„Das ist ein Juwel – selbst in diesem Zustand, der angejahrt und nicht zufriedenstellend ist“, sagt Ralf Lindemann vom Vorstand der Espabau, während er sich im Breitenbachhof umschaut, einmal tief Luft holt und dann ergänzt: „Ein teures Juwel.“ Denn die in Findorff ansässige Wohnungsgenossenschaft will die 1919 eingeweihte und 1978 teilweise unter Denkmalschutz gestellte Anlage mit insgesamt 142 Wohnungen w i e b e r i c h t e t sanieren. In Absprache mit dem Landesdenkmalamt werden das Dach erneuert, Schornsteine repariert beziehungsweise zum Teil abgebaut, die Kunststofffenster aus den 1990er-Jahren wieder gegen Holzfenster getauscht, mehrere barrierefreie Wohnungen geschaffen, das Dachgeschoss ausgebaut und der gesamte Komplex an die Fernwärme angeschlossen. Schließlich soll auch noch der Innenhof schöner und autofrei werden. Der Umbau erfolgt Lindemann zufolge in sieben Bauabschnitten, „wie Tortenstücke“. Der Bauantrag ist genehmigt, bis spätestens 2031 soll alles fertig sein. Kostenpunkt laut Espabau-Vorstand Dieter Focke: 15 Millionen Euro. „Das ist natürlich ein Hammer. Und wir wissen noch nicht, wie sich das entwickelt“, so Lindemann.
Investition lohnt sich

Für (v.l.) Dieter Focke, Marc Bohn und Ralf Lindemann vom Espabau-Vorstand ist der Breitenbachhof ein Juwel, das sie erhalten wollen.
Auch wenn die Wohnungsgenossenschaft nicht gewinnorientiert arbeitet – was die Finanzierung umso schwieriger macht – lohnt sich die Investition nach Ansicht des Vorstands. Zuallererst aufgrund der noch immer soliden Bausubstanz, und außerdem auch, weil viele zur selben Zeit erbaute Objekte im Bremer Westen während des Zweiten Weltkriegs bei Bombenangriffen zerstört wurden. Vor allem aber, weil es sich bei dem nach außen trutzburgartig wirkenden Wohnkomplex, der bei seiner Fertigstellung ein städtebauliches Zeichen setzte, um ein schützenswertes Wahrzeichen Bremens handele.
Gebaut wurde die Wohnanlage vor mehr als 100 Jahren, weil ab 1915 mit dem neuen Verschiebebahnhof in Gröpelingen Wohnraum für Eisenbahner benötigt wurde. Die „Eisenbahn Spar- und Bauverein Bremen eG“ (heute Espabau) setzte dabei auf Geschosswohnungsbau anstatt auf das damals in Bremen populäre Reihenhaus. Der von ihr beauftragte Architekt Heinrich Rudolf Jacobs gestaltete bewusst einen Gegenentwurf zu den engen Mietskasernen, die um die Jahrhundertwende in anderen großen Städten entstanden und in denen die Menschen unter teils erbärmlichen Bedingungen lebten.
„Die Anlage ist dreigeschossig – wirkt durch die tiefgezogenen Mansarddächer aber, als habe sie nur zwei Stockwerke – und dadurch gemütlicher“, so Lindemann. Gauben und Schornsteine lockern das Gesamtbild auf, sämtliche Wohnungen haben außerdem Loggien mit Blumenkästen und kleinen Holzzäunen zum begrünten Innenhof hin, der durch vier Torbögen von der Straße aus betreten werden kann. Eingeweiht wurde der im Karree angeordnete Baublock seinerzeit vom preußischen Minister für das Eisenbahnwesen, Paul von Breitenbach, höchstpersönlich.
Arbeiten starten am Mittelflügel

In den 1990er-Jahren wurden Kunststofffenster (links) eingebaut - die sollen jetzt wieder raus und gegen originalgetreue Holz-Sprossenfenster getauscht werden. Das erste Testfenster ist schon eingebaut worden.
Mittlerweile ist der Breitenbachhof sichtbar in die Jahre gekommen. Es bröckelt in den Torbögen, an den Fassaden und am Dach. Ziegel auf rund 5500 Quadratmeter Dachlandschaft sollen laut Architekt Thomas Grotz in den kommenden Jahren Stück für Stück ausgetauscht werden: "Außerdem setzen wir Gauben auf, die dem Bestand entsprechen. So kriegt man die etwa 43 neuen Wohnungen oben dann auch gut durchlüftet." Bei der Rekonstruktion der originalen – etwas dunkleren – Fassadenfarbe halfen Grotz zufolge Restauratoren und als Test-Objekt wurde ein Holz-Sprossenfenster eingebaut, erzählt Grotz: „Sodass wir wissen, wie die Teilung und die Farben waren.“ Lindemann: „Wir stehen in den Startlöchern und legen jetzt mit der ‚Nase‘ los.“
Die „Nase“ – so nennen die Planer den Mittelflügel, der zwischen den beiden Innenhöfen wie eine Nase hervorragt. In diesem Gebäudeteil sollen mehrere barrierefreie Wohnungen für betreutes Wohnen sowie alten- und rollstuhlgerechte Wohnungen entstehen. Dorthin gelangt man zukünftig über einen Fahrstuhl, der in einen Schacht im Gebäude eingebaut wird. Außerdem bekommt der Martinsclub, der im Breitenbachhof betreutes Wohnen anbietet und das Quartierszentrum „Bei uns” betreibt, in diesem Gebäudeteil neue Räumlichkeiten.
Deutsche Stiftung Denkmalschutz hilft

Der Gebäudekomplex ist sichtlich in die Jahre gekommen: Auch in den Unterführungen zur Straße bröckelt es.
Der Breitenbachhof ist etwas ganz Besonderes und unbedingt erhaltenswert – das sieht auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) so. Sie unterstützt deshalb nun die Dachdecker- und Klempnerarbeiten im ersten Bauabschnitt mit 60.000 Euro. Die DSD-Mittel stammen von privaten Spendern und aus Erträgen der Lotterie Glücksspirale, wie Leiter Wolfram Seibert vom Ortskuratorium Bremen der bundesweit aktiven Stiftung erklärt: „Wir haben etwa 200.000 Förderer, die regelmäßig spenden.“ Viele dächten beim Begriff Denkmal erst einmal an Burgen und Schlösser, unterstreicht der Mediziner, der sich ehrenamtlich bei der Stiftung engagiert: „Aber es sind gerade auch die kleineren Projekte, die nicht ganz so im Rampenlicht stehen, die uns am Herzen liegen.“
Espabau-Vorstand Ralf Lindemann freut sich über die finanzielle Unterstützung: „Das hat für uns auch einen starken symbolischen Wert – wir fühlen uns wahrgenommen und wertgeschätzt. Wir bemühen uns darüber hinaus auch redlich um weitere Förderquellen – das ist aber ein zähes Geschäft.“ Gut möglich also, dass Espabau für den nächsten Bauabschnitt wieder bei der DSD anklopft.

Der Breitenbachhof ist etwas ganz Besonderes: Diese Ansicht teilt auch Wolfram Seibert, der das Ortskuratorium Bremen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz leitet.