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Toleranzräume schaffen Vier Bremer Beiräte fordern Hilfe für Wohnungslose

„Oberstes Ziel muss sein, in der kalten Jahreszeit gesundheitliche Gefahren für Menschen auf der Straße zu reduzieren und Kältetote zu vermeiden", sind sich die Stadtteilbeiräte einig und stellen Forderungen.
11.12.2021, 16:06 Uhr
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Von Anke Velten

Draußen ist es bereits empfindlich kalt, und der Winter hat noch gar nicht richtig begonnen. Die Beiräte Mitte, Schwachhausen, Neustadt und Findorff fordern daher unisono die senatorischen Behörden für Soziales und Inneres auf, obdachlose Menschen nicht von ihren selbst gewählten Aufenthalts- und Schlafplätzen zu vertreiben. Zudem sollen Streetworker und andere Hilfeleistende bei der Suche nach geeigneten Orten unterstützt werden, an denen obdachlose Menschen die Winternächte sicher und ungestört verbringen können. Für solche potenziellen so genannten „Toleranzorte“ haben die Beiräte einige Vorschläge gesammelt.

„Oberstes Ziel muss sein, in der kalten Jahreszeit gesundheitliche Gefahren für Menschen auf der Straße zu reduzieren und Kältetote zu vermeiden, wie sie im letzten Jahr in unserer Nachbarstadt Hamburg in großer Zahl zu beklagen waren“, heißt es in dem gemeinsamen Beschluss, formuliert und gezeichnet vom beiräteübergreifenden Arbeitskreis „Toleranzräume für Wohnungslose“ der innenstadtnahen Ortsämter West, Mitte/ Östliche Vorstadt, Neustadt/Woltmershausen und Schwachhausen/Vahr. Als Vorbild für Bremen könne die Stadt Frankfurt am Main dienen, empfehlen die Beiräte: In der Main-Metropole bleibt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Reihe von U-Bahnhöfen während der Winternächte geöffnet, um obdachlosen Menschen einen überdachten Schlafplatz zu bieten.

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In der Stadtgemeinde Bremen seien aktuell mehrere Hundert Menschen wohnungs- oder obdachlos, heißt es in der Begründung. Ein großer Teil davon lebe faktisch auf der Straße. Die Gründe dafür seien ebenso vielfältig wie die Hilfsangebote, die für diese Menschen gemacht werden. Zahlreiche Notunterkünfte und Beratungsstellen leisteten täglich wertvolle Arbeit, die Menschen in ihrem harten Alltag zu unterstützen. Weitere Projekte, so zum Beispiel das „Housing-First“-Projekt, engagierten sich dafür, obdach- und wohnungslosen Menschen dauerhaft eine Perspektive in eigenem Wohnraum zu ermöglichen. Diese Ansätze – insbesondere die Priorisierung der Wohnraumbeschaffung – werden von den Beiräten ausdrücklich begrüßt und die Arbeit der Hilfeleistenden anerkannt.

Andererseits ließen sich nicht alle auf der Straße lebenden Menschen von den bestehenden Angeboten dauerhaft erreichen. Nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie habe sich bei manchen die Hemmschwelle deutlich erhöht, Gemeinschaftsunterkünfte zu nutzen. Andere mieden die Unterkünfte und verbrächten ihre Nächte lieber im Freien, weil sie beispielsweise ihre Hunde nicht übergangsweise ins Tierheim geben wollen. „Diese Menschen sind bei sinkenden Temperaturen erheblichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt und haben sich oftmals Orte gesucht, an denen sie wenigstens mit einem minimalen Schutz „Platte machen“ können – etwa unter Brücken, Hochstraßen oder in verlassenen Gebäuden“, sagen die Stadtteilpolitikerinnen und -politiker. „Hier droht ihnen jedoch nicht selten Vertreibung.“

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Als Orte, die Schutz und ein wenig mehr Wärme bieten, schlagen die Beiräte ungenutzte Flächen in Parkhäusern vor. Geeignet seien auch kleinere überdachte Bereiche, wie etwa vor der Beratungsstelle Comeback am Rembertiring. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn könne zudem der Bereich vor der Bahnhofsmission im Bremer Hauptbahnhof als überdachter Schlafplatz für die Nacht zur Verfügung gestellt werden. Diese akzeptierten Orte sollten mit einer minimalen Infrastruktur aus mobilen Toiletten und Müllbehältern sowie gegebenenfalls Heizpilzen zum Aufwärmen ausgestattet werden, heißt es weiter.

Bereits im Januar dieses Jahres hatte der Findorffer Beirat den Senat aufgefordert, ressortübergreifend aktiv zu werden und klar definierte Aufenthaltsorte und Toleranzräume für wohnungslose Menschen anzubieten. Statt einer Verdrängung sei eine konstruktive Lösung erforderlich, die auch die genannten Personengruppen und die entsprechenden Netzwerkpartner einbinde.

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Der Findorffer Sozialausschuss folgte mit diesen Forderungen einstimmig dem Antrag der Linken-Fraktion. Die Findorffer Linken hatten das Thema bereits im November 2021 auf die Tagesordnung gebracht, nachdem Mitglieder mit Bestürzung beobachtet hatten, dass die ÖVB-Arena und die Messehallen auf der Bürgerweide weiträumig mit hohen Zäunen abgesperrt worden waren. Ihre Befürchtung: Wohnungslose Menschen sollten mit dieser Maßnahme daran gehindert werden, das Umfeld der Messehallen als Aufenthaltsort und Übernachtungsmöglichkeit zu nutzen.

Vor einigen Wochen trafen sich Vertreter von Beirat Findorff und Ortsamt West, um im Rahmen einer „sozialen Stadtführung“ von einem Betroffenen aus erster Hand mehr über die Lebensbedingungen wohnungsloser Menschen zu erfahren.

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