Das Foto hat Vivienne Otto am Wochenende aus ihrem Wohnzimmerfenster gemacht. Es zeigt ein Feuerwehrfahrzeug an der Ecke Winterstraße/Brandtstraße in Findorff und dokumentiert, dass das große Fahrzeug nicht in die Brandtstraße einbiegen kann, weil parkende Autos den Weg versperren. Und es zeigt, wie ein Feuerwehrmann zu Fuß zu einem Kellerbrand in der Straße eilt. „Das bringt das Verkehrschaos in unserem Quartier auf den Punkt. In diesem Fall, der richtig tragisch hätte enden können, muss man daher fragen: Was soll noch passieren? Das Verkehrskonzept der Behörden geht nun wirklich nicht auf, weil es halbherzig und mutlos umgesetzt ist“, so die Kritik der Findorfferin.
Otto ist Mitglied einer Bürgerinitiative, die ein konsequenteres Schutzkonzept für die Anwohner in den Quartieren rund um die Bürgerweide fordert – zu Zeiten von Großveranstaltungen, aber auch darüber hinaus. Rund vier Millionen Besucher reisen jedes Jahr zum Bremer Freimarkt an, viele von ihnen mit dem Auto, das möglichst nahe am Festgelände geparkt werden soll. Die Folge: verstopfte Straßen, zugeparkte Einfahrten, Geh- und Radwege, Verkehrschaos im Stadtteil.
Die Findorffer haben von Abgasen und Parken in Wild-West-Manier die Nase schon lange voll, wie Bettina Rabe, eine der Initiatorinnen der Bürgerinitiative, sagt. Ihre Hoffnungen ruhten deshalb vor dem diesjährigen Freimarkt-Beginn auf einem Konzept, das die Behörden von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) vorgelegt hatten. Der Beirat Findorff hatte ein solches Konzept eingefordert und außerdem einen eigenen Maßnahmenkatalog zusammengestellt. Ein Bestandteil des Behördenkonzepts sind Schilder an den Zufahrtsstraßen – unter anderem zum Quartier zwischen Eickedorfer Straße, Findorffstraße, Admiralstraße und Hemmstraße –, die lediglich Anliegern die Durchfahrt gewähren.
„Der Effekt dieser Anlieger-frei-Schilder tendiert gegen null“, sagt Jochen Tholen, ebenfalls Mitglied der Bürgerinitiative. „Das interessiert keinen Autofahrer, der möglichst nah am Freimarkt parken will. Und es hat ja auch keine Konsequenzen, wenn ein Auto trotzdem dort abgestellt ist.“ Als einen Beleg dafür, dass die Maßnahme des behördlichen Verkehrskonzepts nicht greift, wertet das Trio die Bilanz der Polizei nach den ersten beiden Freimarkt-Tagen: Danach wurden am Freitag und Samstag 643 Verkehrsverstöße geahndet und mehr als 30 falsch geparkte Fahrzeuge abgeschleppt.
Die Durchfahrt hätte im vornherein verboten werden müssen
„Ein Lob dafür, dass mehr Polizeibeamte und Mitarbeiter des neuen Ordnungsdienstes kontrollieren und auch rigoros abschleppen lassen. Das wäre aber sicher nicht in diesem Umfang notwendig gewesen, wenn man von vornherein die Durchfahrt verboten hätte – per Verbotsschild“, betont Otto. „Das Konzept der Behörden sah nach unserem Kenntnisstand auch solche Durchfahrt-verboten-Schilder mit dem Zusatz ‚Bewohner frei‘ vor. Entsprechend frustriert und verärgert waren die Anwohner, als sie am Freitag dann die Anlieger-frei-Schilder gesehen haben, die überhaupt keinen Effekt haben. Dafür müsste schon jedes Fahrzeug und jeder Fahrer kontrolliert werden, ob es sich tatsächlich um einen Anlieger handelt.“
Die Mitglieder der Bürgerinitiative sind vor allem auch deshalb verärgert, weil die Schutzzone bei Großveranstaltungen nur Baustein eines übergeordneten Verkehrskonzepts für den Stadtteil sein soll: Auch abseits von Freimarkt, Osterwiese und anderen Veranstaltungen auf der Bürgerweide steht der Stadtteil laut eines aktuellen Gutachtens verkehrstechnisch zunehmend unter Druck. „Mitarbeiter von Unternehmen in Findorff, Hotelgäste, Urlauber, die mit der Bahn zum Flughafen fahren, und Arbeitspendler aus dem Umland stellen ihre Autos in den Straßen ab. Das ist unzumutbar für die Anwohner“, betont Tholen. „Der Senat verfolgt doch auch das Ziel einer Verkehrswende; wie soll dies jedoch funktionieren, wenn man schon bei einem Verkehrskonzept zum Freimarkt mutlos ans Werk geht?“
Konsequentes Vorgehen gegen Falschparker insbesondere zu Freimarkt-Zeiten fordert seit Langem auch Bürgerpark-Direktor Tim Großmann: In diesem Jahr hat die Verkehrsbehörde 400 Pfähle am Uferstreifen entlang der Findorffallee aufstellen lassen. Großmann ist nach dem ersten Freimarkt-Wochenende zufrieden: „2018 war das noch eine absolute Katastrophe. In diesem Jahr ist die Situation durch die aufgestellten Pfähle wirklich entspannter. Bis auf ein paar schwarze Schafe geht das Konzept offenbar auf.“ Zusätzlich zum Behördenkonzept hat der Bürgerpark-Direktor aber auch in diesem Jahr unter anderem wieder Baumstämme als Blockaden im Park aufstellen lassen. „De facto ist es aber so, dass es für so große Volksfeste wie den Freimarkt zu wenige Parkplätze gibt. Zu einem Verkehrskonzept muss deshalb künftig eine noch viel offensivere Beschilderung von Park-and-Ride-Möglichkeiten gehören“, so Großmann.
Diese Forderung will Ulf Jacob, Sprecher des Ausschusses für Bau, Klima, Umwelt und Verkehr im Beirat Findorff, in einer Ausschusssitzung an diesem Dienstagabend formulieren. „Die Veranstalter und das Tourismus-Marketing müssen in Zukunft stärker und vor allem verpflichtend in solche Konzepte eingebunden werden. Das passiert bisher nicht“, betont Jacob.