den Teilnehmern umfassende Informationen zu Rasse, Herkunft, Haltung, Erziehung, Kosten und Gesetzgebung vermittelt werden, einen großen Stellenwert hat auch die Kombination von Theorie und Praxis. „Da können die Leute mal eine Runde mit dem Hund drehen und so einfach ein Gefühl für das Tier bekommen.“
Die Zusammenarbeit mit den lokalen Tierheimen sieht Bubenheim als unverzichtbaren Bestandteil des Seminars an. „Dabei geht es um kommunale Vernetzung“, sagt sie. Deshalb auch das breit aufgestellte Konzept mit Einbindung der Volkshochschulen. Erklärtes Ziel sei, die Kommunen bei ihrem Umgang mit Hunden zu unterstützen. „Wir wollen, dass es weniger Konflikte gibt. Und dass die Tierheime weniger Hunde zurückbekommen.“ Bundesweit erfreut sich das Seminar großen Zuspruchs, allein in Hamburg läuft es an drei Volkshochschulen. Zweimal jährlich bieten Bubenheim und Spies Lehrgänge für die Seminarleiter an, seit 2013 sind insgesamt 200 Hundetrainer geschult worden.
Die ausbleibende Kooperation mit den Tierheimen im Raum Bremen bedauert Bubenheim. Denn: „Die Tierheime profitieren von diesem Seminar.“ Erst recht, wenn sich Teilnehmer aufgrund des neu erworbenen Wissens doch gegen die Hundehaltung entscheiden. „Die übernehmen dann schon mal eine Patenschaft für einen Hund oder engagieren sich als Gassigänger.“
Die beiden Tierheime haben derweil die Tür nicht ganz zugeschlagen. Kastens könne sich zu einem späteren Zeitpunkt mit einem anderen Konzept noch einmal melden, sagt Tanja Pollak vom Tierheim an der Hemmstraße. Sein Vorschlag in einer anderen Form wäre auch für das Tierheim Arche Noah diskutabel. Unterdessen betont Kastens, das Seminar werde auf jeden Fall stattfinden. Für den Praxisteil sucht er derzeit nach Ausweichmöglichkeiten im Umland. „Wenn alle Stricke reißen, erhalten die Seminarteilnehmer in meiner Schule einen Einblick.“
Hier gibt es weitere Informationen zum Hunde-Kursus im Programm der VHS.