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"Lost Places" Der dezente Charme von Schrott

50 historische Fahrzeuge verrotten seit 22 Jahren im Autoskulpturenpark Neandertal. Wolfgang Pohl hat sie im Detail fotografiert und aus den Bildern seine Ausstellung "Lost Places" zusammengestellt.
30.03.2022, 17:15 Uhr
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Von Matthias Holthaus

Freunde historischer Autos müssen jetzt ganz stark sein: Zwar zeigt die Ausstellung „Lost Places“ des Hobbyfotografen Wolfgang Pohl noch bis zum 5. Mai im Bürgerhaus Oslebshausen wahrlich erlesene Automobile der 50er-Jahre, doch keines dieser seltenen Vehikel aus aller Welt ist mehr fahrbereit. Vielmehr verrotten sie seit dem Jahr 2000 in einem kleinen Wäldchen bei Erkrath, genauer gesagt im Autoskulpturenpark Neandertal.

Damals entschloss sich der Mode- und Autodesigner Michael Fröhlich, an seinem 50. Geburtstag 50 schöne Wagen in seinem Wald sich selbst zu überlassen. „Zum Beispiel steht dort ein Citroën 2CV, und in dieser Ente liegen noch die Champagnerflaschen des letzten Geburtstags herum“, erzählt Wolfgang Pohl.
Eigentlich sei das ja auch eine Vernichtung von Ressourcen, findet er, „doch für mich war das toll zu fotografieren. Es ist interessant zu sehen, wie die Natur zurückkommt.“ Und die Natur erobert sich tatsächlich das blecherne Terrain zurück, das einst nur von Straßenstaub aus aller Herren Länder bedeckt war. Aus Russland sind Autos zu finden, aus Frankreich, der DDR, der Bundesrepublik, der ehemaligen Tschechoslowakei oder den USA.

Von Porsche über Lloyd bis Borgward

Die alte Bundesrepublik ist übrigens mit Porsche vertreten – und mit einem VW Käfer. Mit Lloyd und Borgward geben sich sogar zwei Bremer Automobile die Ehre. Zu sehen sind klassische Straßenkreuzer und praktische Kleinwagen, aber auch Details dieser Wagen, die die Vergänglichkeit dokumentieren.

Und auch die Kühlerfigur eines Rolls-Royce ist auf einem Bild zu sehen: „Spirit of Ecstasy“ heißt dieser Klassiker, der seit 1911 den Verschluss des Wasserkühlers ziert, und diese auch „Emily“ genannte Figur verschwindet mittlerweile bei aktuellen Wagen dieser Marke beim Parken im Inneren des Kühlergrills. Das tut sie im Autoskulpturenpark natürlich nicht mehr, sodass die kleine, silberne Frau in der flatternden Robe mehrmals gestohlen wurde. Ein Ersatz musste folglich her, es wurde ein Engel mit Flügeln und Fackel, festgeschraubt am Fahrzeug und verewigt von Wolfgang Pohl.

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An alle Fahrzeugen hat der Zahn der Zeit schon reichlich genagt, was zwar der Fahrtüchtigkeit abträglich ist, dem Betrachter jedoch neben einer gehörigen Portion Melancholie auch das Zugeständnis abringt, dass da ebenso Schönheit im Spiel ist. „Erst einmal fotografiere ich das ganze Auto, dann taste ich mich weiter vor“, erklärt Wolfgang Pohl seine Vorgehensweise – ein Detail etwa, das nicht zu dem Auto passt: „Ein grünes Blatt zum Beispiel auf dem Auto“, sagt er, außerdem spiele er dann auch mit der Beleuchtung – dann wird die kaputte Lampe des VW Käfer noch einmal kurz zum Glühen gebracht. „Es müssen ja nicht immer Gebäude sein, unter ,Lost Places‘ läuft ja vieles“, erklärt Wolfgang Pohl den Titel seiner Ausstellung – denn: „Verrottend, kaputt, das bedeutet bei Gebäuden ja genau das Gleiche wie bei Autos.“ Vor fünf Jahren war der 70-jährige Aumunder bereits im Autoskulpturenpark. Mit seiner Fotogruppe war er damals dort und hat so um die 150 Fotos gemacht.

Wesentlich mehr Bilder sind in seinem Leben zusammengekommen. „Mein ältestes Bild ist wahrscheinlich von 1958, 59 oder 60“, schätzt er. „Mein Vater hat gerne fotografiert, davon habe ich etwas mitbekommen“, sagt er. Nach dem Rollfilm kam der Diafilm und dann die Digitalfotografie. So um 2005 sei das gewesen, mit einer kleinen Minolta. „Und damit habe ich schon viel fotografiert.“ Es folgte eine Spiegelreflexkamera und 2015 die Gründung einer ersten Fotogruppe, nachdem er nicht mehr als Architekt gearbeitet hat.

Fotogruppe gegründet

Zuvor habe er nach einer Fotogruppe gesucht, „das sagte mir aber nicht zu und da dachte ich mir, dass ich selber eine Gruppe gründe.“ Und siehe da: „Nach zwei Wochen waren wir 15 Leute.“ Nach fünf Jahren habe sich diese Gruppe mit dem Namen „Sehleute“ ein wenig überlebt, wie er sagt, eine neue Gruppe folgte – „Augenblick“. Diese siebenköpfige Gruppe trifft sich nun ein Mal im Monat in der Christophorusgemeinde in Bremen-Aumund. Doch ab und an, so Wolfgang Pohl, mache er auch mal was Eigenes.

Wie 2019 zum Beispiel. Da hat er schon einmal im Bürgerhaus Oslebshausen ausgestellt: „Seifenblasen“ hieß die Ausstellung und zeigte die schillernden Blubberblasen in allen möglichen Situationen, Spiegelungen und Formen. „Das Bürgerhaus Oslebshausen ist ganz toll für Ausstellungen“, sagt Wolfgang Pohl, „ich werde hier gut unterstützt und als Künstler anerkannt.“

Info

Die Ausstellung „Lost Places“ mit Fotografien von Wolfgang Pohl ist noch bis Donnerstag, 5. Mai, im Bürgerhaus Oslebshausen, Am Nonnenberg 40, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Donnerstag von 9 bis 22  Uhr und am Freitag von 9 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Auf der Seite www.bghosl.de sind weitere Informationen erhältlich.

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