Zum ersten Mal in seinem bislang 72-jährigen Leben sitzt Horst Frehe in einem Torfkahn. Nicht, dass er nicht schon vorher Lust auf eine Tour gehabt hätte. Die Chance ergab sich bislang einfach nicht. Doch vor wenigen Tagen wurde der Lifter am Anleger der Findorffer Torfkähne eingeweiht, der Menschen mit Rollstühlen nun wie den Einstieg möglich macht. „Damit bekommen wir jede und jeden auf den Torfkahn und wieder herunter“, freut sich Initiator Ullrich Mickan. Es ist ein erster Schritt auf dem Weg zu mehr Barrierefreiheit, den die neuen Betreiber unbedingt gehen wollen, damit sich Menschen mit Behinderungen sehr willkommen am Torfhafen fühlen.
Wie zwei starke Arme halten die beiden gepolsterten Bügel den Passagier. Der Auslegerarm hebt ihn langsam und vorsichtig aus seinem Rollstuhl auf das Boot. Frehe kennt das Prinzip von zu Hause: „Eine sehr große Hilfe“, sagt er. In seinen eigenen vier Wänden nutzt er so ein Gerät selbstständig. Die Torfkahn-Passagiere werden von einem Team unterstützt. Der Kahn sei aus der Innenperspektive viel größer und stabiler, als er von außen betrachtet scheint, staunt Frehe. „Ich dachte, das schaukelt mehr.“
Alle Hebel in Bewegung gesetzt
Der Jurist und Politiker ist in Bremen gut bekannt als ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter und Staatsrat von Sozialsenatorin Anja Stahmann sowie für sein Engagement für die Rechte behinderter Menschen. Als Testperson kam er indes an den Torfhafen, weil ihn eine jahrzehntelange Freundschaft mit Torfkahn-Organisator Ullrich Mickan verbindet. Mickan, ebenfalls 72 Jahre alt, hatte bis 2017 zehn Jahre lang den Betrieb der Findorffer Torfkähne geleitet. Als er im vergangenen Sommer davon erfuhr, dass der Beschäftigungsträger Bras sich von seinem Findorffer Standbein getrennt hatte und die Zukunft der Findorffer Torfkähne auf dem Spiel stand, kehrte er zurück und setzte uneigennützig alle Hebel in Bewegung, um den Betrieb zu retten – wir berichteten.
Mit der gemeinnützigen Teufelsmoor Gastronomie und Service GmbH, einer Tochter der Stiftung Maribondo da Floresta, wurde ein neuer Träger gefunden, der den Betrieb nahtlos weiterführte. Der Inklusionsbetrieb beschäftigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen. Der Lifter sei zwar in erster Linie für sie gedacht, erklärte Mareke Menzel aus dem Bremer Integrationsamt, das die Anschaffung aus genau diesem Grund finanzierte. Profitieren werden davon aber natürlich auch die Gäste. „Ein positiver Synergieeffekt“, so die Amtsvertreterin, die sich die Premiere anschaute.
Skipper dringend gesucht
Mickan, der in ehrenamtlicher Funktion fast täglich von morgens bis abends in der Torfkahn-Hütte und am Anleger anzutreffen ist, kann davon berichten, was Bremen gefehlt hätte, wären die Findorffer Torfkähne tatsächlich nicht mehr weitergefahren. „Die Saison ist super angelaufen“, erzählt er, „das Telefon steht nicht still.“ Zahlreiche Stadtbesucherinnen und –besucher fänden ihren Weg nach Findorff über die Informationen auf den Internetseiten von Bremen Tourismus. Doch auch Familien, Freundeskreise und Unternehmen aus Bremen und der Umgebung nähmen das Angebot gerne an – für besondere Anlässe oder einfach nur zum Spaß. Bis zu 100 Menschen können transportiert werden, wenn sämtliche sechs Findorffer Kähne gemeinsam unterwegs sind – was tatsächlich auch vorkomme, erzählt er. Die 15 Skipperinnen und Skipper haben daher mehr als genug zu tun. „Wir suchen derzeit händeringend nach weiteren Kräften“, sagt Mickan.
In Grenzen hielten sich dagegen bislang die Anfragen von Rollstuhlfahrerinnen und –fahrern – eben aufgrund der Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen. Mit dem soliden Tragehelfer soll die Nachfrage aus dieser Zielgruppe deutlich steigen, hofft Mickan. Bislang hat der Betrieb für die Rollstuhl-Passagiere vier unterschiedliche Angebote im Programm: Sie können von Findorff aus zu Fahrten ins Grüne, weit hinaus ins Vogelschutzgebiet Gröpelinger Fleet sowie zu einer Picknick- oder Kaffee-Fahrt ablegen.
Lifter ist transportabel
Die noch begrenzte Angebotsauswahl sei der Tatsache geschuldet, dass die externen Anleger für Menschen im Rollstuhl kaum oder gar nicht zu bewältigen seien. Doch auch in dieser Hinsicht soll Abhilfe geschaffen werden, sofern es die Gegebenheiten vor Ort zulassen: Der Findorffer Lifter ist transportabel und kann einfach umgesteckt werden, wenn eine Bodenhülse vorhanden ist. „Zurzeit bemühen wir uns darum, den Anleger am Haus am Walde barrierefrei zu gestalten“, erzählt Mickan.
Im Fokus hat er aber momentan auch den Torfhafen selbst. Um von Betroffenen zu erfahren, welche Hindernisse zu beseitigen wären, hat er sich bereits zu mehreren Begehungen mit Vertreterinnen und Vertretern diverser Behindertenverbände getroffen. Aktuell liefen Gespräche mit dem Bauressort über den Zugang aus Richtung Eickedorfer Straße.
Das kann Manuel Warrlich, Büroleiter von Senatorin Özlem Ünsal, bestätigen. „Die Rampe ist nicht barrierefrei, das ist richtig. Sie ist zu steil und hat den falschen Belag“, weiß der persönliche Referent der Senatorin. Die Teilhabe von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen an Freizeitangeboten und an der Zugänglichkeit der öffentlichen Räume sei „ein wichtiges Anliegen, das Bremen Schritt für Schritt umsetzt“, so Warrlich. Mittlerweile liege eine Kostenschätzung zum Umbau der Rampe vor. In der zweiten Augusthälfte sei ein Termin mit allen Beteiligten geplant.